Für die Beschäftigten des IT-Spezialisten Fujitsu gab es am Donnerstagabend teils überraschende Nachrichten: Das Unternehmen tritt aus der Tarifbindung aus, der Metall-Tarifvertrag kommt damit bald nicht mehr zur Anwendung. Das Unternehmen betont, es will moderne Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten schaffen. Gewerkschaft und Angestellte sind dagegen skeptisch.
Fujitsu: In Augsburg noch 350 Beschäftigte, 4500 in Deutschland
Die Beschäftigten des IT-Spezialisten Fujitsu haben am Standort Augsburg in den letzten Monaten große Umbrüche erfahren. Im Herbst 2018 entschied Fujitsu, die Computerfertigung dort aufzugeben. Inzwischen ist das Werk geschlossen. Geblieben sind am Standort von ehemals 1800 Beschäftigten rund 350 Mitarbeiter am neuen Standort im Toni-Park im Süden der Stadt, die im Service und in der Kundenbetreuung tätig sind. In Deutschland ist Fujitsu aber erheblich größer – hier arbeiten rund 4500 Mitarbeiter für Fujitsu, davon rund 1000 in der Zentrale in München.
Fujitsu will sich als Anbieter von Lösungen für die Digitalisierung mit starkem Service-Geschäft positionieren. Dafür müssen man Rahmenbedingungen für die Beschäftigung von Mitarbeitern schaffen, „mit denen das Unternehmen der Dynamik und den Anforderungen im IT-Markt gerecht wird“, teilte Fujitsu mit. „Mit dem konsequenten Ausbau des Service-Geschäfts und der Beendigung der Produktion in Augsburg stellt der Tarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie für Fujitsu keine ideale Grundlage mehr dar.“
Daher habe die Fujitsu Technology Solutions GmbH – ein Teil des Konzerns – beschlossen, die in Deutschland bestehenden Mitgliedschaften in den Arbeitgeberverbänden in eine solche ohne Tarifbindung zu wandeln. Betroffen sind rund 1900 der 4500 Mitarbeiter in Deutschland.
Fujitsu-Sprecher: Keine Verschlechterung der bisherigen Bedingungen
Eine unmittelbare Verschlechterung ergibt sich die für die Beschäftigten nicht, verspricht Fujitsu: „Die aktuellen Arbeitsverträge mit dem heutigen Gehaltsniveau sowie die vereinbarten Arbeitszeitregelungen werden durch den Wechsel nicht berührt“, betonte ein Fujitsu-Sprecher. „Dies gilt auch für Zusatzleistungen wie Weihnachtsgeld oder vermögenswirksame Leistungen.“
Wird die Tarifbindung aufgelöst, heißt dies aber, dass die Mitarbeiter künftig Gehalt und Zusatzleistungen selbst mit dem Arbeitgeber aushandeln müssen. Aus dem Unternehmen heißt es, dass dies manche Beschäftigten sogar als Vorteil sehen. Fujitsu hat, wie das Unternehmen berichtet, zuletzt 400 neue Mitarbeiter eingestellt und will weitere 300 gewinnen. Dabei handelt es sich häufig um IT-Spezialisten, die auf dem Markt heiß begehrt und damit gut bezahlt sind. Ihre Lohn dürfte über dem IG Metall-Niveau liegen, heißt es aus Unternehmenskreisen. Zudem hätten diese Berufsgruppen auch ein größeres Interesse an flexiblen Arbeitszeiten.
IG Metall bezeichnet Austritt aus Tarif als falsches Zeichen
Viele Mitarbeiter und die Gewerkschaft IG Metall dagegen sind alarmiert. „Das ist ein Skandal! Als IT-Unternehmen ist Fujitsu ein Krisengewinner, der dies seinen Mitarbeitern so dankt, dass ist eine Frechheit“, heißt es in einer ersten Reaktion aus dem Mitarbeiterumfeld.
Befürchtet wird, dass insbesondere bei Neuanstellungen nachteilige Regelungen zur Wochenarbeitszeit, Gleitzeit, Urlaub oder dem 13. Monatsgehalt eingeführt werden könnten. Auch von Tariferhöhungen würde man nicht mehr profitieren, sondern müsste Gehaltssteigerungen mit dem Vorgesetzten aushandeln.
Ähnlich sieht man es bei der IG Metall: „Wenn Fujitsu aus der Tarifbindung austritt, wäre das sehr schade“, sagte Angela Steinecker von der IG Metall Augsburg unserer Redaktion. „Nach der Werkschließung auch noch aus der Tarifbindung herauszugehen, das ist ein falsches Zeichen an die Belegschaft“, erklärt Steinecker.
Die IG Metall Bayern bestätigt, dass Fujitsu in allen Bezirken bundesweit aus den tarifgebundenen Arbeitgeberverbänden austritt. Die Zeitpunkte dafür sind je nach Verband unterschiedlich, der Austritt erfolgt für die einzelnen Standorte in den nächsten Wochen und Monaten, berichtet ein Fujitsu-Sprecher.
Eine Möglichkeit wäre es, nach dem Austritt aus dem Flächentarifvertrag einen Haustarifvertrag zu schließen. Dies sei aber bisher nicht angedacht, ist aus dem Unternehmen zu erfahren.
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