Die Kommode herbstelt. In einer kleinen Aussparung fällt goldenes Licht durch einen Herbstwald, auf dem Regalbrett vor der Fotografie hat Schreiner Andreas Wieser kleine Figürchen drapiert, ein Eichhörnchen, einen Kürbis, mehrere Tannenzapfen. Die Fotografie ist austauschbar, neben dem Sideboard mit den abgerundeten Ecken stecken drei weitere Waldszenen in einer eigens dafür angefertigten Vorrichtung, auf ihnen ist es Winter, Frühling und Sommer. Wenn man so möchte, repräsentiert das Möbelstück das vergangene Jahr des jungen Schreinermeisters. Wieser wird von der Handwerkskammer für Schwaben als Jahresbester ausgezeichnet, die Jahreszeiten-Kommode mit den sattgrünen Fronten ist sein Meisterstück.
144 Stunden reine Fertigungszeit stecken im Möbelstück. Es ist formverleimt, erklärt Wieser, ein aufwendiges Verfahren, bei dem mehrere dünne Holzplanken unter Druck geformt werden. Die Technik lernte er in seiner Gesellenzeit kennen, sagt er. Geschwungene Möbel haben es ihm angetan, denn: „In der Natur gibt es ja auch fast keine rechten Winkel“. Ein möglichst naturnaher Schrank sei der Grundgedanke bei dem Meisterstück gewesen. Bald möchte der junge Schreiner sein Outdoor-Equipment im Sideboard unterbringen. „Ich fahre Ski, jogge, gehe Bergsteigen. Da hat sich über die Jahre einiges an Inventar angesammelt.“
Schreiner Wieser schnitt in seiner Meisterprüfung am besten ab
Für seine Hobbys an der freien Natur findet er, so hofft er, bald wieder mehr Zeit. Hinter dem jungen Schreiner liegen arbeitsintensive Monate. Seit September 2023 beschäftigte ihn der Meisterschein. Neun Monate habe er gar nicht regulär gearbeitet, davor drückte er parallel zum Job samstags die Schulbank. „Schreiner ist einer der letzten Handwerksberufe, in denen der Meister so aufwendig ist“, sagt Wieser. Die Prüfung besteht aus vier Teilen: Neben dem Möbelstück, das in einem Fachgespräch präsentiert werden muss, gibt es auch einen theoretischen Teil, der spezifisch auf die angehenden Schreinermeister zugeschnitten ist. Dort müssen die jungen Frauen und Männer zum Beispiel zeichnen und vor der Prüfungskommission ein Angebot kalkulieren.
Im allgemeinen Teilen der Meisterprüfung lernte Schreiner Wieser gemeinsam mit Elektrikern, Installateuren und Heizungsbauern, was man zur Buchhaltung eines Betriebes wissen muss und absolvierte einen Ausbilderschein. „Die vier Teile addiert, kam da dann was ganz Gutes raus“, sagt Wieser. Der 25-Jährige hat von allen Prüflingen in seinem Fach am besten abgeschnitten.
Ministerpräsident Söder kommt zur Meisterfeier nach Augsburg
Fachkräftemangel, Lieferengpässen und steigenden Kosten: Die allgemeinen Krisen der Arbeitswelt schlagen sich auch im Handwerk durch. Dennoch möchte die Handwerkskammer für Schwaben (HWK) mit dem Festakt die vielen jungen Menschen in den Fokus stellen, die bereit sind, in der Branche mit anzupacken. Im Beisein von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erhalten am Freitagabend im Kongress am Park in Augsburg 553 Frauen und Männer aus elf verschiedenen Berufen ihre Meisterbriefe. Mit 765 Milliarden Euro Umsatz im Jahr und fast 30 Prozent aller Azubis in Deutschland sei „das Handwerk ein Stabilisator und gesellschaftlicher Kitt für unser Land“, sagt HWK-Präsident Hans-Peter Rauch.
Die ausgezeichneten Meisterinnen und Meister
In elf Handwerken haben heuer 553 Frauen und Männer ihre Meisterprüfung der Handwerkskammer Schwaben abgelegt. Das sind die Jahrgangsbesten:
- Elektrotechniker Marius Betz, Marktoberdorf
- Feinwerkmechaniker Ulli Kurt Kehrbaum, Germaringen
- Fleischerin Amelie Schweisfurth, Glonn
- Friseurin Antonia Ratzmann, Wasserburg
- Installateur und Heizungsbauer Moritz Stegmüller, Augsburg
- Kraftfahrzeugtechnikerin Angelika Marie Igl, Herrsching a. Ammersee
- Land- u. Baumaschinenmechatroniker Thomas Heiland, Rottenbuch
- Maler und Lackierer Julian Fronk, Herbrechtingen
- Maurer und Betonbauer Julian Heidemann, Au
- Schreiner Andreas Wieser, Augsburg
- Zimmerer Josef Thummerer, Hollenbach
Schreinermeister Wieser hofft, auf der Meisterfeier viele Bekannte zu treffen. Geboren ist er in Eching am Ammersee, hat seine Schreinerausbildung in einem kleinen Betrieb im benachbarten Schondorf begonnen und besuchte die Berufsschule in Landsberg. Die Gesellenjahre ab 2019 verbrachte er bei einem Betrieb in Raisting, der sich auf besonders hochwertiger Möbelbau spezialisiert habe. Seit Oktober ist er bei den Riederle Werkstätten in Burgau angestellt. Mit dem Meisterbrief in der Tasche wird er Personalverantwortung übernehmen, Pläne erstellen und die Arbeiten seiner neuen Kollegen in Burgau vorbereiten. Diese Vielseitigkeit ist es, was er an seinem Beruf am meisten schätzt.
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