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iPhone 5: Apple und das China-Problem

iPhone 5

Apple und das China-Problem

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    Heiß begehrt: das  iPhone 5.
    Heiß begehrt: das iPhone 5. Foto: Andy Rain dpa

    Nach 3000 Wischtüchern hat Dang Xianglan Feierabend. 3000 Mal hat sie an diesem Tag die gleichen sechs Handgriffe gemacht: umklappen, noch mal umklappen, linke Seite einschlagen, rechte Seite einschlagen, zusammenrollen und mit einem Gummiband befestigen. Mit den kleinen Lappen werden am Fließband die Touchscreens von iPhones oder iPads gereinigt. 3000 Tücher sind das Schichtminimum, doch wenn die Vorgesetzten es verlangen, faltet Dang tausend mehr.

    Hände und Füße wurden taub

    Das ist neu am iPhone 5

    Das iPhone 5 hat einen größeren Touchscreen. Er hat jetzt eine Bildschirmdiagonale von 4 Zoll statt zuvor 3,5 Zoll. Dadurch passt eine Reihe App-Symbole mehr auf das Display.

    Statt des üblichen breiten Steckers zur Verbindung mit anderen Geräten bekommen die neuen iPhones einen kleineren Anschluss. Apple wird aber einen Adapter anbieten.

    Die Kamera behält die bisherige Auflösung von 8 Megapixeln, wurde aber von Grund auf erneuert. Das iPhone hat jetzt eine Funktion zur Aufnahme von Panorama-Bildern.

    Das neue iPhone unterstützt die superschnelle Datenfunk-Technik LTE. In Deutschland dürften allerdings fast ausschließlich Kunden von T-Mobile davon profitieren, weil die Tochter der Deutschen Telekom auf die vom Gerät genutzte Frequenz 1800 MHz setzt.

    Mit dem neuen Betriebssystem iOS 6 kommt auch die App Passbook auf die iPhones, ein digitales Portemonnaie für Tickets und Treuekarten.

    Auch die iPods wurden überarbeitet: Der iPod nano sieht jetzt aus wie ein kleines iPhone und beherrscht auch Bluetooth-Verbindungen etwa zum Anschluss im Auto.

    Der iPod touch bekam wie das iPhone einen 4-Zoll-Bildschirm verpasst und hat jetzt auch den sprechenden Assistenten Siri an Bord. Es gibt ihn jetzt auch in verschiedenen Farben.

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    Die Multimedia-Software iTunes wurde erneuert und ist jetzt mit dem Online-Speicherdienst iTunes verbunden, damit man leichter zwischen verschiedenen Geräten wechseln kann.

    Seit fünf Jahren arbeitet die Mittdreißigerin bei Wintek, einem taiwanesischen Elektronikkonzern, der in seiner Fabrik in Suzhou Bildschirme für Apple-Geräte fertigt. Früher saß Dang in der Touchpad-Montage, doch dann erkrankte sie 2009 an der giftigen Chemikalie Hexan, die zum Polieren der Glasscheiben verwendet wurde. „Ich konnte nicht mehr richtig greifen und stehen, meine Hände und Füße wurden taub und ich bekam Ausschläge“, erzählt sie. Über hundert Kollegen entwickelten ähnliche Symptome. Zehn Monate war Dang im Krankenhaus. Heute könne sie wieder arbeiten und sei dankbar, dass Wintek ihre Behandlungskosten übernommen, eine Entschädigung gezahlt und ihr nicht gekündigt hat.

    Der Vergiftungsfall reiht sich in eine lange Serie von Produktionsskandalen. Allein im vergangenen Jahr starben bei Explosionen in Zulieferfabriken vier Menschen, mehr als 70 wurden verletzt. Pünktlich zur Einführung des iPhone 5 steht den Amerikanern neue Kritik ins Haus. Chinesische Medien melden, dass in einer Fabrik des Zulieferers Foxconn Berufsschüler zur Akkordarbeit gezwungen würden, zu einem Monatslohn von umgerechnet 193 Euro – halb so viel wie reguläre Arbeiter verdienen. Zwar betont Foxconn, es handle sich um freiwillige Praktika. Doch Berichte von Betroffenen lassen wenig Zweifel, dass die Schüler unter hohem Druck stehen. Wie die Zeitung 21. Century Business Herald berichtet, hat die Regierung der Stadt Chengdu, wo Foxconn viele Appleprodukte baut, der Fabrik sogar ein konstantes Angebot billiger Arbeiter garantiert.

    Formaljuristisch müssten solche Probleme zwar nicht Apples Sorge sein. Die Kalifornier sind bei Foxconn oder Wintek nur Kunden. Dass Sicherheits- und Sozialstandards eingehalten werden, ist Aufgabe chinesischer Behörden. Dennoch sehen westliche Konsumenten Apple in der Pflicht, in China für gute Bedingungen zu sorgen.

    Produktion unter fragwürdigen Verhältnissen

    Seit bei Foxconn 2009 und 2010 über ein Dutzend Arbeiter Selbstmord beging und in Abschiedsbriefen über schlechte Arbeitsbedingungen und finanzielle Hoffnungslosigkeit klagten, steht Apple bei Arbeiterrechtlern in der Kritik. Greenpeace wirft den Amerikanern vor, Fabrikarbeiter wie „iSlaves“ zu behandeln. Apple ist nicht das einzige Unternehmen, das in China unter fragwürdigen Verhältnissen produzieren lässt. Konkurrent Samsung wurde wiederholt mit dem Vorwurf der Kinderarbeit konfrontiert.

    Für Apple ist das Thema ein wunder Punkt. Zwar hat der Konzern einen „Code of Conduct“, mit dem sich alle Zulieferer verpflichten müssen, „dass die Arbeitsbedingungen in Apples Zulieferkette sicher sind, dass die Arbeiter mit Respekt und Würde behandelt werden, und dass die Herstellungsprozesse aus Umweltgesichtspunkten verantwortbar sind“. Doch eingehalten werden die Regeln nicht immer. Nach einem Anfang 2012 veröffentlichten Bericht hat Apple bei der Inspektion von 229 Fabriken festgestellt, dass mindestens die Hälfte der Angestellten mehr als die zulässigen 60 Stunden pro Woche leiste. Ähnlich viele arbeiteten mehr als sechs Tage pro Woche.

    Apple versucht mit Inspektionsberichten unter Beweis zu stellen, dass man das Problem ernst nimmt. Doch Arbeiterrechtlern ist das nicht genug. „Westliche Unternehmen hätten nicht so hohe Margen, wenn sie in China nicht so sehr die Preise drücken könnten“, sagt Han Dongfang, Gründer der Hongkonger Organisation China Labour Watch. Wer das Problem lösen wolle, müssen den Arbeitern mehr bezahlen.

    Foxconn hat seine Löhne infolge der Selbstmordserie mehrfach erhöht. Doch der Kostendruck bleibt. In der Branche heißt es, kaum ein Unternehmen verhandle mit seinen Zulieferern so hart wie Apple. Wintek oder Foxconn stehen daher unter hohem Druck, ihre Margen aufrechtzuerhalten. Die Arbeiter bekommen das unmittelbar zu spüren.

    Dang Xianglan klagt nicht über ihre Bedingungen. Sie kennt es nicht anders. Mit ihrem Mann und dem 15-jährigen Sohn wohnt die Wanderarbeiterin in einem engen Zimmer mit drei schmalen Pritschen und einem kleinen Tisch. Bad und Küche teilen sie mit anderen. Mit drei Überstunden am Tag und zusätzlichen Wochenschichten kann sie monatlich bis zu 3000 Yuan (360 Euro) verdienen, ihr Mann bekommt in einer anderen Fabrik ähnlich viel. „Ein Gehalt reicht für unser Leben, und das andere schicken wir unseren Familien“, sagt sie. Ob sie weiß, wie viel ein iPhone oder iPad kosten? „Ein paar hundert, vielleicht tausend Yuan“, schätzt sie, also umgerechnet rund hundert Euro. Dass es in Wirklichkeit zwischen 400 und 800 Euro sind, nimmt sie auf wie eine Nachricht aus einer Galaxie, die von ihrer eigenen Lichtjahre entfernt liegt.

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