Mehr als alle anderen Tiere sind Tiere mit Handicap besonders auf die Hilfe und Fürsorglichkeit des Menschen angewiesen. Umso tragischer, dass viele dieser Tiere oftmals vergeblich oder wesentlich länger in den Tierheimen auf ein neues Zuhause warten, wie ihre gesundheitlich besser aufgestellten Artgenossen. „Das liegt häufig daran, dass zukünftige Halter zum Teil zweifeln und sich enorm viele Gedanken darüber machen, ob sie mit dem Handicap überhaupt umgehen und dem Tier gerecht werden können“, sagt Tonia Olson, Expertin und Tierärztin des Tierschutzvereins Augsburg. Fehlende oder amputiere Gliedmaßen, Lähmungen, Inkontinenz sowie Hör- oder Sehbeeinträchtigungen zählen zu den häufigsten Handicaps bei Hunden und Katzen.
Obwohl es gut und wichtig ist, sich im Vorfeld wirklich sicher zu sein, ein gehandicaptes Tier aufnehmen zu wollen und mit den Beeinträchtigungen des Tieres auch umgehen zu können, so sollten die Sorgen aber nicht unnötig hochgespielt werden. „Ein Handicap schließt nicht aus, dass ein Tier unbeschwert, glücklich und - je nach Beeinträchtigung – auch normal leben und alt werden kann“, sagt Olson. Laut der Tierärztin passen sich die Tiere nämlich erstaunlich schnell an ein Leben mit Handicap an und freuen sich häufig sogar noch stärker über Zuwendung und Liebe. Wichtig ist für zukünftige Halter allerdings trotzdem, ein paar elementare Voraussetzungen zu erfüllen. „Speziell anfangs sollte viel Zeit und Geduld vorhanden sein, um voll und ganz auf die Bedürfnisse des Tieres eingehen zu können. Wenn Kinder im Haus leben, sollten diese auf alle Fälle für das Handicap sensibilisiert werden“, erklärt die Expertin.
Was es bei blinden und gehörlosen Tieren zu beachten gilt
Ein Tier, das taub ist oder ein eingeschränktes Hörvermögen hat, braucht besonders Zeit, sich an das neue Zuhause und die neue Umgebung zu gewöhnen. „Man sollte sich dem Tier gerade anfangs, aber auch generell nicht zu schnell annähern und immer darauf achten, dass man gesehen wird, bevor man das Tier berührt oder es streichelt“, sagt Olson. Ansonsten besteht die Gefahr, dass das Tier sich schreckt und ängstlich oder sogar aggressiv reagiert.
Taube Katzen sollten in einem neuen Zuhause zudem keinen Freigang haben, sondern ausschließlich in der Wohnung gehalten werden, um sie vor Gefahren der Umwelt – wie etwa Autos – zu schützen. „Taube Hunde sollten vor allem im städtischen Bereich nur an der Leine spazieren geführt werden, da sie nicht abgerufen werden können“, sagt die Tierärztin. Katzen und Hunde mit eingeschränktem Hörvermögen würden zudem von einem Partnertier profitieren, an dem sie sich orientieren können.
Blinde Tiere erfordern Geduld
Zeit, sich in ihrer neuen Umgebung zurechtzufinden, brauchen besonders auch Tiere, die blind sind oder eine eingeschränkte Sehfähigkeit haben. „Sie müssen erst herausfinden, wo sich ihr Futter-/Wassernapf oder Schlafplatz befindet und stoßen dabei manches Mal Gegenstände um. Sie können diese Einschränkung durch ihre anderen Sinne aber oft sehr gut ausgleichen“, sagt Olson. Der Geruchs- und der Hörsinn spielen hier eine große Rolle. Anfangs ist des deshalb ratsam, die Tiere zu ihrer Futterstelle und zu ihrem Schlafplatz zu führen und sie auf dem Weg durch ihr neues Zuhause zu begleiten, um sie mit Hindernissen vertraut zu machen. „Wichtig ist generell, dass Möbel so wenig wie möglich umgestellt und Gegenstände im Weg liegen gelassen werden. Auch blinde Tiere orientieren sich hervorragend an einem Partnertier“, sagt die Expertin.
Ist das Tier krank, so sollten sich zukünftige Halter bereits im Vorfeld genauestens darüber informieren, wie lange das Tier schon an einer bestimmten Erkrankung leidet, was die Ursache dafür ist und wie es bisher damit zurechtgekommen ist. „Je nach Einschränkung kann es nämlich sein, dass ein Tier lebenslang Medikamente braucht oder regelmäßig einem Tierarzt vorgestellt werden sollte, um ein Fortschreiten oder eine Verschlechterung der Erkrankung rechtzeitig zu verhindern“, erklärt Olson.
Mit fehlenden Gliedmaßen kommen laut der Expertin besonders Katzen schnell zurecht und gewöhnen sich rasch an das veränderte Gangbild. „Leben allerdings andere Tiere oder Kinder im Haushalt, sollte Acht gegeben werden, da das Tier mit Handicap ja nicht mehr so gut springen und sich auch nicht mehr so schnell wie ihre Artgenossen fortbewegen kann“, so die Tierärztin. Bei Hunden sind auch Prothesen oder Rollstühle für Tiere eine Lösung.
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