Eins muss man Margrethe Vestager lassen: Hartnäckig ist sie, selbst wenn ihre Gegner Apple und Google heißen. Das Time-Magazin nannte die scheidende EU-Wettbewerbskommissarin einst „Googles schlimmsten Albtraum“. Für die dänische Politikerin dürfte das ein Kompliment gewesen sein, für den Technologie-Riesen sollte es eine Prophezeiung werden. Denn Vestagers Beharrlichkeit im jahrelangen Rechtsstreit mit den mächtigsten und als unzähmbar geltenden Internetkonzernen der Welt hat sich nun ausgezahlt. An diesem Dienstag bestätigte der Europäische Gerichtshof abschließend eine Geldbuße von 2,4 Milliarden Euro gegen Google, weil der Konzern seinem eigenen Preisvergleichsdienst einen unrechtmäßigen Vorteil verschafft und damit dessen marktbeherrschende Stellung missbraucht habe. Es war der erste Paukenschlag in Luxemburg. Der Zweite folgte, als die Richter urteilten, dass Apple 13 Milliarden Euro an Steuernachzahlungen leisten muss, weil der Konzern in Irland jahrelang zu Unrecht von Vergünstigungen profitierte.
Damit gaben die Richter der Brüsseler Behörde, die hinter beiden Verfahren steckte, Recht. „Der heutige Tag ist ein großer Sieg für die europäischen Bürger und für die Steuergerechtigkeit“, sagte Margrethe Vestager im Anschluss in Brüssel. Es war ihr Triumph zum Abschluss ihrer zehnjährigen Amtszeit in der EU-Kommission. Fast genauso lange dauerten die Rechtsstreitigkeiten mit den US-amerikanischen Konzernen an.
Google und Alphabet klagten erfolglos gegen Milliarden-Strafe
Die Behörde hatte Google vorgeworfen, die Suchergebnisse des eigenen Dienstes an oberster Stelle, hervorgehoben mit Bild und Text, zu präsentieren und damit gegenüber den Ergebnissen der Konkurrenz zu bevorzugen. Diese seien nur weiter unten als blauer Link erschienen. Aufgrund der Praxis hätten die Nutzer die Angebote von Googles Preisdienst häufiger angeklickt als die der Wettbewerber, die wiederum für ihren wirtschaftlichen Erfolg auf den Datenverkehr von Googles Seite angewiesen waren. Nachdem die EU-Kommission im Jahr 2017 eine Strafe von 2,4 Milliarden Euro verhängt hatte, klagten Google und der Mutterkonzern Alphabet dagegen – zunächst vor dem Gericht der EU, dann vor dem EuGH, beide Male erfolglos.
Der Fall von Apple ist eigentlich ein Fall von Irland, wo sich die Europazentrale des iPhone-Herstellers befindet. Die Republik hatte dem Unternehmen zwischen 1991 und 2014 Steuervergünstigungen gewährt, die die EU-Kommission als wettbewerbsverzerrend kritisierte. Deshalb hatte die Behörde 2016 Steuernachzahlungen in Höhe von ursprünglich 13 Milliarden Euro plus Zinsen gefordert. Die vermeintlich verbotene Beihilfe landete vor Gericht, der Betrag ruhte in der Zwischenzeit auf einem Treuhandkonto. Apple argumentierte stets, dass die Erträge der zwei im Fokus stehenden irischen Tochterfirmen vor allem in den USA zu versteuern gewesen seien. Deshalb sah sich der Konzern doppelt zur Kasse gebeten. Und erhielt zunächst Recht. 2020 wurde der Kommissionsbeschluss vom Gericht der Europäischen Union in erster Instanz gekippt. Nun hob der EuGH das Urteil auf, Apple muss zahlen. Die Entscheidung sei auch als „Warnung an die nationalen Finanzminister“ zu verstehen, sagte der CDU-Europaparlamentarier Andreas Schwab. Diese müssten künftig „mehr auf die Solidarität“ zwischen den 27 EU-Mitgliedstaaten achten und die Grundsätze des Beihilferechts berücksichtigen.
Lob für Beschlüsse als „wegweisende Urteile“
Der grüne EU-Parlamentarier Rasmus Andresen lobte die Beschlüsse als „wegweisende Urteile“. Die EU dürfe nach dem Digital Services Act, der strengere Regeln gegen illegale Inhalte beinhaltet, und dem Digital Markets Act, der die Marktmacht großer Internetplattformen reguliert, aber „gesetzgeberisch nicht stehen bleiben“.
Tatsächlich ringen Europas Wettbewerbshüter seit Jahren mit der Frage, wie sie zum einen Verzerrungen von Seiten der Tech-Riesen verhindern können und zum anderen Mitgliedstaaten dazu bringen, diesen Wettbewerb nicht mit besonderen Vergünstigungen für einzelne Firmen zu verfälschen. Neben Irland stand in der Vergangenheit insbesondere Luxemburg wegen Steuerdeals in der Kritik. Zwar hat die Kommission auf Vestagers Initiative hin mit Hilfe des Kartellrechts immer wieder hohe Strafzahlungen gegen Google verhängt, doch nicht alle Maßnahmen von Brüssel hatten Erfolg. Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber zog deshalb eine „ernüchternde Bilanz“. Vestager habe sich „viele hochkarätige Fälle herausgesucht und medienwirksam verkauft, vor Gericht konnte sie sich aber oftmals nicht durchsetzen“.
Wer auf die Dänin folgen wird, dürfte nächste Woche feststehen. Dann will EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihr neues Kabinett vorstellen.
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