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Gesellschaft: Ein Revolutionär für das Grundeinkommen: dm-Gründer Götz Werner

Gesellschaft

Ein Revolutionär für das Grundeinkommen: dm-Gründer Götz Werner

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    Götz Werner hat dm 1973 in Karlsruhe gegründet.
    Götz Werner hat dm 1973 in Karlsruhe gegründet. Foto: Uli Deck, dpa

    Ein Abend mit Götz Werner ist eine Reise ins Ungewisse. Wer die radikalen Thesen des bekannten Grundeinkommen-Verfechters hören möchte, muss sich auf Unwägbarkeiten gefasst machen. Nicht nur mit überraschenden Antworten überrumpelt er Zuhörer und Mitdiskutanten. Auch sein Erscheinen zur Podiumsdiskussion der Augsburger Volkshochschule vor rund hundert Zuhörern war am Dienstagabend kaum vorherzusagen. Der Gründer der Drogeriemarktkette dm und Multimillionär pflegt, zu Auftritten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu kommen. Dass er dieses Mal eine Haltestelle zu weit fährt, hunderte Meter zurücklaufen muss und im letzten Moment noch pünktlich kommt, daran stören sich weder Werner noch seine Zuhörer.

    dm-Gründer kämpft für das allgemeine Grundeinkommen

    Bei der Podiumsdiskussion, die der Leiter des Wirtschaftsressorts, Stefan Stahl, moderiert, hat der 73-Jährige einiges zu sagen. Mit Marc Friedrich und Matthias Weik, den Co-Autoren zu seinem neuen Buch „Sonst knallt’s“, spricht er über seine Herzensangelegenheit, das bedingungslose Grundeinkommen. Im Zweifel verdichtet er seine Botschaften zu provokanten Aussagen. Dann sagt er Sätze, die Anhänger feiern und Skeptiker kritisieren. Sätze wie: „Die Wirtschaft hat die Aufgabe, die Menschen von ihrer Arbeit zu befreien.“ Werner ist der Überzeugung, dass Menschen nicht für ihre Arbeit bezahlt werden. Er sagt: „Erst das Einkommen ermöglicht überhaupt eine Teilnahme am Arbeitsprozess. Nur wenn Geld für Miete und Essen da ist, kann überhaupt gearbeitet werden.“

    Das sei dem dm-Gründer einst in einem Einstellungsgespräch mit einer Mitarbeiterin klar geworden. Wie er erzählt, fasziniert ihn die Idee des Grundeinkommens seit den 1980er Jahren. Er sagt: „Wenn die Menschen ein gewisses Grundeinkommen hätten, würden sie arbeiten, weil sie wollen. Nicht, weil sie müssen.“ In seinen Büchern fordert der

    Das ist die Drogeriekette dm

    Konzernweit wuchs der Umsatz um 5,7 Prozent auf 10,26 Milliarden Euro, in Deutschland um 4,8 Prozent auf 7,86 Milliarden Euro.

    In Deutschland gibt es 1892 dm-Märkte, in denen täglich etwa 1,8 Millionen Menschen einkaufen, je Filiale sind es 1000 Kunden. In elf weiteren Ländern Europas gibt es 1572 Filialen.

    Für dm arbeiten in zwölf europäischen Ländern 59 046 Beschäftigte, in Deutschland 39 906.

    Die Kette steht für moderne Läden, niedrige Preise und glückliche Mitarbeiter. Bei Umfragen räumt der Konzern auch in der Kundenzufriedenheit Bestnoten ab – zuletzt beim „Kundenmonitor Deutschland“.

    Priorität hat bei dm eindeutig der Verkauf in der Filiale. Das Onlinegeschäft macht bisher nur einen Bruchteil am Umsatz aus. Nun will die Kette aber 1500 Produkte exklusiv im Onlinehandel anbieten.

    Allein in Deutschland investierte dm 175 Millionen Euro in Digitalisierung, in 67 neue Märkte und die Renovierung alter Filialen. Die Zentrale in Karlsruhe bekam einen Neubau und westlich von Berlin ist ein neues Verteilzentrum geplant.

    dm reklamiert für sich, nur das anzubieten, was zur Schönheit, Pflege und Gesundheit beiträgt. Anders als andere Märkte verkauft dm keinen Tabak, keinen Alkohol und kaum Süßigkeiten. (zian)

    Götz Werner wirbt seit Jahren für seine Ideen

    Werner ist Visionär und Anthroposoph – und das als Unternehmer. Dass er an das Gute im Menschen glaubt, zeigte er jahrelang als Geschäftsführer seines Drogerie-Imperiums. Statt auf starke Hierarchien setzte er früh auf die Freiheit und Kreativität der Mitarbeiter und erreichte hohe Werte in der Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit.

    Wie positiv das Menschenbild des dm-Gründers wirklich ist, wird deutlich, als er sich öffentlich für das bedingungslose Grundeinkommen starkmacht. Seit 2005 legt er seine Vision in Vorträgen, Talkshows und als Buchautor dar und appelliert an Selbstgestaltungskraft und Eigenverantwortung der Bürger. Wie stark die Gesellschaft auf seine Ideen reagiert, habe ihn selbst überrascht, sagt Werner. Motiviert von der großen Resonanz habe er sich dann sogar aus dem Geschäft zurückgezogen, um sich gänzlich der Verbreitung der revolutionären Idee zu widmen.

    dm-Gründer gibt sich als Visionär

    Viele nehmen Werner als Vordenker und Kämpfer wahr, aber keineswegs als fanatisch. Auch im Dialog mit den Augsburgern zeichnet ihn Geduld aus. Immer wieder erklärt er sich und seine Denkweisen und stellt sein Konzept gern zur Diskussion. Er versteht sich weder als Wanderprediger noch als Heilslehrer. Anstatt Antworten zu liefern, will er Fragen auslösen und einen Denkprozess in Gang bringen. In der Argumentation stützt sich Werner auf Dichter wie Goethe oder Schiller. Auch auf das Grundgesetz beruft er sich, um seine Thesen zu manifestieren. Die Verfassung sei der Gesellschaft weit voraus, sagt Werner, genauso wie die Idee des Grundeinkommens. „Es ist ein Denkproblem, wir müssen einen Bewusstseinswandel vollziehen.“ Wann der eintritt, vermag Werner nicht zu sagen. Für den Visionär kein Problem: „Utopien brauchen immer etwas länger, bis sie sich durchsetzen.“

    Beharrlich will  er weiterdenken, Gedanken aber ruhig und sachlich weitergeben. Vor allem verkörpert er seine Ideen auch. Der Multimillionär spricht von einem bescheidenen, menschenwürdigen Leben und steigt nach dem Vortrag in die Straßenbahn. Einen anthroposophischen Blick behält er, wenn es um seine Kinder geht. Als Werner seine Unternehmensanteile 2010 abgab, bedachte er nicht etwa seine Kinder. Sie seien mit einer guten Ausbildung versorgt, sagt Werner. Die Anteile hat er an seine Stiftung übereignet. Geld belaste ohnehin nur, sagt er.

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