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Frühjahrsgutachten: Streit um Veronika Grimm bei den Wirtschaftsweisen

Güterverkehr

Wirtschaftsweise streiten um Wasserstoff-Infrastruktur für Lastwagen

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    Die Mitglieder des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung – von links: Martin Werding, Achim Truger, Ulrike Malmendier, Veronika Grimm und die Vorsitzende Monika Schnitzer – werden umgangssprachlich auch "Wirtschaftsweise" genannt.
    Die Mitglieder des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung – von links: Martin Werding, Achim Truger, Ulrike Malmendier, Veronika Grimm und die Vorsitzende Monika Schnitzer – werden umgangssprachlich auch "Wirtschaftsweise" genannt. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Der Spielraum der Bundesregierung für Investitionen wird kleiner. Entsprechend müssen Ausgaben künftig stärker priorisiert werden, das stellen die Wirtschaftsweisen in ihrem am Mittwoch vorgestellten Frühjahrsgutachten fest. Die Frage, was der Staat sich künftig noch leisten kann, schafft aber auch Unsicherheit in der Wirtschaft und bremst damit die Konjunktur, sagt Ratsmitglied Achim Truger bei der Vorstellung der Untersuchung in Berlin. 

    Die knappen Kassen spiegeln sich auch wider in der Diskussion um ein Sondergutachten, das die Wirtschaftsweisen erstmals zusätzlich vorgelegt haben. Das beschäftigt sich mit der Dekarbonisierung des Güterverkehrs – und hat für ziemlich dicke Luft gesorgt. Die Nürnberger Energieexpertin Veronika Grimm wollte sich der Meinung ihrer vier Ratskollegen nicht anschließen und hat ein Minderheitenvotum zu diesem Sondergutachten verfasst.

    "Angesichts knapper öffentlicher Mittel und Planungskapazitäten sollte der Aufbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur für batterieelektrische Lkw priorisiert werden", raten die Wirtschaftsweisen. Die Einsatzmöglichkeiten dieser Lastwagen habe sich aufgrund technologischer Entwicklungssprünge deutlich erweitert. Andere emissionsarme Antriebe hätten nicht dieselbe Marktreife.

    Monika Schnitzer warnt vor einer Überforderung

    Der parallele Aufbau einer Tankinfrastruktur für Wasserstoff drohe das Land zu überfordern, da dies kaum ohne staatliche Unterstützung zu bewerkstelligen wäre. Zudem sei es zweifelhaft, ob in Zukunft genug grüner Wasserstoff zur Verfügung stehe, da der begehrte Stoff auch in der Industrie dringend gebraucht werde.

    Grimm zweifelt an, dass der nötige Stromnetzausbau für ein Ladenetz für Lkw zu stemmen ist. Zudem gehöre Deutschland bei der Wasserstofftechnologie zu den Technologieführern. Dieser Vorsprung könne aber schnell schrumpfen, wenn die Technik nicht in die Anwendung komme. "Wir brauchen auf Dauer beide Technologien", betont Grimm.

    Die Fahrerkabine eines LKW wurde nach vorne gekippt, wodurch Wasserstofftanks dahinter sichtbar sind.
    Die Fahrerkabine eines LKW wurde nach vorne gekippt, wodurch Wasserstofftanks dahinter sichtbar sind. Foto: Julian Rettig, dpa

    Dass die Wirtschaftsweisen nicht immer einer Meinung sind, ist nicht ungewöhnlich. Auch in der Vergangenheit hat es Minderheitsvoten gegeben. Doch der aktuelle Fall hat eine Vorgeschichte. Grimm trat vor einigen Monaten ein Aufsichtsratsmandat bei Siemens Energy an. In der Folge wurde ihre Unabhängigkeit auch innerhalb des Rates infrage gestellt. Grimm betonte aber stets, sich an alle Gesetze zu halten und lehnte es ab, aus dem Gremium zurückzutreten.

    MAN Bus & Trucks will 2025 die ersten Wasserstoff-Laster ausliefern

    Diese Diskussion flammt nun mit dem Sondergutachten wieder auf. Dass Grimm in dieser Frage eine abweichende Meinung vertritt, war bekannt. Dennoch entschied der Rat laut Aussage der Vorsitzenden Monika Schnitzer im vergangenen Sommer, das Sondergutachten zu diesem Thema zu erstellen. Damit riskierte man, das Bild der Zerstrittenheit weiter zu verstärken. Fragen nach der Relevanz des Rates waren zuletzt wieder lauter geworden. Tatsache ist aber auch, dass Siemens Energy in der Wasserstofftechnik ein zukünftiges Geschäftsfeld sieht. 

    In der Autoindustrie sind die Meinungen zum batterieelektrischen Schwerlastverkehr geteilt. Daimler Truck, der größte Lkw-Bauer der Welt, entwickelt beide Technologien, Batterie und Brennstoffzelle. Nur auf elektrische Antriebe zu setzen, sei gefährlich, erklärt das Unternehmen auf seiner Homepage: "Wenn sich die Zahl der elektrischen Pkw, Lkw und Busse auch nur annähernd so rasant entwickelt, wie wir alle das im Sinne der Nachhaltigkeit erhoffen, würden Batterien die Strom-Infrastruktur höchstwahrscheinlich überfordern." Auch Volvo und Hyundai arbeiten intensiv an der Serienreife ihrer Wasserstoff-Lkw. 

    Traton setzt dagegen ganz auf den Batterieantrieb, da er energieeffizienter sei und die Konkurrenz um Wasserstoff hoch. MAN Bus & Trucks will noch 2025 eine Kleinserie von 200 Wasserstoff-Verbrenner-Trucks ausliefern. Der Fokus liege aber auf batterieelektrischen Fahrzeugen, heißt es.

    Beinahe untergegangen bei dem auf offener Bühne ausgetragenen Streit ist eine andere Forderung des Rates: Um Geld für die Modernisierung der Infrastruktur zu mobilisieren, empfehlen die Wirtschaftsweisen die Einführung einer fahrleistungsabhängigen Pkw-Maut.

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