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Interview: Airbus-Finanzchef: Darum müssen wir bei Premium Aerotec Jobs abbauen

Interview

Airbus-Finanzchef: Darum müssen wir bei Premium Aerotec Jobs abbauen

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    Dominik Asam ist hinter dem französischen Konzernchef Guillaume Faury die Nummer zwei im europäischen Airbus-Konzern.
    Dominik Asam ist hinter dem französischen Konzernchef Guillaume Faury die Nummer zwei im europäischen Airbus-Konzern. Foto: Airbus

    Herr Asam, Sie waren vor Ihrer Zeit bei Airbus Finanzvorstand des erfolgreichen Halbleiter-Konzerns Infineon. Dort hätte man Sie in München gerne behalten. Warum sind Sie zu Airbus nach Toulouse gegangen?

    Dominik Asam: Airbus ist ein faszinierendes Unternehmen, das wie kein anderes von der europäischen Idee geprägt ist. Bei Airbus arbeiten wir über Ländergrenzen zusammen, ob Deutsche, Franzosen, Briten oder Spanier. Wir arbeiten in einem Team, um auf dem Weltmarkt mit Wunderwerken der Technik zu bestehen. Mich hat es schlichtweg gereizt, in einer leider immer mehr von Polarisierung geprägten Welt Teil solch eines faszinierenden Kollektivs zu sein.

    Und Sie mögen Frankreich.

    Asam: Ja. Ich habe drei Jahre in Frankreich studiert und spreche französisch. Ich habe auch meine Frau in Frankreich kennengelernt und mit ihr anfangs französisch gesprochen. Sie stammt aus Brasilien.

    Sind Sie mit Ihrer Familie von München nach Toulouse gezogen?

    Asam: Ich habe mich für das Pendeln entschieden. Meine Frau und meine beiden Kinder sind sehr verwurzelt in München. Es wäre nicht fair von mir, meine Familie aus diesem gewohnten Umfeld herauszureißen und nach Toulouse zu verpflanzen, zumal ich sehr eingespannt und weltweit sehr viel unterwegs bin. Da ist die Familie besser in München aufgehoben, und die guten Flugverbindungen zwischen München und Toulouse haben uns diese private Grundsatzentscheidung erlaubt.

    In Augsburg sitzt der zu Airbus gehörende Luftfahrtzulieferer Premium Aerotec, dessen Aufsichtsratsvorsitzender Sie sind. Das Unternehmen mit rund 9.000 Mitarbeitern will mindestens 1461 Stellen streichen, davon die meisten in Augsburg. Dabei ist die Auftragslage für Airbus ausgezeichnet. Wie passt das zusammen?

    Asam: Premium Aerotec ist ein sehr wichtiger Airbus-Lieferant für Strukturbauteile. Wir möchten, dass das auch so bleibt. Denn neben komplexen Rumpfbauteilen stellt das Unternehmen auch einfachere Bauteile her. Letztere werden weltweit auch von anderen Anbietern zu günstigeren Preisen produziert, und gerade daraus entsteht der globale Wettbewerbsdruck. Insofern ist das Gebot der Stunde, Premium Aerotec wettbewerbsfähig aufzustellen. Bestimmte Baugruppen müssen daher in kostengünstigere Länder wie die Türkei oder China verlagert werden. Dadurch entsteht ein Anpassungsbedarf bei den Arbeitsplätzen.

    Was erwartet die Beschäftigten?

    Asam: Wir werden alles daransetzen, den Stellenabbau sozial verträglich zu gestalten, also etwa über Altersteilzeit oder das freiwillige, frühzeitige Ausscheiden von Mitarbeitern. Zudem versuchen wir, für Mitarbeiter innerhalb des Konzerns neue Stellen zu finden. Das setzt allerdings voraus, dass die Mitarbeiter mobil sind. Natürlich wird es auch Abfindungen für Mitarbeiter geben. Dazu benötigen wir einen Sozialplan und werden entsprechende Gespräche mit den Betriebsräten führen.

    In Augsburg produziert Premium Aerotec unter anderem Seitschalen.
    In Augsburg produziert Premium Aerotec unter anderem Seitschalen. Foto: Premium Aerotec

    Noch einmal: Müsste Airbus angesichts des Rekord-Auftragsbuchs und des Facharbeitermangels nicht über jeden Mitarbeiter froh sein?

    Asam: Wir können hochwertige Arbeitsplätze in Deutschland, also auch in Augsburg, nur erhalten, wenn wir wettbewerbsfähig bleiben und Kosten senken. Dazu bedarf es struktureller Anpassungen. Ich weiß, das sind keine leichten Entscheidungen. Bei Infineon, meinem früheren Arbeitgeber, standen wir vor einer Weile vor derselben Situation, und die Erfahrungen, die ich dort gewonnen habe, bestätigen mich darin, dass wir hier auch das Richtige für Premium Aerotec tun.

    Die Beschäftigten in Augsburg sind jedenfalls erheblich beunruhigt. Wie viele Stellen fallen wirklich weg?

    Asam: Wir sind hierzu in vertrauensvollen und konstruktiven Gesprächen zwischen der Geschäftsführung und den Arbeitnehmervertretern. Insofern bitte ich Sie um Ihr Verständnis, dass ich dies auch dabei belassen und nicht in der Öffentlichkeit diskutieren möchte. Ich möchte aber nochmals festhalten: Wir sehen einerseits klaren Handlungsbedarf, andererseits aber auch die Notwendigkeit, daraus resultierende Maßnahmen so sozial verträglich wie nur irgend möglich zu gestalten. Airbus hat in der Vergangenheit bewiesen, dass es seine Verantwortung gegenüber Mitarbeitern sehr ernst nimmt. Das wird dieses Mal nicht anders sein. In unserer Bilanz für das Geschäftsjahr 2019 haben wir jedenfalls für die Restrukturierung von Premium Aerotec Rückstellungen von 103 Millionen Euro gebildet.

    Haben Sie keine Angst, heißbegehrte Facharbeiter bei Premium zu verlieren? Wenn sie weg sind, sind sie weg.

    Asam: Natürlich treibt uns dieses Thema um. Airbus genießt allerdings hohes Ansehen bei Fachkräften, insofern bin ich da optimistisch. Unser Ziel ist es, Premium Aerotec insgesamt zu stärken und uns dabei auf die Produktion höherwertigerer Teile in Deutschland zu konzentrieren. So wird etwa der neue, in die Rumpfstruktur integrierte Zusatztank für die A321XLR von Premium Aerotec zugeliefert. Dabei handelt es sich um ein sehr komplexes Bauteil, das äußerste Präzision bei der Herstellung erfordert.

    Betriebsräte und Gewerkschafter argumentieren, dass Augsburg zunächst weitere höherwertige Arbeitspakete von Airbus erhalten müsse, ehe über Kostenreduzierung gesprochen wird. Das wäre doch clever: Dann muss Airbus weniger Stellen streichen und spart auch noch Geld für den Sozialplan.

    Asam: Eins nach dem anderen. Zunächst einmal muss Premium Aerotec wettbewerbsfähiger werden. Der Druck zu handeln ist sehr hoch. Wenn das erreicht ist, können wir gemeinsam mit dem Management von Premium Aerotec überlegen, welche neuen höherwertigen Bauteile etwa in Augsburg hergestellt werden können.

    Ist der Augsburger Premium-Aerotec-Standort mit einst 4000 und noch 3400 Beschäftigten langfristig bedroht?

    Asam: Nein, aber ich kann mich nur wiederholen: Premium Aerotec muss seine Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Das gilt auch für den Standort Augsburg. Wenn das erreicht ist, kann Premium Aerotec insgesamt wieder mehr und höherwertigere Aufträge bekommen. Dadurch könnten dann langfristig wiederum zusätzliche Stellen entstehen.

    Der A400M ist der Militärtransporter im Repertoire von Airbus.
    Der A400M ist der Militärtransporter im Repertoire von Airbus. Foto: Matthias Balk/dpa

    Airbus hat zudem angekündigt, 2362 der gut 35.000 Stellen in der Rüstungs- und Raumfahrtsparte des Konzerns zu streichen. Mit dem Wegfall von 829 Arbeitsplätzen soll Deutschland am stärksten betroffen sein. Warum werden so viele Jobs gestrichen?

    Asam: Die Division sieht sich mit einem Mangel an Auftragseingängen konfrontiert. Das sogenannte „Book-to-Bill“-Verhältnis lag die letzten drei Jahre bei unter 1.

    Was bedeutet das?

    Asam: Das heißt, wir haben mehr Aufträge abgearbeitet als wir neue bekommen haben. Insbesondere das Raumfahrtgeschäft im Bereich der Telekom-Satelliten läuft derzeit schleppend, aber auch immer wieder verschobene Aufträge im Verteidigungsgeschäft haben uns zugesetzt. Auch hier gilt: Wir müssen unsere Wettbewerbsfähigkeit verbessern und unsere Kostenbasis senken.

    Wie stark werden die Standorte in Manching, Friedrichshafen und Ulm von dem Stellenabbau betroffen sein?

    Asam: Ich kann nur wiederholen: Wir haben die Konsultationsgespräche mit den Arbeitnehmervertretern aufgenommen. Dieser vertrauensvolle Dialog ist uns wichtig und wir arbeiten an möglichst sozial verträglichen Maßnahmen.

    Sind noch mehr Stellen im Verteidigungsbereich bedroht, wenn sich Deutschland statt für den Eurofighter für die amerikanische F-18 als Tornado-Ersatz entscheidet?

    Asam: Wir sind davon überzeugt, dass der Eurofighter die ideale Nachfolge für den Tornado darstellt. Insofern hoffen wir natürlich, dass wir die Bundesregierung davon überzeugen können, wenn die Entscheidung ansteht. Darüber hinaus hat das Thema natürlich eine erhebliche industriepolitische Komponente, die man nicht aus den Augen verlieren darf. Es geht um tausende Arbeitsplätze und den Erhalt von Kernfähigkeiten in einer Hightech-Industrie.

    Airbus büßt für die Korruptionsaffäre mit Strafzahlungen von rund 3,6 Milliarden Euro, was viel mehr ist, als einst Siemens als Folge des Bestechungsskandals zahlen musste.

    Asam: Wir haben hart um die Höhe der Strafzahlungen verhandelt. Das ist für uns schmerzlich. Wir sind aber fest davon überzeugt, dass die juristische Einigung mit den Behörden in Großbritannien, Frankreich und den USA die beste Lösung ist. Wir haben nun einen Schlussstrich gezogen und können befreit neu anfangen, auch weil Airbus im Bereich Compliance einen tiefgreifenden Kulturwandel vollzogen hat. Unsere Mitarbeiter werden besser geschult und die Transparenz ist größer geworden. Uns allen ist klar: So etwas darf nie wieder vorkommen.

    Der frühere Bundesfinanzminister Theo Waigel hat Airbus bei der Aufarbeitung des Korruptionsskandals juristisch beraten. Wie wichtig war Waigel für Airbus?

    Asam: Herr Waigel hat ja schon Siemens bei der Aufarbeitung der Korruptionsaffäre beraten. Seine großen Erfahrungen auf dem Themengebiet waren wertvoll für Airbus. Er war einer der „drei Weisen“, die uns beraten haben. Das haben die Behörden, mit denen wir einen Vergleich geschlossen haben, sehr positiv zur Kenntnis genommen. Für mich persönlich war es spannend, mit solch einer faszinierenden Persönlichkeit zusammenarbeiten zu dürfen. Wir sind Herrn Waigel, Madame Lenoir und Lord Gold sehr dankbar.

    Mit dem A321XLR will Airbus das Kurz- und Mittelstreckenflugzeug fit für lange Strecken machen.
    Mit dem A321XLR will Airbus das Kurz- und Mittelstreckenflugzeug fit für lange Strecken machen. Foto: Silvio Wyszengrad

    Airbus steht unter Druck, umweltfreundlichere Flugzeuge zu produzieren. Wie weit sind Sie beim grüneren Fliegen?

    Asam: Schon heute sparen unsere Flugzeuge erheblich Treibstoff und damit auch CO2-Emissonen ein. Moderne Flugzeuge verbrauchen auf 100 Kilometer zum Teil nur noch 2,5 Liter pro Passagier. Das schafft man mit einem Auto nur schwer. Das reicht uns aber nicht. Wir müssen auf neue Technologien setzen. Noch ist unklar, wohin genau hier die Reise geht. Wir müssen technologieoffen sein, was sich auch an unserem hohen Budget für Forschung und Entwicklung ablesen lässt. Wenn uns Investoren fragen, warum unser Forschungsbudget so hoch ist und warum wir es nicht kürzen, verweisen wir genau auf diese Aufwendungen für emissionsärmeres Fliegen. Unser Ziel ist es, hier an der Speerspitze der Innovation zu bleiben. Letztendlich wird sich am Thema Umweltverträglichkeit unsere zukünftige gesellschaftliche Akzeptanz entscheiden.

    Wann werden Sie das erste Mal mit einem Flugtaxi von München zu Premium nach Augsburg fliegen?

    Asam: Ich vermute, das wird noch eine Weile dauern, auch weil die Technik, was den Energieaufwand betrifft, noch nicht so effizient ist. Aber: Wir sind an dem Thema dran und kriegen das in den Griff.

    Beeinträchtigt die Ausbreitung des Coronavirus die Arbeit von Airbus?

    Asam: Unsere Werke in China haben den Betrieb wieder aufgenommen. Die Sicherheit und Gesundheit unserer Mitarbeiter hat oberste Priorität. Wir beobachten die Situation genau und sind im ständigen Austausch mit der Weltgesundheitsorganisation, den chinesischen Behörden sowie mit unseren Zulieferern und Kunden. Gerade die Airlines sind derzeit massiv betroffen. Das bereitet uns zunehmend Sorgen. Allerdings hat sich unsere Branche nach ähnlichen Ereignissen relativ schnell wieder erholt. Das gibt uns Hoffnung.

    Zur Person: Dominik Asam, 50, ist seit April 2019 Airbus-Finanzchef. Der Manager schloss sein Studium an der Technischen Universität seiner Heimatstadt München als Diplomingenieur im Maschinenbau ab. An der französischen Hochschule INSEAD erwarb er einen Master of Business Administration. Außerdem verfügt Asam über einen Abschluss in Maschinenbau der École Centrale Paris. Seine Laufbahn begann 1996 bei der US-Investmentbank Goldman Sachs. Vor seiner Airbus-Zeit war er in führenden Funktionen beim Münchner Chiphersteller Infineon tätig, zuletzt als Finanzchef des Unternehmens.

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