In einer Woche startet in München die Fußball-Europameisterschaft der Männer. Europa zu Gast bei Freunden – klingt wie eine gute Aussicht für die krisengebeutelte Hotel- und Gastrobranche. Doch die ist bislang wenig euphorisch. Eine Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) zeigt, dass nur 15 Prozent aller Hotels und Gaststätten glauben, dass sich ihre Umsätze durch die EM verbessern. Ein Blick in die Vergangenheit des Münchner Ifo-Instituts zeichnet ein ähnliches Bild: Fußball-Welt- und Europameisterschaften hatten die Stimmung in der deutschen Wirtschaft kaum verbessert. In den zehn Austragungsorten ist die Stimmung besser: Dort schätzen 39 Prozent der Betriebe, dass ihnen das Großereignis mehr Geld in die Kassen spült.
Thomas Geppert, Geschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes, blickt dennoch zuversichtlich auf den Fußball-monat. Er rechnet damit, dass die Fußballbegeisterung im Laufe der EM wachse und dann die ganze Branche profitiere: "Wenn das Wetter besser wird und die Nationalmannschaft gut spielt – und davon gehe ich aus –, zieht die Begeisterung der Menschen an", schätzt er.
In der Gastwirtschaft fehlen immer noch 100.000 Fachkräfte
Zur fehlenden Euphorie kommt in der Gastronomie dieses Jahr auch noch das fehlende Personal. Während der Coronapandemie verließen 330.000 Menschen das Gastgewerbe, und einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung nach fehlten Ende 2023 immer noch 100.000 Fachkräfte. Mancherorts hat das spürbare Auswirkungen und Gaststätten haben etwa ihre Öffnungszeiten eingeschränkt. Ein Problem für das Public Viewing im Biergarten? Nein, sagt Geppert: "Wir sind gut vorbereitet und haben ausreichend Personal."
Mustafa Öz, Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung, Genuss und Gaststätten (NGG) in Bayern, sieht das anders. Er sagt: "Die EM ist eine Mehrbelastung für die Stammbelegschaft." Die müsse finanziell ausgeglichen werden. Damit ist er bei einer zweiten Belastungsprobe für die Gastronomie: Die NGG und der bayerische Hotel- und Gaststättenverband streiten derzeit über einen Tarifvertrag. Die NGG fordert 14,5 Prozent mehr Lohn – und Zuschläge für alle, die an Wochenenden oder nachts arbeiten. "Die Fachkräfte in der Gastronomie verdienen 2700 Euro brutto, das bekommen andere Menschen netto", sagt Öz.
Drohen Streiks in der Gastronomie zur EM?
Thomas Geppert sagt: Schon in den letzten Tarifverhandlungen seien große Schritte gemacht worden. Die Leute verdienten gut und die Belastung für Gastronomie und Hotellerie sei durch Inflation, gestiegene Energiekosten und den höheren Mehrwertsteuersatz hoch. Es sei vielmehr an der Politik, die Steuern zu reformieren, damit Angestellten mehr Netto vom Brutto bliebe.
Dementsprechend erfolglos verlief die erste Runde der Tarifverhandlung. Nun liegt ein Angebot der Arbeitgeber auf dem Tisch, zu dem sich beide Parteien noch nicht äußern möchten. Öz sagt: "Wir möchten uns vor der EM einigen." Und wenn nicht? Dann schließt er einen Streik nicht aus. Geppert blickt dem gelassen entgegen: "Bei der NGG sind zu wenige Menschen organisiert, als dass ein Streik die EM gefährden könnte."
Unterdessen ist ein anderer Konflikt ausgeräumt. Anfang Mai hatte die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) noch angekündigt, die EM zu boykottieren, sollte die Bahn kein besseres Konzept zum Schutz der Mitarbeitenden vorlegen. Nun sagt der bayerische EVG-Landeschef Dirk Richter: "Wir können feststellen, dass sich die Deutsche Bahn bemüht hat, die Leute zu schützen. Ein Teil unserer Forderungen – etwa eine Doppelbesetzung der Schichten – wird schon umgesetzt." In Richtung der Bahn mahnt er allerdings: Sollten sich Mitarbeiter während der EM zu ihrem eigenen Schutz entscheiden, Züge stehen zu lassen oder andere Sicherheitsmaßnahmen zu treffen, "darf das keine Konsequenzen für die Mitarbeitenden haben. Es darf keine Repressalien geben."