Es war eine der wichtigsten sozialpolitischen Reformen der schwarz-roten Bundesregierung: die Einführung der Grundrente. Bereits vor rund einem Jahr, am 2. Juli 2020, hat der Bundestag die Grundrente beschlossen, seit dem 1. Januar dieses Jahres ist das Gesetz in Kraft. Doch auf dem Konto ist bisher bei keinem Rentner eine Zahlung angekommen, auch Grundrentenbescheide gab es nicht.
Die Auszahlung hat sich verzögert. Jetzt aber soll es bald so weit sein. Die Deutsche Rentenversicherung will demnächst Schritt für Schritt mit der Auszahlung beginnen.
Auszahlung der Grundrente beginnt: Nicht alle erhalten bereits im Juli Geld
Die ersten Empfänger könnten im kommenden Monat ihre Grundrente erhalten. „Ab Juli 2021 wird der Zuschlag an Rentner gezahlt, die dann erstmals einen Rentenbescheid erhalten“, berichtet die Deutsche Rentenversicherung auf Anfrage unserer Redaktion. Ein genaues Datum stehe in Kürze fest. Profitieren könnten bald auch die ältesten Bundesbürger. „Von denen, die dann schon in Rente sind, erhalten die Bescheide zunächst die ältesten Jahrgänge, es folgen schrittweise die jüngeren“, berichtet die Rentenversicherung.
Das heißt also, dass nicht jeder Berechtigte schon im Juli Geld erhält: Viele Rentner werden ihre Grundrentenbescheide Stück für Stück erst in den Folgemonaten erhalten. „Die letzten Fälle werden bis Ende 2022 aufgerufen“, berichtet die Rentenversicherung.
Die Grundrente ist vor allem für Menschen gedacht, die lange gearbeitet und in die Rentenversicherung eingezahlt haben, aufgrund eines niedrigen Lohnes aber nur Anspruch auf eine geringe Rente haben. Die Grundrente bietet einen Aufschlag auf die normale Rente und soll „ein besseres Auskommen“ ermöglichen, erklärt das Arbeitsministerium. „Die Grundrente ist ein Zuschlag zur Rente, mit dem gezielt die persönliche Lebensleistung belohnt wird“, heißt es. Das Ministerium geht davon aus, dass rund 1,3 Millionen Rentnerinnen und Rentnern damit seit dem 1. Januar 2021 eine höhere Rente zusteht. „Das werden in vielen Fällen Frauen sein, die häufig in weniger gut bezahlten Berufen gearbeitet haben oder Frauen, die oft wegen der Familie nur in Teilzeit tätig waren.“
Grundrente: Im Schnitt erhalten Berechtigte 75 Euro mehr im Monat
Gerade die SPD hatte sich für die Grundrente starkgemacht. „Es geht um eine Richtungsentscheidung für unser Land“, sagte SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil bei der Einführung. Der Wert der Arbeit und die tägliche Leistung sollen anerkannt werden. Wer lange in die Rentenkasse eingezahlt habe, solle auch eine auskömmliche Rente haben. Bei der Deutschen Rentenversicherung geht man davon aus, dass der durchschnittliche Zuschlag durch die Grundrente 75 Euro pro Monat betragen wird. Maximal sind 418 Euro Zuschlag möglich.
Wenn das Anliegen aber so wichtig war, warum hat es so lange gedauert, bis das erste Geld ausgezahlt wird? Hintergrund ist, dass den Aufschlag nicht jeder Rentner erhält, sondern nur eine bestimmte Gruppe von Empfängern, die lange eingezahlt haben, aber wenig Rente erhalten. Die Personen zu identifizieren und ihre Ansprüche zu berechnen, ist offenbar nicht einfach. Schließlich gibt es rund 26 Millionen Rentner in Deutschland.
„Aus den knapp 26 Millionen laufenden Renten sind diejenigen Biografien herauszufiltern, die alle Voraussetzungen für die Leistung erfüllen, kein zu hohes Einkommen haben und bei denen dann ein Zuschlag zu zahlen ist“, erklärt eine Sprecherin der Rentenversicherung. Die IT-Systeme mussten zuerst geschaffen werden. „In Zusammenarbeit mit den Finanzbehörden wird für die Einkommensanrechnung eine Datenautobahn aufgebaut“, sagt sie. „Unser IT-Verfahren wird hierzu um viele Komponenten weiterentwickelt und damit deutlich komplexer.“ Sorgfältige und umfassende Tests vor dem Start seien dadurch zwingend. Die Grundrente wird aus dem Bundeshaushalt finanziert. Die Regierung geht von Kosten von rund 1,3 bis 1,6 Milliarden Euro pro Jahr aus.
Ansprüche auf Grundrente werden rückwirkend zum 1. Januar 2021 ausbezahlt
Auch wenn die Grundrente jetzt mit Verspätung ausgezahlt wird, soll den Bürgern dadurch kein Nachteil entstehen. Die Ansprüche, die seit dem 1. Januar 2021 entstanden sind, verfallen nicht. Sie werden rückwirkend ausgezahlt, berichtet das Arbeitsministerium. Auch einen Antrag auf Grundrente müssen die Bürger nicht stellen: Die Rentenversicherung prüft automatisch, ob die Rentnerinnen und Rentner einen Anspruch auf Grundrente haben. Das gilt für alle, die bereits in Rente sind. Wer ab dem 1. Juli neu in den Ruhestand eintritt, für den wird der Anspruch sofort geprüft.
Wer aber bekommt am Ende Grundrente? Die Berechnung ist komplex. Voraussetzung ist nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums, dass Arbeitnehmer mindestens 33 Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt und im relevanten Zeitraum weniger als 80 Prozent des Durchschnittsverdienstes bezogen haben. Zeiten mit besonders geringem Verdienst, der unter 30 Prozent des Durchschnittsverdienstes liegt, zählen dabei nicht mit, also viele Mini-Jobs. Vermögen wird nicht berücksichtigt, aber das Einkommen. Es gibt aber Freibeträge.
Grünen-Politiker Markus Kurth zur Grundrente: "Wahnsinnig verwaltungsaufwendig"
An der komplexen Berechnung entzündet sich auch Kritik: „Die Bundesregierung hat die Grundrente in der Berechnung so kompliziert gemacht, dass die Leute selbst nicht erkennen können, ob sie anspruchsberechtigt sind oder nicht,“ sagt Markus Kurth, Sprecher für Rentenpolitik der Grünen-Bundestagsfraktion. „Die Grundrente ist zudem wahnsinnig verwaltungsaufwendig“, kritisiert er. Allein die Prüfung der Einkommen der Rentner koste drei Mal so viel, als sie einbringe. „Dabei sind Grundrentenbezieher wahrlich keine Millionäre“, sagt Kurth im Gespräch mit unserer Redaktion.
Die Grünen schlagen ein einfacheres Modell vor: „Wer 30 Beitragsjahre hat, soll auch 30 Beitragspunkte bekommen“, meint Kurth. Dies entspräche im Westen einer Rente von rund 1025 Euro. Wer weiß, dass er zwar 30 Beitragsjahre habe, aber wegen seines geringen Einkommens beispielsweise nur auf 20 Punkte komme, könne dann sicher sein, dass seine Rente aufgestockt wird. „Einfachheit und Nachvollziehbarkeit ist wichtiger, als jedem Einzelfall hundertprozentig gerecht zu werden“, findet der Grünen-Politiker zur Grundrente.
Linken-Politiker Birkwald kritisiert Union und fordert leichteren Zugang zur Grundrente
Auch aus der Linken kommt nach wie vor Kritik: Zunächst sei der Name Grundrente „grottenfalsch“, sagt der rentenpolitischer Sprecher der Linken im Bundestag, Matthias W. Birkwald. „Es handelt sich in keiner Weise um eine Grundrente“, sagt er. „Eine Grundrente gibt es in Dänemark oder den Niederlanden. In den Niederlanden reicht es, 50 Jahre dort zu leben, um als Single eine echte Grundrente von derzeit 1281,19 Euro zu erhalten. Das ist eine Grundrente.“
Birkwald kritisiert zudem, dass auf Dringen der Union der ursprüngliche Entwurf abgeschwächt worden sei: „Im Ergebnis haben CDU und CSU die Anforderungen für die sogenannte Grundrente so hoch geschraubt, dass nicht mehr drei Millionen Menschen, sondern nur noch etwa 1,3 Millionen Menschen überhaupt etwas bekommen werden“, sagte Birkwald. Entstanden sei ein „Bürokratiemonster“: „Bei einer Leistung von durchschnittlich nicht einmal 80 Euro ist eine Einkommensprüfung völlig überflüssig. Für Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet haben, ist diese gar entwürdigend“, meint er.
Der Linken-Politiker fordert, dass die Ansprüche auf Grundrente früher gelten sollten: „33 Beitragsjahre sind als Einstiegshürde zu hoch.“ 25 Jahre sollten als Zugangsvoraussetzung reichen.
Lesen Sie auch:
Zahlen Rentner bald weniger Steuern?
Doppelte Besteuerung der Rente: Bundesfinanzhof weist beide Klagen ab
"Wahnsinnsvorschläge": Vorstoß zur Rente mit 68 läuft ins Leere
- Zahlen Rentner bald weniger Steuern?
- Doppelte Besteuerung der Rente: Bundesfinanzhof weist beide Klagen ab
- "Wahnsinnsvorschläge": Vorstoß zur Rente mit 68 läuft ins Leere