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Gaskrise: Nord Stream 1 wird gewartet – auch aus anderen Pipelines kommt kein russisches Gas

Gaskrise

Nord Stream 1 wird gewartet – auch aus anderen Pipelines kommt kein russisches Gas

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    Die Erdgas-Pipeline Nord Stream 1 wird derzeit gewartet. Währenddessen wird kein russisches Gas geliefert. Auch durch andere Pipelines kommt aktuell kein russisches Gas ins Land.
    Die Erdgas-Pipeline Nord Stream 1 wird derzeit gewartet. Währenddessen wird kein russisches Gas geliefert. Auch durch andere Pipelines kommt aktuell kein russisches Gas ins Land. Foto: Jens Büttner, dpa

    Nord Stream 1 fördert seit 11. Juli kein Gas mehr. Die Wartung der Pipeline war angekündigt, sie findet jedes Jahr im Sommer statt und dauert in der Regel zehn Tage. Es gibt Befürchtungen, dass Russland den Hahn nicht wieder aufdreht – doch erst einmal ist der Lieferstopp normal. Und Nord Stream 1 ist die größte, aber nicht die einzige Pipeline, die Gas aus Russland nach Deutschland pumpen kann. Die wichtigsten anderen Importpunkte sind Mallnow in Brandenburg und Waidhaus in der Oberpfalz. Doch auch dort kommt momentan kein Gas an.

    In Mallnow mündet die Jamal-Pipeline, die von Sibirien aus durch Belarus und Polen führt. Der russische Staatskonzern Gazprom hat aber Mitte Mai mitgeteilt, wegen Kreml-Sanktionen gegen den Betreiber der Pipeline werde man die Röhre nicht mehr nutzen. Anders sah es zuletzt in Waidhaus aus. Hier kam täglich immer etwa ein Drittel der Menge dessen an, was Nord Stream 1 nach Greifswald lieferte.

    Auch in Waidhaus in Oberfranken kam Gas aus der Nord-Stream-1-Pipeline an

    In Waidhaus mündet die Transgas-Pipeline, die russisches Gas unter anderem über die Ukraine in den Westen führt. Doch auch in Waidhaus liegt der Import seit 11. Juli bei null. Die Bundesnetzagentur teilt auf Nachfrage mit, dass die Behörde "über die Gründe der Höhe von Gasflüssen an den Grenzübergangspunkten" keine Auskunft geben könne, da müsse man die Betreiber fragen. Denn die Herkunft des Erdgases sei "nicht an jedem Grenzübergangspunkt eindeutig identifizierbar".

    Warum der Import in Waidhaus eingebrochen ist, erklärt stattdessen Detlef Fischer, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW):"In Waidhaus kam auch Gas aus Nord Stream 1 an." Das Gasnetz in Europa ist verzweigt, neben den größten Pipelines gibt es kleinere, die Knotenpunkte verbinden. "Ein gutes Netz, wenn es denn mit Gaslieferungen bespeist wird", sagt Fischer. Das Gas, das zuletzt in Waidhaus ankam, kam aus der Pipeline Gazelle, die durch Tschechien führt. Und die hatte sich aus dem Gas gespeist, das in Greifwald ankam. Auch in Oberfranken kam also Nord-Stream-Gas an – und auch hier fehlt es nun wegen der Wartung.

    Das bestätigt Timm Kehler, Vorstand des Branchenverbands "Zukunft Gas". Über die Daten, die der Verband Europäischer Fernleitungsnetzbetreiber für Gas veröffentlicht, können Expertinnen und Experten nachvollziehen, welchen Weg es durch das stark verzweigte Pipeline-Netz nimmt. Und wie Kehler erklärt, zeigen diese Daten auch: "Die Trasse durch die Ukraine ist aktuell nur zu etwa zehn Prozent ausgelastet." Und das wenige Gas, das durch die Ukraine fließt, landet nicht in Deutschland. Kehler erklärt, dass die Lieferungen aktuell über die Slowakei nach Österreich geführt werden. "Dort wird das Gas zum Teil eingespeichert und zum Teil weiter nach Italien geleitet." So funktionierten die Mechanismen des europäischen Gasmarktes – durch den aktiven Handel werde das Gas effizient verteilt und Ungleichgewichte in der Versorgung ausgeglichen. Aktuell bedeutet das: In Deutschland kommt nahezu kein Gas aus dieser Richtung an.

    Bisher lieferte Russland während der Nord-Stream-Wartung mehr Gas durch andere Pipelines

    Das müsste nicht so sein, betont Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): "Wenn Russland mehr Gas liefern wollte, könnte es dies tun."

    In der Vergangenheit habe Russland, wenn Nord Stream 1 gewartet wurde, die Exportmengen über die ukrainische und über die polnische Leitung erhöht. Auch jetzt habe Russland eigentlich angekündigt, es werde mehr Gas durch die Transgas-Pipeline pumpen. "Aber es ist kaum eine Steigerung zu verzeichnen, zumindest nicht nach Deutschland", so Kemfert. "Es sind also politische Gründe, die Russland dazu veranlassen, kein Gas mehr nach Deutschland zu liefern."

    Fischer vom VBEW verweist aber darauf, dass die Gasversorgung aktuell gewährleistet sei. Deutschland bekommt auch Gas aus anderen Quellen, in erster Linie aus Norwegen und den Niederlanden. "Obwohl kein Gas durch Nord Stream 1 kommt, sind die Füllstände der Gasspeicher in ihrer Gesamtheit stabil", sagt Fischer. Er räumt aber auch ein: "Das ist natürlich dem geschuldet, dass Sommer ist.“ Die privaten Haushalte benötigen aktuell nur etwa ein Fünftel der Gasmenge, die in der Heizperiode notwendig wird.

    Claudia Kemfert erklärt, wie sich eine Gasmangellage vermeiden lässt

    Und was, wenn der Gasfluss aus Russland nun wirklich versiegt? Claudia Kemfert vom DIW erklärt, dass sich auch dann noch eine Gasmangellage vermeiden lasse. Dafür müssten aber vier Dinge erfüllt sein: Die Gasimporte aus anderen Quellen müssten weiter ausgeweitet werden, man könne etwa Flüssigerdgas über die LNG-Terminals von Nachbarländern beziehen. Das sei nötig für Voraussetzung zwei: Die Gasspeicher müssten bis zum Winter möglichst voll sein. Drittens müsse mehr gespart werden, so Kemfert. Und die vierte Voraussetzung sei, den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen.

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