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Interview: Audi-Vorstand Walker: "Nachhaltige Autos sind keine Utopie mehr"

Interview

Audi-Vorstand Walker: "Nachhaltige Autos sind keine Utopie mehr"

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    Gerd Walker ist Vorstand Produktion und Logistik des Ingolstädter Autobauers Audi.
    Gerd Walker ist Vorstand Produktion und Logistik des Ingolstädter Autobauers Audi. Foto: Stefan Warter

    Herr Walker, Sie stammen aus Reutlingen. Da sind Stuttgart und Mercedes nicht weit.

    Gerd Walker: Dennoch bin ich schon als Maschinenbau-Werkstudent zu Audi gegangen und habe dort meine Diplomarbeit geschrieben.

    Warum haben Sie als Schwabe den so nahen Stern links liegen lassen und sich für die Marke mit den vier Ringen entschieden? Sie sind 1998 als Planer in der Produktion in Ingolstadt eingestiegen und seitdem Audi und VW treu geblieben.

    Walker: Was die Begeisterung für Audi betrifft, bin ich familiär vorbelastet. Mein Vater war immer schon ein großer Audi-Fan. In meiner Familie fährt man von jeher Audi.

    Sind Sie gleich mit einem Audi nach dem Führerschein durchgestartet?

    Walker (lacht): Ich habe mir erst einen Audi gekauft, als ich es mir leisten konnte. Mein erstes Auto war ein VW-Golf. Das Auto habe ich durch Ferienarbeit bei einem Zulieferer in Reutlingen finanziert. Dort habe ich in der Nachtschicht Scheinwerfer bearbeitet. 

    Die Auto-Industrie hat Jahre harter Arbeit mit vielen Krisen hinter sich. So wurden etwa Chips knapp. Hat sich die Lage entspannt?

    Walker: Die Versorgungslage mit Chips hat sich entspannt und ist stabiler geworden. Wir haben bei Audi unsere Lieferketten stabilisiert. Audi ist robust unterwegs. 

    Doch welche Auswirkungen haben die kriegerischen Aktionen im Roten Meer auf Audi? Tesla muss die Produktion im deutschen Werk wohl länger stoppen, weil der Schiffsverkehr beeinträchtigt ist.

    Walker: Wir haben derzeit keine Produktionsprogrammverluste. Wir stehen in enger Abstimmung mit den Reedereien und beobachten die Situation genau, um Auswirkungen auf die Produktion und Marktversorgung abzuschätzen und – soweit möglich – zu vermeiden. Fast alle großen Reedereien haben bereits im Dezember damit begonnen, ihre Schiffe umzuleiten. So kann sichergestellt werden, dass die Fracht – wenn auch zeitverzögert – ihr Ziel erreicht.

    Audi erfindet sich elektrisch neu und möchte bereits 2026 aus der Entwicklung neuer Verbrenner-Autos aussteigen. Ab 2033 sollen nur noch E-Fahrzeuge verkauft werden. Wie stark belastet diese Revolution das Unternehmen?

    Walker: Diese Transformation vom Verbrenner- zum Elektromotor fordert eine Organisation wie Audi natürlich heraus, schließlich sind für diesen Wandel enorme Investitionen notwendig und Beschäftigte müssen neue Kompetenzen erwerben. Doch das Schöne an diesem Geschäft ist: Die Transformation ist mit vielen Anläufen neuer Modelle verbunden. Das ist das Lebenselixier für Audi. Und im Zuge des Wandels werden unsere Werke bis 2025 bilanziell CO₂-neutral.

    Bekommen Sie ausreichend Öko-Energie?

    Walker: Nehmen wir unser Werk im ungarischen Győr mit knapp 12.000 Beschäftigten. Dort habe ich vier Jahre gearbeitet. Der Standort ist das größte Motorenwerk der Welt. Schon seit 2020 fertigt Audi Hungaria bilanziell CO₂-neutral. Nach Brüssel ist Győr das zweite Werk, mit dem wir dieses Ziel erreicht haben, das Werk in Ingolstadt folgt seit Anfang dieses Jahres. Wir haben in Győr, dem größten Motorenwerk der Welt, so viel erreicht, weil wir in Ungarn der größte Nutzer industrieller Geothermie sind, also auf Erdwärme setzen. Seit 2015 deckt Audi in Ungarn rund 70 Prozent seiner benötigten Wärmeenergie mit geothermischer Energie ab. Hinzu kommt, dass wir an unserem Standort in Ungarn die größte europäische Dach-Fotovoltaik-Anlage haben. Und die dort produzierten Motoren werden dann auch noch per Bahn CO₂-neutral nach Deutschland geliefert. 

    Klimaschädliche CO₂-Emissionen zu reduzieren, reicht nicht für eine positive Öko-Bilanz eines Auto-Werks aus. An diesen Standorten fallen auch Unmengen an Abwasser an.

    Walker: Nehmen wir hier unser Werk in Mexiko, das 2400 Meter über dem Meeresspiegel liegt und damit unser höchstgelegener Standort ist. Dort arbeiten gut 5100 Frauen und Männer. Der Standort in Mexiko ist unser erstes Werk, das komplett abwasserfrei funktioniert. 

    Wie funktioniert das?

    Walker: Indem wir im Werk eine Wasseraufbereitungsanlage haben. Das Abwasser wird dort in mehreren Schritten aufbereitet, und anschließend in einer Umkehrosmoseanlage behandelt, bevor es wieder in die Produktion zurückgeführt wird. Dadurch arbeiten wir in Mexiko komplett abwasserfrei. Das Konzentrat aus der Umkehrosmose wird in einem Verdunstungsbecken, das man sich wie eine Lagune vorstellen kann, verdunstet. In anderen Werken, an denen wir nicht über derart große Flächen wie in Mexiko verfügen, setzen wir auf Wasserkreisläufe. 

    Wie läuft das in Ingolstadt?

    Walker: In Ingolstadt wird rund die Hälfte des Abwassers in einen Kreislauf zurückgeführt und zur Wiederverwendung aufbereitet. Das geschieht etwa durch einen Membran-Bioreaktor. Audi spart dadurch jährlich bis zu 300.000 Kubikmeter Frischwasser ein. Und in Ingolstadt nutzen wir zu 100 Prozent Ökostrom. Unser neues Werk in Changchun in China, das ab Ende 2024 ausschließlich E-Autos fertigt, verwendet ebenfalls zu 100 Prozent Grünstrom, auch dank einer Solaranlage. So wird klar: Nachhaltigkeit ist für den Erfolg unserer Branche essenziell. Wenn man Kinder hat, ist einem klar, wie wichtig der jungen Generation solche Werte sind. Meine Kinder sind 19 und 21 Jahre alt. Sie diskutieren mit mir über Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Diese Themen sind ihnen enorm wichtig. 

    Gibt es absehbar eine echte Öko-Autofabrik, bei der sich auch Klima-Aktivisten guten Gewissens ein Fahrzeug gönnen können?

    Walker: Das CO₂-Profil von Elektrofahrzeugen verschiebt sich gegenüber Verbrennern stark von der Nutzung in den Bereich der Produktion. Wir sind hier bei Audi auf einem guten Weg, unter anderem mit unserem intelligenten Energiemanagement. So will Audi insgesamt bis spätestens 2050 unternehmensweit bilanziell CO₂-neutral sein. Dafür haben wir einen klaren Plan: das Energiemanagement weiter verbessern, wo möglich, auf erneuerbare Energie umstellen, Eigenenergie erzeugen und das, was aus technischen Gründen nicht ausgeglichen werden kann, mit Zertifikaten auszugleichen. Auf alle Fälle sind nachhaltig gefertigte Autos keine Utopie mehr.

    Woran machen Sie das fest?

    Walker: Etwa daran, dass Audi immer mehr recycelte Materialien verwendet. So wird der Aluminium-Abfall aus unseren Presswerken wiederverwendet. Das werden wir bei vielen anderen Stoffen ähnlich handhaben. Unser Elektroauto Q4 e-tron ist das erste Serien-Fahrzeug, in dem wir in der gesamten Baureihe Glas mit Recyclinganteil in den Frontscheiben verbauen. Unser Ziel ist es, immer mehr Materialien, die in einem Auto stecken, im Kreislauf zu halten, also immer wiederzuverwerten. Ein enormes Potenzial steckt hier zum Beispiel im Recycling von Batterien. 

    Können auch Veganer sich schon einen Audi gönnen? Gibt es den lederfrei produzierten Audi?

    Walker: Junge Käuferinnen und Käufer fragen solche Autos nach. Darauf reagieren wir.

    Gibt es also schon den rein-veganen Audi?

    Walker: Es gibt Ausstattungen, die ohne Leder und tierische Materialien auskommen. Audi hat ein wachsendes Angebot davon im Portfolio. 

    Welche Bedürfnisse haben Autokäufer in zehn Jahren? Setzen sich E-Autos dann endgültig durch?

    Walker: Wir glauben an die E-Mobilität und sind mit hohem Tempo unterwegs. So werden etwa in Ingolstadt schon 2025 zwei von vier gebauten Modellreihen vollelektrisch sein. Die Leistungsdaten unserer Elektrofahrzeuge haben noch mal einen großen Sprung gemacht. Jetzt müssen wir als Gesellschaft stärker auf E-Mobilität setzen, also an Tempo zulegen. Die Ladeinfrastruktur muss schneller ausgebaut werden. Wir benötigen mehr Ladepunkte, damit sich Menschen ein E-Auto kaufen. 

    Zur Person: Gerd Walker, 53, ist seit Februar 2022 Mitglied des Vorstands der Audi AG. Er verantwortet das Ressort "Produktion und Logistik". 

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