Die EU wollte in den 27 Mitgliedstaaten eine Modernisierungswelle anstoßen. Nun aber geistert der Vorwurf der „Zwangssanierungen“ durch die Gemeinschaft. Es geht um die neue Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD), über die das EU-Parlament am Montag stritt – und am Dienstag abstimmen soll. So sprach die Grünen-Europaabgeordnete Jutta Paulus von „absurde Vorstellungen“, die es gebe, etwa dass Menschen gezwungen werden sollen, aus ihrem Zuhause auszuziehen oder ihre Häuser zu verkaufen, wenn sie nicht renovieren. Bei der Richtlinie handele es sich um einen „Auftrag“ an die Mitgliedstaaten, so Paulus. „Jeder kann dann selbst entscheiden, mit welchen Instrumenten er die Ziele erreichen möchte.“ In Frankreich etwa dürfe kein Gebäude verkauft werden, wenn es nicht modernisiert ist.
Übersetzt will die EPBD erreichen, dass sich Millionen von Europäern Solaranlagen aufs Dach des Eigenheims packen und Gasheizungen im Keller durch Wärmepumpen ersetzen. Damit will man den Energieverbrauch und die Treibhausgasemissionen senken. Bis 2050 sollen sämtliche Gebäude in der EU klimaneutral sein, neue Häuser schon ab 2030. Es gehört zu den Bausteinen des „Fit for 55“-Klimapakets, das die EU-Kommission auf den Weg gebracht hat. Der Schritt gilt deshalb als wichtig, weil der Gebäudebestand der EU für etwa 40 Prozent des Energieverbrauchs und 36 Prozent der Treibhausgasemissionen in der Union verantwortlich ist. Doch die Gegner machen lautstark Stimmung.
Kritik an der Sanierungspflicht: Wer soll die Kosten tragen?
„Bei allem Ehrgeiz, die Klimaziele möglichst rasch umzusetzen, müsse auch die Frage beantwortet werden: Wer soll die Kosten tragen und wer führt angesichts des Fachkräftemangels eigentlich die Renovierungen durch?“, kritisierte der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke. „Wir können die Kosten im Kampf gegen den Klimawandel nicht auf Omas Häuschen abwälzen.“ Paulus verwies dagegen auf die staatliche KfW-Bank, die die Kosten für die Sanierungsmaßnahmen auf bis zu 254 Milliarden Euro schätzt. Klingt viel? Um die Menschen vor den massiven Gaspreisen zu schützen, habe man in Form der Gaspreisbremse in einem einzigen Jahr 200 Milliarden Euro ausgegeben, während der Plan zum Gebäudebestand „eine langfristige Wirkung“ habe, sagte die Grünen-Politikerin.
Auch der SPD-Europaabgeordnete Jens Geier versuchte zu beschwichtigen. Der Entwurf sehe vor, dass finanziell schwächere Haushalte vor Kostendruck geschützt werden. Zudem solle die Ausstellung von Energieausweisen für finanziell schwache Haushalte kostenfrei sein. Ausnahmen sind ebenfalls vorgesehen, beispielsweise für denkmalgeschützte Gebäude oder jene, die nicht das ganze Jahr genutzt werden.
Pläne der EU: Kein Gebäude mehr schlechter als Effizienzgrad G
Zum Teil wären die Anforderungen für die gesamte EU ähnlich zu jenen im deutschen Gesetz. Was es in der Bundesrepublik nicht gibt, sind Mindeststandards für Gebäudeeigentümer, zu deren Durchsetzung die Länder verpflichtet werden sollen.
Wie viele Besitzer in Deutschland aufgefordert wären, ihre Häuser umzurüsten und Fenster auszutauschen oder Fassaden besser zu dämmen, lässt sich derzeit kaum abschätzen, da die Mitgliedstaaten unterschiedliche Systematiken nutzen. Während die EU Gebäude in Effizienzklassen von A bis G einstuft, gibt es in Deutschland eine Skala von A+ bis H. Deshalb sollen laut Plan der Kommission die Mitgliedstaaten erst das System vereinheitlichen.
Während die Behörde fordert, dass bis 2030 kein Wohngebäude mehr dem schlechtesten Effizienzgrad G angehören darf, pochen die Grünen und die Sozialdemokraten im EU-Parlament auf eine Verschärfung des Entwurfs.