Die Versorgung von 35 Millionen Tieren könnte durch den Krieg in der Ukraine und dessen Folgen gefährdet werden. Das würde 47 Prozent aller Haushalte in Deutschland betreffen. Davor zumindest warnen die Inhaberinnen und Inhaber verschiedener großer Zoohandlungen in einem offenen Brief an das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Zudem weisen die Händlerinnen und Händler darauf hin, dass Lebensmittel, die die Tiere verbrauchen, dann dem Markt für Menschen fehlen.
Das liegt nicht etwa daran, dass kein Getreide aus der Ukraine kommt oder kein Fleisch mehr aus Russland. Vielmehr ist Gas notwendig, um Tierfutter zu produzieren. EU und Bundesregierung haben genaue Vorschriften, welche Bereiche bevorzugt werden, wenn Gas rationiert werden muss, weil in Deutschland nicht mehr genug ankommt, sagt Detlev Nolte, Pressesprecher des Industrieverbandes Heimtierbedarf. Dann seien zuerst die systemrelevanten Industrien wie die Lebensmittelindustrie oder die Energie-Sparte an der Reihe. „Aber das Heimtierfutter ist derzeit nicht dabei, und die Branche befürchtet, hintanzustehen“, sagt Nolte. Futtermittel für Nutztiere sind dagegen systemrelevant.
Bei der Produktion von Futter für Hund, Katze und andere Tiere wird viel Gas verwendet, das Futter muss hoch erhitzt werden und steril sein. Die Firmen können unter anderem wegen der rechtlichen Vorgaben zur Produktion kein Gas einsparen, so Nolte. Deswegen würde bei einer Minderversorgung dieser Branche weniger Futter hergestellt. Dass Hundehalter oder Katzenbesitzerinnen auf einmal vor leeren Regalen stehen, wird laut Nolte nicht der Fall sein. Die Unternehmen haben im Voraus produziert. Allerdings werden diese Vorräte nicht auf unbestimmte Zeit ausreichen. Trotzdem solle Futter nicht gehortet werden, so Nolte.
Tierfuttermangel: Ernährung mit Lebensmitteln für Menschen ist nicht artgerecht
Die Unternehmen sehen besonders die artgerechte Versorgung der Tiere in Gefahr. Sie befürchten, dass Besitzerinnen und Besitzer Menschennahrung an die Tiere verfüttern könnten. Das wäre nicht artgerecht, heißt es in dem offenen Brief, den verschiedene Zoohandlungen geschrieben haben. Nicht nur würde das Essen dann dem Markt für Menschen fehlen. Tiere könnten auch „teilweise akut lebensgefährdende Schäden“ erleiden, außerdem seien manche aufgrund ihres Alters oder wegen Allergien und Krankheiten auf Spezialnahrung angewiesen.
Deutschlands Versorgungsmöglichkeiten mit Fleisch sind deutlich geringer als die anderer Länder wie beispielsweise Dänemark. Wenn Haustiere mit Schweine- und Rindfleisch versorgt werden, das eigentlich für Menschen gedacht ist, drohe ein Engpass bei der Versorgung der Bevölkerung. Mit anderen Lebensmitteln sei das nicht auszugleichen, heißt es in dem Brief, der unserer Redaktion vorliegt. Weder bei Kartoffeln, Weizen, Obst oder Gemüse gebe es in Deutschland eine Überproduktion, mit der sich das fehlende Fleisch auffangen ließe.
Landwirtschaftsministerium beschreibt die Lage als gesichert, aber ernst
Deswegen bitten die Firmen darum, als kritische Infrastruktur eingeordnet zu werden, wie es schon in der Corona-Pandemie der Fall war. Johannes Steegmann ist Geschäftsführer von Fressnapf. Das Unternehmen gehört zu denen, die den offenen Brief geschrieben haben. Er sagt: „Steht die Produktion in Deutschland still, hat der gesamte Markt ein Versorgungsproblem. Denn die Waren lassen sich nicht beliebig von überall her beschaffen, sondern unterliegen gesetzlichen Bestimmungen in Fragen von Qualität und Produktion.“
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft beschreibt die Lage in seinem Antwortschreiben als sehr angespannt, aber gesichert. Frühzeitig habe man sich an das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gewandt. So wollte man sicherstellen, dass sich die Bundesnetzagentur rechtzeitig mit der kritischen Infrastruktur im Ernährungsbereich sowie dem Tierschutz beschäftigt. Es werde derzeit keine Priorisierungsreihenfolge der Gasverbraucher aufgestellt. Dies werde der Komplexität der Entscheidungsprozesse nicht gerecht, wäre auch nicht dafür geeignet, erklärt das BMEL weiter.