Armin, auch „Bobby“ Kolb genannt, ist ein Kuka-Urgestein. Seit 43 Jahren arbeitet er für den Augsburger Roboter- und Anlagenbauer. Der 58-Jährige ist seit 2010 Vorsitzender des Betriebsrates und gehört seit 2014 auch dem Aufsichtsrat des Unternehmens an. Sein Wort hat bei Kuka Gewicht.
Herr Kolb, Sie müssten glücklich sein, schließlich ist es auch dem Engagement des Betriebsrats zu verdanken, dass der von Vorstandschef Mohnen angekündigte Abbau von bis zu 270 Arbeitsplätzen abgemildert wird.
Armin Kolb: Mich macht das überhaupt nicht glücklich. Jeder, der bei Kuka gehen muss, ist einer zu viel. Wir hatten in Augsburg einst mehr als 4000 Beschäftigte und steuern nach der vierten Restrukturierungsrunde in nur vier Jahren auf gut 3300 Beschäftigte zu. Hinter jedem abgebauten Arbeitsplatz steht ein menschliches Schicksal, ja eine Familie. Mir gehen solche Fälle nahe.
Aber es werden doch weniger Arbeitsplätze als geplant abgebaut.
Kolb: Ich erkenne an, dass deutlich weniger Stellen als geplant abgebaut werden. Uns helfen das doch deutlich erkennbare positive Ergebnis aus dem ersten Quartal dieses Jahres und unsere Verhandlungen mit dem Arbeitgeber, der seine Planungen dadurch überarbeitet und den Stellenabbau deutlich reduziert hat.
Wie viele Jobs fallen nun exakt weg?
Kolb: Das steht noch nicht fest. Es ist von einem Abbau im oberen, mittleren zweistelligen Bereich die Rede.
Also weniger als 100, aber mehr als 50.
Kolb: Das könnte zutreffen.
Lässt sich der Jobabbau noch sozialverträglich, also über Altersteilzeit oder das freiwillige Ausscheiden mit Abfindungen steuern?
Kolb: Leider nein. Das Management beharrt auch auf der Möglichkeit, Beschäftigten betriebsbedingt zu kündigen, was ich enttäuschend finde. Denn ich bin fest davon überzeugt, dass es mit kreativen Lösungen in Bezug auf Beschäftigungssicherungsmaßnahmen gelingen könnte, auf betriebsbedingte Kündigungen gänzlich zu verzichten.
Wie müsste das Management hier kreativ vorgehen?
Kolb: Das Management müsste Vorschläge aus den Reihen der Arbeitnehmer aufnehmen. Wir Betriebsräte wissen von vielen Beschäftigten, dass sie bereit wären, vorübergehend weniger zu arbeiten, dafür auf Lohn zu verzichten, um bedrohte Arbeitsplätze zu erhalten. Diese Solidarität und Kreativität vieler Mitarbeiter zeigt, dass der Kuka-Spirit ungebrochen ist.
Wie reagiert das Management auf so viel Kreativität der Mitarbeiter?
Kolb: Das Management geht bisher nicht auf unsere Vorschläge ein, gänzlich auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten, obwohl der neue Tarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie ja exakt solche Möglichkeiten der Arbeitszeitverringerung zum Erhalt von Arbeitsplätzen vorsieht.
Warum bleiben die Manager hart?
Kolb: Das Management begründet die Ablehnung auch damit, dass die Arbeit für die betroffenen Mitarbeiter durch Veränderungen im Markt oder die Verlagerung von Tätigkeiten nach China weggefallen sei. Das ist umso trauriger, als dass wir nur noch im ganz geringen Maße zusätzlich Altersteilzeit einsetzen können, um zumindest einigen Beschäftigten einen würdigen sozialverträglichen Weg in den vorzeitigen Ruhestand zu ermöglichen. Die zulässigen Quoten für weitere Altersteilzeit-Regelungen sind bei Kuka leider weit überschritten.
Doch die Nachfrage nach Altersteilzeit-Verträgen ist ungebrochen hoch bei Kuka, hört man von Mitarbeitern.
Kolb: Das stimmt. Die Nachfrage übersteigt bei weitem das Angebot. Viele Kolleginnen und Kollegen fragen immer wieder beim Betriebsrat nach, ob sie nicht doch einen Altersteilzeitvertrag erhalten können. Ich muss sie dann leider immer wieder enttäuschen. Das belastet mich.
Was läuft hier schief?
Kolb: Bei Kuka hat man es seit 2018 versäumt, eine vernünftige, eben vorausschauende und intelligente Personalpolitik zu betreiben. Dieses Manko bestand schon unter dem früheren Vorstandschef Till Reuter, der ja Hunderte neue Stellen geschaffen hat. Nun müssen die Mitarbeiter all diese Versäumnisse ausbaden. Gerade diejenigen, die jetzt vom arbeitgeberseitig geplanten Stellenabbau betroffen sind, müssen die Suppe nun auslöffeln, obwohl sie nichts dafür können. Der Abbau ist in meinen Augen nicht so alternativlos, wie ihn das Management der Kuka Deutschland GmbH darstellt. Bei Kuka ist dadurch die unternehmerische Verantwortung in weite Ferne gerückt. Es ist schade, dass wir bei dem Unternehmen kein offenes Ohr mehr dafür finden.
Wie würde eine solche vorausschauende Personalpolitik aussehen?
Kolb: Bei so einer vorausschauenden und vor allem intelligenten Personalpolitik hätte das Management der Deutschland GmbH zusammen mit unserer Personalleitung frühzeitig entgegensteuern müssen, etwa dadurch, dass Mitarbeiter weiter intern qualifiziert werden, um dank Schulungsmaßnahmen und einer Job-Rotation neue Tätigkeiten übernehmen zu können. Doch solch neue Tätigkeiten wurden trotz unserer Bedenken gegenüber der ständigen Einstellungspolitik durch externe Mitarbeiter besetzt. Wegen dieser Versäumnisse müssten nun in 2021 weitere Mitarbeiter gehen.
Wie kann man den Mitarbeitern helfen?
Kolb: Immerhin konnten wir die Einrichtung einer Transfergesellschaft mit dem Arbeitgeber verhandeln. Die betroffenen Mitarbeiter haben also zwölf Monate Zeit, sich über die Transfergesellschaft weiter zu qualifizieren, um anderweitig einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Sie erhalten in dieser Zeit durch entsprechende Aufzahlungen 85 Prozent ihres letzten Nettolohns.
Doch Kuka bildet nach wie vor aus, was ja doch für eine vorausschauende Personalpolitik auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten spricht.
Kolb: Sicher, Kuka bildet nach wie vor aus, aber in deutlich geringerem Umfang als zuletzt. Die Zahl der Lehrstellen ist von einstmals rund 50 schon im vergangenen Jahr auf knapp 42 zurückgegangen. Jetzt sinkt sie noch einmal auf 31. Das kann ich einfach nicht akzeptieren: 31 Lehrstellen bei noch rund 3400 Mitarbeitern sind viel zu wenig. Da liegt die Ausbildungsquote ja nicht einmal bei einem Prozent. Das ist erbärmlich niedrig, ja ein Armutszeugnis und unwürdig für ein Unternehmen, das ja eigentlich an seine Zukunft glauben müsste.
Doch ist die Schaffung von mehr Lehrstellen nicht auch an der harten Haltung des Betriebsrats gescheitert, dass alle Auszubildenden nach Beendigung ihrer Lehre zumindest ein befristetes Übernahmeangebot erhalten sollen?
Kolb: Wenn wir Betriebsräte auf die Forderung einer Übernahmegarantie für junge Menschen verzichtet hätten, wäre dies einer Kapitulationserklärung gleichgekommen. Alles, für was ich so lange als Arbeitnehmervertreter gekämpft habe, hätte ich aufgegeben. Doch in Zeiten eines zunehmenden Facharbeitermangels brauchen wir dringend junge Kolleginnen und Kollegen. Und wir müssen auch als Kuka bereit sein, über den Bedarf auszubilden, auch um den Innovationsstandort Deutschland zu stärken. In drei Jahren wird es sich auch für Kuka rächen, dass wir zu wenige junge Kolleginnen und Kollegen ausgebildet haben – und das, obwohl wir ein neues, sehr teures, aber modernes Ausbildungszentrum gebaut haben.
Was muss nun passieren?
Kolb: Ich appelliere dringend an den Kuka-Vorstand und an die Geschäftsführungen, die Ausbildungspolitik noch einmal zu überdenken und mehr jungen Menschen eine Chance zu geben. Dazu gehört auch eine Übernahmegarantie. Wir müssen ja im Wettkampf um die besten Talente junge Menschen motivieren, zu uns zu kommen. Deswegen finde ich es auch so gut, dass sich unsere Jugend- und Ausbildungsvertretung in einem Brief an die Geschäftsführung gewandt hat mit der Bitte, die zu rückschrittliche Lehrstellenpolitik noch einmal zu überdenken.
Vergessen Sie bei Ihrer Kritik an der Politik der Kuka-Spitze nicht, dass Vorstandschef Peter Mohnen mit seinem Team es in schwierigen Zeiten geschafft hat, zuletzt wieder deutlich bessere Ergebnisse abzuliefern?
Kolb: Das erkenne ich natürlich an. Herr Mohnen und auch Finanzvorstand Andreas Pabst haben sich nicht nur bemüht, sondern haben unter den erschwerten wirtschaftlichen Bedingungen durch die Corona-Pandemie einen sehr guten Job gemacht.
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