Im Jahr 2045 soll die Industrie in Deutschland kein klimaschädliches CO2 mehr ausstoßen, um den Anstieg der Temperaturen in erträglichen Grenzen zu halten. Dieses Thema ist Schwerpunkt der am Montag eröffneten Hannover Messe. Die Stahlindustrie, die mit jährlich 55 Millionen Tonnen Kohlendioxid in Deutschland für ein Drittel der industriellen Treibhausgasemissionen verantwortlich ist, hat auf der Messe einen Standard für CO2-armen Stahl vorgestellt, auf den sich alle Mitglieder des Wirtschaftsverbandes Stahl geeinigt haben. Unter dem Namen LESS (Low Emission Steel Standard) sind dafür Kriterien wie der Anteil des eingesetzten Schrotts festgelegt worden. „Es gibt viele Anfragen von Kunden nach emissionsarmen Stahl. Unser Ziel ist grüner Stahl made in germany“, sagt Bernhard Osburg, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, der aus Bayern die Max Aicher GmbH & Co. KG aus Freilassing angehört.
Auch andere Aussteller werben in Hannover für klimafreundliche Produkte. Die Bosch Industriekessel GmbH aus Gunzenhausen fertigt Heiz- und Prozesswärmeanlagen für mehr Energieeffizienz in Produktion, Gebäuden und Fernwärmenetzen. Auf der Messe werden Kessel für die Verbrennung mit Wasserstoff sowie Elektrodampfkessel präsentiert, durch die keine Emissionen anfallen. „Unsere Kunden suchen nach Möglichkeiten zur CO2-Reduktion, doch häufig warten Firmen noch ab, weil die gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht klar sind“, sagt Vertriebsingenieur Per Willenbrock.
Hannover Messe: Glashersteller Schott setzt auf erneuerbare Energien
Markus Fackler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Augsburg und beschäftigt sich mit klimaneutralen Antrieben. Er sucht in Hannover Partner aus der Industrie für ein Projekt, bei dem zusammen mit der Uni Augsburg die Voraussetzungen geschaffen werden sollen, um Wasserstoff in Flugzeugantrieben einzusetzen. Demnächst sollen erste Forschungsergebnisse vorliegen, für 2025 ist der Bau solcher Motoren geplant. Fackler blickt in die Zukunft: „Den benötigten Wasserstoff werden wir nicht aus Bayern bekommen, da hapert es mit dem Ausbau. Aber wir hoffen, dass es global genügend Wasserstoff gibt.“
In Hannover werden auch konkrete Projekte von energieintensiven Konzernen vorgestellt, die auf erneuerbare Energien umstellen. Der Glashersteller Schott, dessen Produkte in der Medizintechnik verbreitet sind, will bis 2026 am Stammsitz Mainz in einem Pilotprojekt die fossile Befeuerung bei der Produktion zu 80 Prozent durch erneuerbare Energien ersetzen. Bis 2030 soll an den übrigen Schott-Standorten – darunter Landshut und Mitterteich – die Umstellung erfolgen. „Wir brauchen dann noch einen gewissen Anteil fossiler Energien, für die wir Kompensationszahlungen leisten. Bis 2045 wollen wir vollständig klimaneutral sein“, sagt Tim Gnädig, Leiter des Projektmanagements bei Schott.
Weniger CO2 in der Industrie: Vergangenes Förderprogramm wurde gar nicht ausgeschöpft
Wie Schott erhält auch der Chemiekonzern BASF für ein Projekt zur CO2-Emissionssenkung knapp 15 Millionen Euro Förderung durch den Bund. In Ludwigshafen wird in diesem Jahr eine Versuchsanlage für 70 Millionen Euro in Betrieb gehen, bei der durch erneuerbare Energien die CO2-Emissionen um 90 Prozent reduziert werden. Sie kann Vorbild für die Umstellung in Werken wie Würzburg und Trostberg sein. „Wir haben uns für eine Pilotanlage in Deutschland entschieden, weil wir hier qualifiziertes Fachpersonal haben, Deutschland der wichtigste Markt in Europa für uns ist und es eine attraktive finanzielle Förderung gibt“, sagt Technologiemanager Michael Reitz.
Dabei haben viele Firmen auf Gelder aus dem letzten Förderprogramm verzichtet, die Mittel wurden nicht ausgeschöpft. „Das Verfahren war zu kompliziert. Mit dem neuen Programm wird es schneller gehen“, verspricht Irina Kerner, Referentin im Bundeswirtschaftsministerium. Fördermittel in einstelliger Milliardenhöhe seien geplant. Zusätzlich sollen Unternehmen mit einem zweistelligen Milliardenbetrag über Klimaschutzverträge gefördert werden. Wann die Mittel bereitstehen, bleibt offen. Kerner: „Das wird erst mit der Verabschiedung des Bundeshaushalts für 2025 klar sein.“