Ein kühler Kopf und starke Nerven schaden nicht, wenn man am Aktienmarkt investiert. Besonders deutlich ist dies im vergangenen Jahr geworden. „Für Aktien war das Jahr 2020 ein Jahr der Extreme“, sagt Chris-Oliver Schickentanz, Chefanlagestratege der Commerzbank. Der deutsche Leitindex Dax war noch Anfang des Jahres auf einen Höchststand gestiegen, doch mit der sich zuspitzenden Corona-Krise stürzten die Börsen ab.
Im März markierte der Dax ein Tief bei 8441,71 Punkten. Danach machte er rund zwei Drittel der Verluste wieder wett. Im Dezember erreichte er neue Rekorde und beendete das Jahr mit 13718,78 Punkten – ein Jahresplus von rund 3,5 Prozent. Wie geht es 2021 weiter?
Börsenkurse: Ein Kursfeuerwerk mitten in der Krise
Die Analysten der Banken sind optimistisch. Die Corona-Krise hält das Land zwar weiter fest im Griff, doch die Aktienmärkte scheint das kaum zu kümmern. Sie gehen auf Rekordjagd. Wie passt dies zusammen? Einer der Hauptgründe zur Lösung dieses Rätsels ist die Überzeugung unter den Anlegern, dass die Pandemie 2021 in den Griff zu bekommen ist. „Mitten im Lockdown zündete ein Börsenfeuer, dazu trug der medienwirksame Beginn der Corona-Impfungen bei“, sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka-Bank.
Das Thema Corona werde uns leider auch das ganze kommende Jahr beschäftigen, sagt auch Lothar Behrens, Chef der Augsburger Aktienbank. „Doch mit der Zulassung der ersten Impfstoffe zeigt sich ein Licht am Ende des Tunnels.“ Die Börsen spiegeln diese Erwartungen mit Blick auf die Zukunft wider. „Börsianer schauen stets nach vorne und nicht zurück“, sagt Behrens. „Sie haben die Corona-Pandemie fast abgehakt.“
Zwei weitere Ereignisse haben den Aktienmärkten am Jahresende Schub gegeben. In den USA hat US-Präsident Trump den Widerstand gegen ein Corona-Hilfspaket aufgegeben, sodass dort 900 Milliarden US-Dollar in die Wirtschaft fließen können. Dazu kommt, dass die EU und Großbritannien mit ihrer Einigung einen Chaos-Brexit abgewendet haben. Nun blicken die Fachleute optimistisch auf die Aktienmärkte: „Der Dax dürfte im Jahresverlauf 2021 ein neues Allzeithoch markieren“, prognostiziert Commerzbank-Experte Schickentanz.
Die Deutsche Bank, das genossenschaftliche Spitzeninstitut DZ-Bank und auch die Helaba trauen dem deutschen Aktienindex in ihren Prognosen in diesem Jahr rund 14.000 Punkte zu. Dem Dax steht außerdem eine Reform ins Haus. „Gut möglich, dass wir im Dax die Marke von 14000 Punkten sehr bald hinter uns lassen und Kurs auf die 15.000 nehmen“, meint auch Aktienbank-Chef Behrens. „Dann werden aber bereits 40 Unternehmen statt den bisherigen 30 in diesem Index vertreten sein“, fügt er an.
Ist das Virus erst besiegt, gehen Experten von einer schnelle wirtschaftlichen Erholung aus
Aber war da nicht etwas? Sind wir nicht inmitten einer Wirtschaftskrise? Ja, die Fachleute rechnen aber damit, dass das Wachstum bald zurückkommt. Noch ist die zweite Corona-Welle voll im Gang, sagt Commerzbank-Experte Schickentanz. Sie werde die wirtschaftliche Erholung im ersten Quartal 2021 spürbar bremsen. Ist das Virus erst besiegt, geht man bei der DZ-Bank von einer schnellen Erholung aus, auch der Konsum könnte bald anziehen.
Urlaubsreisen, Konzertbesuche, der Kauf eines Autos, all dies könnte dann nachgeholt werden. „Das Jahr 2021 wird getragen sein von einem regelrechten Post-Corona-Boom“, sagte Chefvolkswirt Stefan Bielmeier von der DZ-Bank. Sein Institut erwartet, dass die deutsche Wirtschaft nach dem Einbruch 2020 in diesem Jahr wieder um 3 Prozent wächst, China gar um 8 Prozent. Bei der Deutschen Bank geht man gleich von einem starken „Comeback der Weltwirtschaft“ aus. Diese könnte 2021 um 5,2 Prozent zulegen, prognostiziert die Deutsche Bank – „das wäre der stärkste Anstieg seit Jahrzehnten“.
Dazu kommt als Börsen-Koffein die lockere Geldpolitik der Zentralbanken. Die Leitzinsen sind weltweit weiterhin niedrig. Manche Experten rechnen bereits mit einem Jahrzehnt des Nullzinses. Für hohe Summen auf den Konten verlangen viele Banken in Deutschland inzwischen Strafzinsen. Betroffene Anleger fragen sich da, ob sie ihr Geld besser nicht an anderer Stelle investieren.
Dazu bringen die Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank mehr Geld in den Umlauf. Auch der Verkäufer einer Anleihe muss seine Einnahmen an anderer Stelle unterbringen. „Es drückt derzeit eine riesige Liquidität in den Markt“, sagt Aktienbank-Chef Behrens. Sprich: viel Geld. Ein großer Teil davon landet zum Beispiel in Immobilien oder an der Börse und treibt die Preise und Kurse.
Anlagenotstand und politische Stabilität treiben die Börsenkurse
Politisch ist aus Sicht der Finanzexperten zudem vieles geklärt. Unsicherheiten, die bisher den Markt belasteten, haben sich aufgelöst. Dies trifft neben dem Brexit auch auf die US-Wahl zu. Trump könnte bald Geschichte sein, vom neuen US-Präsidenten Joe Biden erhoffen sich die Experten weniger böse Überraschungen.
Die anstehende Bundestagswahl im Herbst ist auch einen Blick wert, erklärt Marko Behring, Leiter Asset Management der Fürst-Fugger-Privatbank. „Für die Bundestagswahl wird viel davon abhängen, ob die Union ihren Rückenwind aus der Corona-Krise mitnehmen kann“, meint er. „Bleibt sie deutlich stärkste Kraft, dürfte auch der wirtschaftspolitische Kurs der Regierung im Wesentlichen beibehalten werden.“
Hoffnung auf Wirtschaftswachstum, Anlagenotstand, dazu politische Stabilität – für die Börsianer ein guter Mix für steigende Kurse, wenn nicht gar für Euphorie. „Nach dem Einbruch im März 2020 hat mit der Erholung ein neuer Bullenmarkt begonnen“, meinte unlängst DZ-Bank-Experte Christian Kahler. „Nach einem Einbruch geht es typischerweise viele Jahre bergauf, ein Bullenmarkt läuft acht bis neun Jahre, im Idealfall wird es mit dem Dax hochgehen auf 22.000 Punkte“, sagte er in einer Telefonkonferenz.
Krise als Brandbeschleuniger für einige Branchen
Das heißt aber längst nicht, dass alles boomt. Noch ist Corona nicht besiegt. Es werden auch nicht alle Branchen zu alter Stärke zurückfinden. „So erwarten wir, dass die Zahl der Insolvenzen in den Bereichen Tourismus, Kultur und Veranstaltungen sowie Gastronomie in den kommenden Monaten deutlich steigen wird“, sagt Commerzbank-Experte Schickentanz.
„Für einige Branchen war die Pandemie so etwas wie ein Brandbeschleuniger“, meint auch Aktienbank-Chef Behrens. „Die Digitalisierung, ein verändertes Einkaufsverhalten, weniger Geschäftsreisen und mehr Homeoffice werden auch nach Corona nicht zu stoppen sein. Insofern wird es Gewinner und Verlierer der Krise geben.“ Was heißt dies alles für den Anleger?
„An Wertpapieren führt kein Weg vorbei“, meint Schickentanz. Einige Papiere, beispielsweise Wasserstoffaktien, könnten aber bereits „aberwitzig“ bewertet sein, warnt Marko Behring von der Fürst-Fugger-Privatbank. Er sieht Chancen am britischen Markt oder beim Thema Nachhaltigkeit.
Viele Anleger setzen auf Fonds
Bei der Deutschen Bank wiederum geht man davon aus, dass sich Sektoren gut entwickeln, die in der Corona-Krise stark unter Druck gerieten. Dazu zählten Branchen wir Tourismus, Banken, Grundstoffe, Industrie und Automobil. Letztlich kommt es wohl darauf an, nicht zu viel Geld auf ein Papier zu setzen. Viele Anleger hatten im Jahr 2020 die Börse für sich entdeckt und auf Fonds gesetzt, die viele Aktien in einem Korb vereinen.
„Eine breite Streuung und die zeitliche Verteilung der Investments dürften auch dieses Jahr wieder der Schlüssel zum Erfolg an der Börse sein“, sagt Aktienbank-Chef Behrens. „Mit hohen Schwankungen ist auf jeden Fall zu rechnen, letztlich geht es aber weiter aufwärts mit den Kursen.“
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