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Interview: Baywa-Chef Lutz: "Öko-Sozialismus schrumpft deutsche Wirtschaft"

Interview

Baywa-Chef Lutz: "Öko-Sozialismus schrumpft deutsche Wirtschaft"

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    Baywa-Chef Klaus Josef Lutz  steht vor einem Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat.
    Baywa-Chef Klaus Josef Lutz steht vor einem Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat. Foto: Klaus Haag

    Herr Lutz, für die Arbeit der Bundesregierung haben Sie den Filmtitel „Liebling, ich habe die Wirtschaft geschrumpft“ ersonnen. Wer schrumpft hier was?

    Klaus Josef Lutz:Es war nicht schwer, auf den Filmtitel zu kommen. Schließlich hat die Bundesregierung die Losung „Wohlstand durch Verzicht“ ausgegeben. Das entnehme ich zumindest den Aussagen von Politikerinnen und Politikern der Grünen. Und wer wie diese Politiker Verzicht predigt, will unsere Wirtschaft schrumpfen. 

    Wie schrumpft Deutschland denn?

    Lutz:Indem Unternehmen Deutschland den Rücken kehren. So verlässt der Industriegase-Spezialist Linde aus Pullach bei München nach der Fusion mit dem US-Konzern Praxair den Deutschen Aktienindex. Das ist ein Alarmsignal für Deutschland. Zudem verlagern Konzerne wie BASF oder Biontech Teile der Produktion ins Ausland. Angesichts der hohen Strompreise wandern zunehmend energieintensive Unternehmen ab. Die Energiepolitik der Bundesregierung führt zu einem Schrumpfungsprozess. 

    Was werfen Sie der Bundesregierung hier konkret vor?

    Lutz: Ich werfe ihr vor, dass im April die letzten drei Atomkraftwerke abgeschaltet werden, obwohl unser Energiebedarf steigt. In der Europäischen Union wird derzeit nur noch in Polen schmutzigere Energie hergestellt als in Deutschland. Denn ausgerechnet in Deutschland wird klimaschädliche Kohlekraft eingesetzt – und das mit Billigung der Grünen. Was am schlimmsten ist: Wir führen in Deutschland keine ernsthafte Diskussion über die Energiepolitik der Zukunft. Das müssten wir aber tun, haben wir doch keine Technologie, um die Wegstrecke zu den erneuerbaren Energien zu überbrücken. Deswegen machen wir mit Kohle weiter. Dabei werden erneuerbare Energien nicht so schnell wie versprochen ausgebaut. 

    Doch wir diskutieren in Deutschland leidenschaftlich über das Energie-Thema. 

    Lutz: Dennoch wird Innovation durch Verbote unterdrückt. Es gibt in der Energiepolitik keine Anreizsysteme wie in den USA. Marktwirtschaft wird bei uns zerstört – und das nicht nur durch die Bundesregierung, sondern vor allem auch die Europäische Union. So hat die EU einfach festgelegt, dass ab 2035 keine neuen Autos mit Verbrennungsmotor mehr verkauft werden dürfen. Das Verbot erfolgt viel zu früh und ist ein Fehler. Das geschieht ohne Sinn und Verstand rein aus ideologischen Gründen und kommt einer politischen Amtsanmaßung ohne fachliche Kompetenz gleich. Dieser Öko-Sozialismus führt zu einer Schrumpfung der deutschen Wirtschaft. Dabei haben wir, wie ich finde, ökologisch schon viel geleistet, ohne dass es der Staat uns vorgeschrieben hätte. Seit der Wiedervereinigung zum Beispiel ist der CO₂-Ausstoß in Deutschland um 40 Prozent gesunken. Das ist eine Leistung! 

    Das ist doch widersinnig: Eine Bundesregierung unter der Beteiligung der Grünen hat eine vergleichbar schlechte Klima-Bilanz. 

    Lutz: Dabei könnten wir durch Innovationen unsere Klimabilanz verbessern. Doch dieser Bundesregierung geht jeder marktwirtschaftliche und unternehmerische Geist ab. Sie beschäftigt sich lieber mit dem Gender- und Woke-Wahnsinn sowie der Verbotskultur, statt überlebensnotwendige Fragen für unser Land aufzugreifen. 

    Sie haben den Eindruck, „dass wir in Deutschland nichts mehr hinkriegen“.  

    Lutz: Die unzureichende Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung wie auch der zum Teil mangelhafte Zustand von Autobahnen und Brücken beweist doch, dass wir in Deutschland vieles nicht mehr hinkriegen. Das ist das Resultat des Versagens mehrerer Regierungen. Wir haben uns in Deutschland ausgeruht und sind phlegmatischer geworden. Dabei haben wir noch lange von den arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Reformen von Kanzler Gerhard Schröder profitiert. Unter seiner Nachfolgerin Angela Merkel wurde dann vieles nicht erledigt, was uns jetzt ins Hintertreffen geraten ließ. 

    Wie konnte Deutschland so abrutschen? 

    Lutz: Dafür gibt es klare Gründe: Erstens spielt Leistungswille nicht mehr die Rolle wie früher. Und zweitens ist in Vergessenheit geraten, dass man das, was ausgegeben wird, vorher auch verdienen muss. Politiker erzählen uns die Mär, dass ein Staat nicht Konkurs gehen könne und sich jahrzehntelang Ausgaben problemlos mit Schulden finanzieren ließen. Die

    Manches geht dann doch geplant schnell in Deutschland, wie der Bau der Tesla-Fabrik oder die Bereitstellung von LNG-Terminals für Flüssiggas.  

    Lutz: Das stimmt. Aber wegen der umfangreichen Einspruch- und Klagemöglichkeiten dauert es nach wie vor viel zu lange, bis Solar- und Windkraftanlagen errichtet werden können. Wir von der Baywa können das beurteilen, bauen und betreiben wir doch solche Anlagen. Deshalb glaube ich nicht, dass die Bundesregierung ihre Umwelt- und Klimaziele erreicht, wenn wir so weiterwursteln. 

    Apropos Klima: Wie beurteilen Sie das Verhalten von Menschen, die sich etwa auf Straßen festkleben, um mehr Klimaschutz zu erzwingen?  

    Lutz: Diese Klimakleber handeln illegal, indem sie sich mit ihren Händen auf Straßen festkleben oder Kunstwerke attackieren. So begann auch die Radikalisierung in den 70er Jahren in Deutschland. 

    Übrigens: „Klima-Terroristen“ ist das Unwort des Jahres 2022. 

    Lutz (lacht): Deshalb benutze ich das Wort permanent in meinen Reden. 

    Die Baywa besteht seit 100 Jahren. Wie wirken sich all die Krisen auf das Unternehmen aus? 

    Lutz: Der Baywa geht es wirtschaftlich ausgezeichnet, weil wir international in über 50 Ländern breit aufgestellt sind. Im vergangenen Jahr haben wir Rekorde beim Umsatz und beim Ergebnis erzielt. Ich trete Ende März nach rund 15 Jahren als Vorstandsvorsitzender ab und soll auf Bitten der beiden Großaktionäre auf den Aufsichtsratsvorsitz wechseln. 

    Was Aktionärsschützer kritisieren werden. 

    Lutz: Das höre ich mir dann an. Ich habe mich ja nicht selbst für diesen Baywa-Posten beworben. 

    Wie stark leiden die Landwirte, also die Baywa-Kunden, unter dem Energie- und allgemeinen Preisschub? 

    Lutz: Landwirte sind durch die Politik aus Brüssel und Berlin zutiefst verunsichert. Sie wissen nicht, welche Pflanzenschutzmittel künftig noch erlaubt sind. Der Bio-Umsatz geht in der Krise nach unten. Und die Tierwohl-Diskussion verunsichert Landwirte zusätzlich. Diese Diskussion wird dazu führen, dass sich die deutsche Fleischproduktion mittelfristig nach Osteuropa und Spanien verabschieden wird. Meines Erachtens wird die Teuerungswelle andauern. Ich rechne in den nächsten zwei, drei Jahren mit einer Inflation in Deutschland von sieben bis zehn Prozent, weil wir unser Energie-Problem nicht so schnell in den Griff bekommen. 

    Klaus Josef Lutz, 64, ist seit 2008 Vorstandsvorsitzender des Münchner Agrar-, Energie- und Baustoffkonzerns Baywa. Der in München geborene Jurist war vor seiner Zeit bei der Baywa CEO der Süddeutscher Verlag GmbH. Lutz ist zudem ehrenamtlich Präsident der IHK für

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