Für die Hersteller von Münchner Bier, fränkischen Weinen, Champagner, Feta-Käse und Parmaschinken war es ein ebenso guter Tag wie für die Produzenten von Pu’er Tee, Moutai Schnaps, Panjin Reis und 100 weiteren Erzeugnissen aus China. Denn alle diese Waren sind seit dem gestrigen Montag geschützt. Die Europäische Union und China versprachen sich in einem Abkommen, solche geographisch typischen Produkte nicht zu kopieren. „Für die deutschen Weinbauern und Bierbrauer war das ein guter Tag“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel anschließend. Es blieb das einzige Ergebnis dieses EU-China-Gipfels, der eigentlich ganz anders geplant war.
Es sollte ein erstes Treffen auf höchster Ebene in Leipzig sein: Neben Merkel wollten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Ratspräsident Charles Michel sowie der chinesische Präsident Xi Jinping zusammenkommen. Doch das Coronavirus bescherte den Partnern eine gerade mal zweistündige Videokonferenz, deren Ergebnisarmut Merkel mit den Worten „Wir haben über Themen gesprochen, die wir bereits 2018 behandelt haben“ beschrieb. Ihre zentrale Forderung: „Wir wollen mehr Fairness im Umgang miteinander.“
Genau daran mangelt es. Zwar können Unternehmen aus Fernost nahezu ungehindert in Europa auf Einkaufstour gehen, deutsche Konzerne müssen dagegen in China etliche Auflagen und Zugänge zum Knowhow ermöglichen. Die europäische Seite pocht auf „Fairness“, im offiziellen Sprachgebrauch „Reziprozität“ genannt. Beide Seiten wollen die gleichen Freiheiten und Rechte haben.
Das geplante Investitionsschutzabkommen stockt
Ein Investitionsschutzabkommen ist geplant, wird auch seit nunmehr sechs Jahren verhandelt. Es sei nicht einmal unterschriftsreif, hieß es gestern in Brüssel. Trotzdem hoffen alle Beteiligten auf einen Abschluss noch 2020. Die Realisten unter den Brüsseler Diplomaten nannten das „eine Illusion“.
Inzwischen nimmt die Geduld ab. „Die EU darf sich nicht herumschubsen lassen“, forderte der CSU-Europa-Politiker Markus Ferber. „Wenn China nicht einlenken will, müssen wir in der EU auch über Einschränkungen beim Marktzugang für chinesische Unternehmen nachdenken.“ Die beiden Vorsitzenden der CDU- sowie der CSU-Abgeordneten im EU-Parlament, Daniel Caspary und Angelika Niebler, gingen sogar noch weiter. Ohne Fortschritte bei wichtigen Themen „muss die EU ihre Strategie überdenken und darf Konflikte nicht weiter scheuen“.
Peking und Brüssel brauchen einander und bleiben sich doch fremd. In der Politik lässt sich das daran ablesen, dass nach einem Treffen nur die Themen aufgelistet werden, über die man gesprochen hat: Die Menschenrechte waren ein zentrales Thema – dazu zählt auch die Unterdrückung der uigurischen Minderheit. Auf der Agenda stand auch das Klima. Die EU will 2050 die Klimaneutralität erreichen und drängt Peking, das gleiche Ziel bis 2060 zu schaffen. Die militärische Eskalation im südchinesischen Meer kam ebenso zur Sprache wie die massive Einmischung Chinas in Hongkong und gegenüber Taiwan. Jeder arbeitete seinen Sprechzettel ab, aber für Ergebnisse brauche man eben „einen sehr langen Atem“, hieß es aus dem Umfeld von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Wartet China die Wahl in den USA ab?
Dabei laufen die Geschäfte genau genommen glänzend. Jeden Tag werden Waren im Wert von 1,5 Milliarden Euro in beide Richtungen gehandelt. Dennoch steht die EU unter Druck, weil man gleichzeitig US-Präsident Donald Trump nicht verärgern will, der seine Anti-China-Politik unbeirrt fortsetzt.
Das weiß man in Peking und hält sich deshalb mit Zusagen an die Union zurück. Schon wenige Tage vor dem gestrigen Gipfel-Gespräch hatten Pekinger Diplomaten in Brüssel deutlich gemacht, dass man zunächst die weitere Entwicklung abwarten wolle. Mit einem wiedergewählten US-Präsidenten Donald Trump könnte auch Europas Beziehung zu China schwierig bleiben. Im Fall einer Abwahl Trumps wären die Spielräume dagegen größer.
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