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Flutkatastrophe: Muss jetzt die Pflicht zur Elementarschadenversicherung kommen?

Flutkatastrophe

Muss jetzt die Pflicht zur Elementarschadenversicherung kommen?

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    Die Überschwemmungen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen hinterlassen hohe Schäden. Nicht alle Hauseigentümer sind versichert.
    Die Überschwemmungen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen hinterlassen hohe Schäden. Nicht alle Hauseigentümer sind versichert. Foto: Thomas Frey, dpa (Symbolbild)

    In Küche und Wohnzimmer steht der Schlamm, manchen Häusern bleibt nur der Abriss. Nach den Überschwemmungen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz stehen Betroffene nicht nur vor den Trümmern ihrer Existenz, auch die bange Frage treibt sie um, wer für die Kosten aufkommt. Nur rund 46 Prozent der Haushalte in Deutschland sind gegen Schäden durch Hochwasser und Überschwemmungen versichert, berichtet die Verbraucherzentrale: Mit dem Argument „Wir wohnen doch gar nicht am Fluss“, wiegen sich Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer in falscher Sicherheit.

    Politiker wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann fordern deshalb eine verpflichtende Elementarschadenversicherung für alle Gebäudebesitzer. Doch der Vorstoß ist umstritten.

    Die Kosten für eine Elementarschadenversicherung variieren stark

    Schäden durch Sturm, Hagel oder Blitzschlag sind nach Angaben der Verbraucherzentrale durch die Gebäude- und Hausratsversicherung abgedeckt. Bei anderen Naturereignissen wie Überschwemmungen, Erdbeben oder Schneedruck sei dagegen eine Elementarschadenversicherung nötig. Diese gibt es meist als Zusatzpolice zur Gebäudeversicherung. Die Kosten hängen nach Angaben stark vom Wert des Hauses, der Bauart und Lage ab. Elementarschadenversicherungen gibt es bereits ab 6 Euro im Monat, das zeigen Angebote auf Verbraucherportalen. Es können aber auch 600 bis 1000 Euro im Jahr fällig werden, berichtet das Portal Kostencheck. Die Tarife könnten stark nach oben abweichen.

    Der Grund ist, dass manche Häuser gefährdeter sind als andere. Im sogenannten Zonierungssystem für Überschwemmungen, Rückstau und Starkregen, kurz ZÜRS, werden vier Risikoregionen unterschieden. In Klasse 1 sei statistisch gesehen nur alle 200 Jahre mit Hochwasser zu rechnen, in Klasse 4 einmal alle 10 Jahre. Nur 1,7 Prozent der Gebäude fallen in den Bereich mit hohem Risiko, erklärt die Verbraucherzentrale. Eigentümer eines Hauses in Risikoklasse 4 hätten aber nur dann Chance auf einen Elementarschutz, wenn sie „extrem hohe Versicherungsbeiträge“ zahlten. Einem Bericht des Spiegel zufolge sind viele Prämien aus Sicht der Versicherungswirtschaft trotzdem zu niedrig berechnet und müssten mindestens um zehn Prozent steigen.

    Ökonomen sind für eine Versicherungspflicht vor Elementarschäden

    Angesichts der großen Lücken im Versicherungsschutz fordern auch Ökonomen wie Professor Gert G. Wagner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung „endlich eine gesetzliche Pflicht zur Versicherung von Wohngebäuden gegen Naturgefahren“, wie er in der Zeit schreibt. Die Prämien sollten je nach Gefahrenlage und Vorsorge gestaffelt werden. So gebe es Anreize, sich zum Beispiel mit Rückschlagklappen am Abwasserabfluss gegen überflutete Keller zu wappnen. Wo die Versicherung in gefährdeten Lagen extrem teuer wird, könnte der Staat den Betroffenen mit Transfers unter die Arme greifen.

    Die Münchner Ökonomin Monika Schnitzer hält eine Versicherungspflicht für sinnvoll, um Fehlanreize zu beseitigen. Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer sollten nicht auf einen Versicherungsschutz verzichten, in der Hoffnung, dass im Katastrophenfall der Staat einspringt. Allerdings müsse die Höhe der Prämien auf die Höhe der Risiken abgestimmt sein: „Wessen Haus und Grund stärker gefährdet sind, sollte höhere Prämien zahlen.“

    Die deutsche Versicherungswirtschaft spricht sich trotz der Flutkatastrophe gegen eine Pflicht aus: „Eine Pflichtversicherung als singuläres Instrument gegen Elementarschäden lehnen wir ab“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft Jörg Asmussen unserer Redaktion. „Eine solche Pflicht nimmt Hausbesitzern und Unternehmen den Anreiz, gegen Flut- und andere Extremwetterrisiken vorzusorgen“, meint er. „Das könnte dazu führen, dass entweder für die Versicherungsnehmer die Prämien unbezahlbar hoch oder am Ende die Risiken für die Versicherer untragbar groß werden.“ Immerhin hält die Versicherungswirtschaft 99 Prozent aller Häuser für „problemlos versicherbar“.

    FDP-Fraktionsvize Thomae: Versicherer sollen zumindest ein Angebot machen müssen

    Der FDP-Fraktionsvize im Bundestag, Stephan Thomae, schließt eine Pflicht für Versicherer dagegen nicht aus, zumindest ein Angebot zu machen: „Wenn überhaupt kann für die Anbieter von Wohngebäudeversicherungen über eine Pflicht nachgedacht werden, eine Elementarversicherung anbieten zu müssen“, sagte Thomae unserer Redaktion. „Die Konditionen muss der Versicherer aber selbst festlegen können – angepasst nach Örtlichkeit und Risiko.“ Die Kosten können dementsprechend unterschiedlich ausfallen. Ob dann die Eigentümerin oder der Eigentümer der Immobilie die Versicherung annimmt, sollte ihr oder ihm überlassen bleiben: „Seitens der Eigentümer muss die Elementarversicherung aber freiwillig bleiben“, sagt Thomae.

    Bleibt das Problem, dass manche Häuser auch heute noch in gefährdeten Lagen gebaut werden, nahe an Bächen und Flüssen. Eine Pflichtversicherung, kann deshalb „nur als Teil eines Gesamtkonzepts funktionieren“, sagt Bianca Boss, Sprecherin des Bundes der Versicherten. Zur Vorsorge gehöre es auch, das Ausweisen von Baugebieten in gefährdeten Lagen strikter zu prüfen, das Bauen dort gegebenenfalls zu unterlassen oder die Abwassernetze besser für Starkregenereignisse zu rüsten. „Dies ist bislang nicht flächendeckend in ausreichendem Maße erfolgt“, sagt Boss. „Vor diesem Hintergrund kann eine isolierte Versicherungspflicht nicht flächendeckend funktionieren.“

    Ähnlich sieht es die Branche selbst: „Eine Pflichtversicherung kann nicht die Kosten der fehlenden Klimafolgenanpassung schultern“, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Asmussen. „Sie wäre allenfalls dann sinnvoll, wenn sie in ein neues Gesamtkonzept für Flächen- und Bauplanung sowie den Katastrophenschutz eingebunden wäre.“ (mit dpa)

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