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Frankreich: Der Kaufhaus-Besuch in Paris als „Gesamt-Erlebnis“

Frankreich

Der Kaufhaus-Besuch in Paris als „Gesamt-Erlebnis“

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    Auch das Pariser Kaufhaus La Samaritaine, das im Juni nach grundlegenden Umbauten wieder öffnete, setzt auf hohe, luftige Räume mit viel Tageslicht.
    Auch das Pariser Kaufhaus La Samaritaine, das im Juni nach grundlegenden Umbauten wieder öffnete, setzt auf hohe, luftige Räume mit viel Tageslicht. Foto: Birgit Holzer

    Im „Siebten Himmel“ sollen die Kunden wie glücklich Verliebte schweben. Und so wirkt die Abteilung des Kaufhauses Printemps abgehoben von den sechs Etagen darunter. Hier erinnert nichts an Einkaufszentrum mit künstlicher Beleuchtung und massenweise ausgestellter Ware – eher an  ein schickes Mode-Atelier mit viel Sonne, die durch Glasscheiben fällt, und hohen Metallstäben, die den Raum strukturieren. Auf niedrigen Tischen aus Holz liegen einzelne Accessoires aus und überall im Raum verteilt hängen jeweils ein paar Mäntel und Blusen an schlichten Ständern. Bunte Puffs laden zum Hinsetzen ein. Alles wirkt luftig – weit entfernt das Gefühl der Enge in Kaufhäusern.

    Der Bereich „Siebter Himmel“ im Kaufhaus Printemps, der Ende September eröffnet wurde, ist der Second-Hand-Ware und dem Upcycling gewidmet – also der Mode aus aussortierten Materialien, die zu neuen Produkten gestaltet wurden. Die 1300 Quadratmeter im letzten Stock waren lange unzugänglich für den Publikumsverkehr. Jetzt führen sie auf eine Terrasse mit atemberaubendem Ausblick auf Frankreichs Hauptstadt.

    Der Trend geht zu nachhaltigerem Konsum

    Indem es neue Trends wie jenen zu einem nachhaltigeren Konsum aufgreift, versucht das 1865 gegründete Traditionskaufhaus mit seiner charakteristischen Jugendstil-Glaskuppel am Boulevard Haussmann in Paris, mehr jüngeres und lokales Publikum anzuziehen. Und vielleicht auch solches, das sich teure Luxusmarken nicht unbedingt leisten kann oder will. „Wir bemühen uns um ein vielfältigeres Angebot“, bestätigt die Generaldirektorin Laurence Nicolas. Deshalb gebe es neuerdings auch einen extra Bereich für Sportbekleidung und einen weiteren für Spiele. Die Zielgruppe ist klar: Nicht nur Touristen möchte man begeistern, sondern auch Menschen aus dem Ballungsraum

    Die große Konkurrentin nebenan, die Galeries Lafayette, geht ähnliche Wege: Im Bereich „Creative Galerie“, bieten Nachwuchs-Design-Talente ihre Schöpfungen an, wären Kunden auf „Instabrand“ Marken finden, die über das soziale Netzwerk Instagram bekannt geworden sind. 60 Prozent der Verkaufsfläche seien innerhalb eines Jahres umgestaltet worden, sagte Direktor Alexandre Liot der Zeitung Le Figaro. Kundinnen und Kunden will man künftig ein „Gesamt-Erlebnis“ anbieten. Es geht längst nicht nur um Einkaufen, es gibt Gelegenheit, gepflegt zu essen und zu trinken, eine Ausstellung oder einen Yoga-Kurs zu besuchen.

    Zur Adventszeit gab es vorweihnachtliches Spektakel

    In der Adventszeit sammelten sich dutzende Kinder mit ihren Eltern vor den Vitrinen, in denen aufwendig gestaltetes vorweihnachtliches Spektakel mit lebensgroßen Figuren, viel Glitzer und zahllosen Lichtern gezeigt wurde. Auch im Warenhaus Le Bon Marché setzt man schon länger verstärkt auf lokale Kundschaft, etwa mit Schönheits- und Schminktipps oder Aktionen wie der Begegnung mit Modeschöpfern.

    Den letzten Anstoß für neue Strategien der Pariser Shopping-Institutionen brachte die Coronavirus-Pandemie. Die Kaufhäuser litten nicht nur an monatelangen Schließungen während der Lockdowns, sondern auch an einem dramatischen Einbruch des Tourismus.

    Vollgepackte Kaufhäuser, das war früher. Institutionen wie Printemps oder Lafayette setzen auf übersichtliches Interieur, aber elegantes Design.
    Vollgepackte Kaufhäuser, das war früher. Institutionen wie Printemps oder Lafayette setzen auf übersichtliches Interieur, aber elegantes Design. Foto: Birgit Holzer

    Vor der Krise kam die Hälfte der Gäste der Galeries Lafayette aus dem Ausland, sehr viele von ihnen aus China. Die Asiaten, die sich früher am Boulevard Haussmann in großen Gruppen tummelten – wie die Busse, die an den Straßenrändern parkten – sind seit langem verschwunden. Tourismus-Experten glauben, dass die Chinesen nicht vor 2023 in größerer Zahl in die französische Hauptstadt zurückkehren werden. Für die Galeries Lafayette bedeutet das massive Verluste. Denn 2017 gab dort laut dem Pariser Amt für Tourismus jede Besucherin und jeder Besucher aus China im Schnitt 1400 Euro aus, um sich mit Luxus-Artikeln einzudecken.

    Die Abhängigkeit vom Tourismus soll verringert werden

    Um die Abhängigkeit von ausländischen Touristen zu verringern, wird nicht mehr nur purer, strahlender und preislich exklusiver Luxus angeboten – das ist auch im Kaufhaus La Samaritaine zu beobachten, das ebenfalls eine Pariser Institution mit langer Tradition ist und erst im Juni nach jahrelangen Arbeiten wieder eröffnete . Es gehört dem Milliardär Bernard Arnault, reichster Mann Frankreichs und Besitzer des Luxuskonzerns LVMH (Louis Vuitton Moët Hennessy). Zwar strahlen die Gebäude luxuriösen Glanz aus und haben etliche Marken von Gucci über Prada bis Saint Laurent im Repertoire. Doch im Erdgeschoss befinden sich auch Tische mit Souvenirs oder Geschenkideen für jedermann – mehr oder weniger. Denn für bedruckte Kissen oder feines Porzellan-Geschirr werden immer noch stolze Preise verlangt. Daran sind die Pariser allerdings gewöhnt.

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