Die Industrie- und Handelskammer Schwaben hat Reinhold Braun, 58, zu ihrem neuen Präsidenten gewählt. Braun ist Chef des Unternehmens Sortimo aus Zusmarshausen, das leichte Nutzfahrzeuge ausstattet und an der A8 einen Ladepark für E-Autos betreibt. Er folgt auf Gerhard Pfeifer, der die Industrie- und Handelskammer nach dem Tod von Andreas Kopton im Frühjahr 2023 geführt hat. Braun machte in seiner ersten Rede auf dem Neujahrsempfang der IHK in Augsburg deutlich, dass Schwaben als Standort zwar eine gute Basis hat, dass angesichts der Lage im Land aber ein dringender Kurswechsel der Politik nötig ist. "Wir brauchen eine Agenda 2030", forderte er in Erinnerung an die Reform-Agenda 2010 unter der früheren rot-grünen Bundesregierung von Kanzler Gerhard Schröder. Mehr Willen zur Veränderung mahnte auch der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer an.
Fischer warnte in seiner Rede davor, die derzeitigen Brandherde in der Weltpolitik naiv zu ignorieren. Die Rückkehr der Rivalität der Großmächte, Putins Krieg in der Ukraine, der Krieg in Gaza und das Säbelrasseln in Fernost bedürften der Aufmerksamkeit. "Das größte Risiko in diesem Jahr wird die amerikanische Präsidentschaftswahl sein. Wird die Nato überleben mit einem Präsidenten Trump? Vielleicht", sagte der Grünen-Politiker. "Es nützt nichts, sich die Augen und Ohren zuzuhalten", betonte Fischer. "Realismus ist angesagt."
Joschka Fischer: "Keiner kann mir weismachen, dass wir ein Land im Untergang sind"
Die Probleme im Land seien nicht zu verleugnen. "Dass das Heil aber bei den Nazis gesucht wird, die Deutschland in Schutt und Asche gelegt haben, das ist eine Groteske und eine Schande für unser Land", mahnte Fischer und machte stattdessen Mut: "Dass wir ein Land im Untergang sind, kann mir keiner weismachen", sagte er. "Wenn wir wollen, dann können wir. Wenn wir müssen, dann können wir doppelt." Das habe der Bau der Flüssiggas-Terminals in Rekordgeschwindigkeit gezeigt. Niemand hindere Deutschland daran, in Zukunftsthemen wie Künstliche Intelligenz oder Digitalisierung zu investieren.
Dabei outet sich Fischer auch als Fußballfan. Kürzlich, sagte er, habe er sich ein Spiel des FC Augsburg angesehen. "Ich dachte mir, mei, san die gut geworden."
IHK-Präsident Braun: "Wir brauchen Mut zu großen Schritten"
Auch der neue IHK-Präsident machte vor den rund 1500 Besuchern des Neujahrsempfangs klar, dass er die derzeitige Situation des Landes mit Sorge sieht, insbesondere mit Blick auf die aktuellen Proteste der Bauern. "Deutschland scheint nicht nur in diesen Tagen ein wütendes Land am Rande des Abgrunds zu sein", sagte Braun. "Bürokratiewahnsinn, Fachkräftemangel, eine marode Infrastruktur, fehlende Digitalisierung, ängstliche Entscheidungen – all die Schlagworte zeigen uns schon lange: So geht es nicht weiter. Nicht in Deutschland, nicht in Bayern, nicht in Schwaben." Es brauche "Mut zu großen Schritten und zu einer großen Vision", forderte Braun.
Braun, geboren 1965, verheiratet, und Vater von zwei Kindern, die heute schon in seinem Unternehmen mitarbeiten, stammt aus Zusmarshausen. "Mein Vater hatte einen Metallbaubetrieb, meine Mutter einen Tante-Emma-Laden", sagte er. "Ich bin aufgewachsen zwischen Werkbank und Verkaufstresen. Mir war sehr schnell bewusst, dass man als Unternehmer eine Vision, Risikobereitschaft und Verantwortungsbewusstsein braucht. Dafür notwendig ist eine fundierte Bildung." Braun machte erst eine Ausbildung zum Schlosser, studierte Maschinenbau in Augsburg und besuchte später Studienprogramme in St. Gallen und Harvard. Anschließend arbeitete er erst für den US-Konzern NCR, 1993 kehrte er nach Schwaben zurück und leitet heute zusammen mit Klaus Emler das Unternehmen Sortimo mit rund 1300 Beschäftigten.
IHK Schwaben – ein Scharnier zwischen Politik und Wirtschaft
Braun ist überzeugt, dass Schwaben als Wirtschaftsstandort dank seiner mittelständischen Familienbetriebe und eines "einzigartigen Branchenmixes" Standortvorteile habe. "So ist es in meinen Augen kein Zufall, dass wir 2023 die niedrigste Arbeitslosenquote in Deutschland hatten", sagte er. Der neue IHK-Präsident würdigte die Leistung seines langjährigen Vor-Vorgängers Andreas Kopton. Die IHK Schaben sei heute eine "gelungene Kooperation von Wirtschaft und Staat, ein Erfolgsmodell seit mehr als 180 Jahren", sagte er. "Wir sind das Scharnier, das Wirtschaft und Politik verbindet."