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Frankreich: Frankreichs Staatsverschuldung wird im Wahlkampf ausgeblendet

Frankreich

Frankreichs Staatsverschuldung wird im Wahlkampf ausgeblendet

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    Die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen und der konservative Politiker Eric Ciotti haben sich für die Parlamentswahl verbündet.
    Die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen und der konservative Politiker Eric Ciotti haben sich für die Parlamentswahl verbündet. Foto: Christophe Ena, dpa

    Der Name von Emmanuel Macron steht am Sonntag gar nicht auf dem Stimmzettel. Dennoch schwebt der Schatten des bei den Franzosen mittlerweile ziemlich unbeliebten Präsidenten über allem bei der Parlamentswahl. Seine Regierung hat durchaus Erfolge vorzuweisen, erklärt Emmanuelle Auriol, Wirtschaftswissenschaftlerin an der Toulouse School of Economics. Macron habe für ein unternehmerfreundlicheres Klima gesorgt, mit Reformen des Arbeitsrechts, der Renten- und der Arbeitslosenversicherung die Wirtschaft angekurbelt und die notorisch hohe Arbeitslosigkeit gesenkt.

    "Doch im Laufe seiner ersten Amtszeit sagte er sich von Budgetzwängen los", so Auriol. Lange war das aufgrund der niedrigen Zinsen unproblematisch. Doch das hat sich geändert. Die EU-Kommission hat jüngst ein Defizitverfahren gegen sieben europäische Länder eingeleitet, darunter Frankreich. Macron, der frühere Investmentbanker, der zu seiner Zeit als Finanzminister noch als "Mozart der Finanzen" bejubelt wurde, hat einen Rekord-Schuldenberg zu verantworten. Die Schuldenquote liegt mittlerweile bei 111 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes. Auch die Neuverschuldung liegt bei über fünf Prozent. 

    Die Coronakrise hat Frankreich viel Geld gekostet

    Viel Geld kostete Frankreich die massive Unterstützung der Unternehmen und Haushalte während der Coronapandemie. Ökonomin Auriol hält die Maßnahmen weiterhin für klug, weil so eine Wirtschaftskrise verhindert werden konnte. Anders schätzt sie die allgemeine Energiepreisdeckelung ein, welche die Regierung noch vor Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine beschloss. "Doch der Aufstand der sogenannten Gelbwesten im Herbst 2018, ausgelöst durch eine geplante Steuererhöhung auf Diesel und Benzin, hat Macron geprägt. In der Folge erkaufte er sich den sozialen Frieden mit einer ausgabefreudigen Politik", sagt die Wirtschaftswissenschaftlerin. 

    In den Umfragen kommt Macrons Lager das heute trotzdem nicht zugute: Die französische Bevölkerung habe sehr hohe Erwartungen an den Sozialstaat. Dementsprechend umfassend seien die Versprechen des rechtsextremen RN und des Linksbündnisses. Auriol schätzt deren Wirtschaftsprogramme als "absolut populistisch und unrealistisch" ein. Beide Seiten versprechen eine Rücknahme der Rentenreform, die Rechten fordern eine Senkung der Mehrwertsteuer, die Linken das Einfrieren der Nahrungsmittel- und Energiepreise. Vorwürfe der Regierung, solche Pläne seien nicht umzusetzen, lassen sie nicht gelten. "Sie wollen uns jetzt also Lektionen erteilen?", fragte die Grünen-Chefin Marine Tondelier in Bezug auf Macrons schlechte Bilanz in Sachen Haushaltsdisziplin.

    Die Politik von Le Pens Partei ist schwer vorherzusehen

    Hohe Staatsverschuldung gelte in der öffentlichen Meinung nicht unbedingt als Problem. "An Warnungen der EU-Kommission ist man in Frankreich gewöhnt", so die Ökonomin. Heikler als das Verfahren der EU-Kommission seien die höheren Zinsen, die sich bei den Ausgaben bemerkbar machen. Ende Mai stufte die Ratingagentur S&P die französische Kreditwürdigkeit herab. Die Finanzmärkte reagierten nervös auf die überraschende Ankündigung von Neuwahlen im sonst politisch so stabilen Frankreich.

    Auch in Deutschland wird das Szenario eines möglichen Wahlsiegs extremer Kräfte und einer Haushaltskrise in Paris angespannt verfolgt. Daniel Lenz, Leiter Strategie Euro-Zinsmärkte bei der DZ-Bank, sieht dennoch zwei Punkte, die gegen eine sich anbahnende Eurokrise sprechen: "Frankreich ist nicht Italien: Das Wachstum ist stärker, die Wirtschaft breiter diversifiziert, die Gesamtverschuldung und die Zinsausgaben sind niedriger." Zudem zähle Frankreich zum "Herz der Eurozone". Die Anleger setzten darauf, dass Europa nicht wegsieht, sollte das Land in Schieflage geraten. Anders ausgedrückt: Frankreich ist viel zu groß, als dass seine Partner es pleitegehen lassen könnten. 

    Die Unsicherheit über den weiteren Kurs des Landes dürfte noch einige Zeit andauern. Selbst, wenn nach der zweiten Wahlrunde am 7. Juli die Mehrheitsverhältnisse geklärt sind, bleibt die Frage, wie viele ihrer Wahlversprechen die Parteien umsetzen. Das gilt auch für den rechtsextremen Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen. Für die Märkte ist die Partei bislang eine "Blackbox", wie DZ-Banker Lenz erklärt: "Es gibt keine Blaupause für die Wirtschaftspolitik rechtspopulistischer Regierungen. In Rom zeigt sich Giorgia Meloni bislang pragmatisch und kooperativ im Umgang mit der Wirtschaft und den europäischen Partnern. Der Wettbewerbsfähigkeit Italiens hat ihre Regierung bislang nicht geschadet. Viktor Orbán hat ausländische Investoren in Schlüsselsektoren dagegen klar benachteiligt, um politische Kontrolle auszuüben."

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