Startseite
Icon Pfeil nach unten
Wirtschaft
Icon Pfeil nach unten

Gesundheit: Vitaminhaltige Getränke: Das gute Geschäft mit den Gesundheitsversprechen

Gesundheit

Vitaminhaltige Getränke: Das gute Geschäft mit den Gesundheitsversprechen

    • |
    „Hilft gegen Müdigkeit“ oder „Stärkt das Immunsystem“: Solche Versprechen lassen sich derzeit auf vielen sogenannten Vitaminwassern finden. Der Verein Foodwatch und die Verbraucherzentrale Bayern warnen allerdings vor dieser Werbemasche.
    „Hilft gegen Müdigkeit“ oder „Stärkt das Immunsystem“: Solche Versprechen lassen sich derzeit auf vielen sogenannten Vitaminwassern finden. Der Verein Foodwatch und die Verbraucherzentrale Bayern warnen allerdings vor dieser Werbemasche. Foto: Foodwatch

    In den Regalen von Supermärkten und Drogerien reihen sich immer mehr Getränke und Lebensmittel, die eine positive Wirkung auf die Gesundheit versprechen. Dafür soll der Zusatz von verschiedenen Vitaminen und Nährstoffen sorgen. „Mach Schluss mit Kopfweh oder Müdigkeit und trink hye“ – mit diesem Versprechen bewarb etwa das Augsburger Start-up hye sein Vitaminwasser. Nun hat die Organisation Foodwatch das Unternehmen für solche Werbesprüche abgemahnt. Eine Verbesserung der Gesundheit zu versprechen, verstoße gegen europäische Richtlinien. Das Start-up hye ist kein Einzelfall: In den Regalen der Supermärkte stehen laut Foodwatch einige Lebensmittel, die mit falschen oder mindestens irreführenden Gesundheitsangaben locken. 

    „Gute Laune, weniger Stress, eine tolle Ausstrahlung – die Hersteller von Vitaminwassern versprechen das Blaue vom Himmel. Doch ein paar zugesetzte Vitamine und Mineralstoffe machen aus schnöden Erfrischungsgetränken noch keinen Zaubertrank“, kritisiert Foodwatch-Expertin Rauna Bindewald. Sie warnt vor „teurer Abzocke“. Mit welchen gesundheitsbezogenen Aussagen Lebensmittel vermarktet werden dürfen, regelt seit 2006 die sogenannte Health-Claims-Verordnung der EU. Nach einer Prüfung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sind derzeit rund 270 solcher Health Claims erlaubt. Zulässig ist zum Beispiel, wenn Hersteller auf ihren Produkten auf die Wirkungsweise von Nährstoffen und Vitaminen hinweisen. Etwa: „Vitamin C trägt zur normalen Funktion des Immunsystems bei“ oder „Calcium wird für die Erhaltung normaler Knochen benötigt“. 

    Hersteller dürfen nicht mit der Linderung von Symptomen werben

    Auch die Verbraucherzentrale Bayern beschäftigt sich mit Werbeversprechen auf Lebensmitteln. Anja Schwengel-Exner, Fachberaterin für Lebensmittel und Ernährung, kann erklären, warum der Werbespruch des Start-ups hye nicht erlaubt ist: „Der Hersteller übermittelt die Botschaft: Trink unser Getränk und du hast keine Kopfschmerzen mehr! Dadurch wird ein direkter Ursache-Wirkungs-Bezug zwischen dem Produkt und der Krankheit der Konsumenten hergestellt. Mit einer Linderung von Symptomen oder mit einer Stärkung des Immunsystems zu werben, ist allerdings nicht zulässig.“

    Im Fall des Vitaminwassers sei es außerdem problematisch, dass sich das Versprechen auf das gesamte Produkt und nicht nur auf die positive Wirkung einzelner Nährstoffe beziehe. „Wenn Hersteller ihr Produkt etwa angemessen mit Eisen anreichern, dürfen sie damit werben, dass Eisen zur Verringerung von Müdigkeit beitragen kann“, erläutert die Fachberaterin. Es könne zwar sein, dass sich Konsumenten nach dem Verzehr eines Vitamin-Drinks fitter fühlen, aber diese Wirkung lasse sich nicht allein auf den Vitaminzusatz zurückführen. Wissenschaftlich bewiesen sei nur, dass die Aufnahme von Flüssigkeit bei durch Flüssigkeitsmangel verursachten Kopfschmerzen und Müdigkeit helfen kann. „Statt Geld für Vitamin-Drinks auszugeben, kann man für denselben Effekt genauso gut auf Mineral- oder Leitungswasser setzen“, rät Schwengel-Exner. 

    Süßigkeiten und Chips dürfen auch mit Angaben zu Vitaminen werben

    Die Expertin kritisiert überdies, dass bislang auch Produkte mit einem hohen Fett-, Zucker- oder Salzgehalt mit Gesundheitsaussagen werben dürfen. Als Beispiel nennt sie Fruchtgummis: „Wenn die Süßigkeiten beispielsweise mit Vitamin C angereichert werden, darf der Hersteller mit der Funktion dieses Vitamins werben. Durch solche Aussagen erscheinen dann auch ernährungsphysiologisch ungünstige Lebensmittel wertvoll.“ Die Verbraucherzentrale kann beobachten, dass solche Maschen nicht selten bei Konsumentinnen und Konsumenten verfangen, obwohl derartige Lebensmittel nur in Maßen empfohlen werden. „Süßigkeiten oder Chips sollten daher nicht mit zugelassenen Gesundheitsaussagen werben dürfen“, fordert Schwengel-Exner.

    Ist es überhaupt notwendig, dass Lebensmittel künstlich mit Vitaminen angereichert werden? Schwengel-Exner zeigt sich kritisch: „In der Regel genügt eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung vollkommen, um ausreichend versorgt zu sein.“ Einzelne angereicherte Lebensmittel bewegten sich sogar an der Obergrenze einer sicheren Zufuhrmenge. „Eine Überversorgung kann recht schnell eintreten, wenn im Alltag oft zu solchen Produkten gegriffen wird“, warnt Schwengel-Exner. Ein zu hoher Konsum von Calcium könne etwa zu Nierensteinen, Magen-Darm-Beschwerden und Gefäßerkrankungen führen. In Ausnahmefällen, in denen eine höhere Aufnahme von Vitaminen oder Nährstoffen sinnvoll ist – etwa während einer Schwangerschaft, der Stillzeit oder bei Leistungssport – sollte eine Ärztin oder ein Arzt zurate gezogen werden. „In der Regel lässt sich auch ein erhöhter Bedarf durch die Ernährung ausgleichen. Wenn nicht, lässt sich ein Mangel gezielter durch medizinische Präparate beheben als durch beliebig angereicherte Lebensmittel.“ 

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden