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Ernährung: Wirtschaft und Tierschützer kritisieren das Kükenschredder-Gesetz

Ernährung

Wirtschaft und Tierschützer kritisieren das Kükenschredder-Gesetz

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    Seit mehr als einem Jahr ist das Kükentöten in der Legehennenhaltung verboten.
    Seit mehr als einem Jahr ist das Kükentöten in der Legehennenhaltung verboten. Foto: Peter Endig, dpa (Symbolbild)

    Zu Ostern ist der Bedarf an Eiern besonders groß. In bunten Farben sind sie in den Wochen vor den Feiertagen überall erhältlich. Laut der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung ist die Eier-Versorgung im Inland gesichert. Die Anzahl der Legehennen und der produzierten Eier ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. 2022 wurden erstmals mehr als 50 Millionen Legehennen gehalten und fast 15 Milliarden Eier produziert. Auch der Selbstversorgungsgrad mit Eiern ist auf fast 76 Prozent geklettert. Damit erreicht er das höchste Niveau seit 1992 – und das trotz eines neuen Gesetzes: Seit dem 1. Januar 2022 dürfen männliche Küken in Deutschland nicht mehr aufgrund ihres Geschlechts getötet werden. Doch weder Tierschützer noch die Geflügelwirtschaft sind damit zufrieden. Auch eine weitere Verschärfung des Gesetzes, die im Januar 2024 greift, steht nun in der Kritik. 

    Diese Verschärfung sieht aktuell vor, dass ab kommendem Jahr das Geschlecht des Embryos bis zum sechsten Tag bestimmt werden darf. Das hat den Grund, dass die Embryonen in diesem frühen Stadium noch kein Schmerzgefühl zeigen. Ab dem siebten Tag müssten demnach auch die männlichen Küken ausgebrütet werden. Bis heute gibt es jedoch keine Methode, die eine so frühe Geschlechtsbestimmung im Ei ermöglicht. Bundesminister Cem Özdemir möchte dieses Gesetz an neue wissenschaftliche Erkenntnisse anpassen. Die Technische Universität München hat in einer Studie, die vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Auftrag gegeben wurde, neue Erkenntnisse erlangt: Erst ab dem 13. Tag des Brutvorgangs kann der Embryo eventuell Schmerz empfinden. 

    Unterschiedliche Verfahren zur Geschlechtsbestimmung bei Küken

    Laut dem BMEL nutzen etwa 70 Prozent aller Brütereien in Deutschland Verfahren, die vor dem Schlüpfen das Geschlecht im Ei bestimmen können. Die Verschärfung der Rahmenbedingungen bei der Geschlechtsbestimmung stößt in der Geflügelwirtschaft auf Widerstand. Der Küken-Erzeuger Lohmann Deutschland kritisiert Özdemirs Plan scharf. Das Unternehmen verwende aus Tierschutzgründen ein Verfahren, das das Geschlecht des Embryos erst am 13. Tag sicher bestimmen kann. "Deutschland ist viele Jahre Vorreiter in Sachen Tierschutz gewesen, Özdemir ist nun zum Totengräber der besten Nutztierhaltung in Europa geworden. Die Versorgungssicherheit mit dem Grundnahrungsmittel Ei ist damit nicht mehr gewährleistet", so der Geschäftsführer Tobias Ferling in einer Mitteilung. Laut Jörg Hurlin, Chef eines solchen Verfahrensanbieters, müssen in Zukunft mehr Bruderhähne aufgezogen werden, da die Bestimmung am zwölften Bruttag nicht so genau ist wie einen Tag später.

    Dennoch gibt es auch Verfahren, die bereits ab dem neunten Tag das Geschlecht im Ei bestimmen können. Diese sind aber teurer. Im Vergleich zu den Bestimmungsverfahren ist die Aufzucht der Bruderhähne am teuersten. Für viele Unternehmen ist die Aufzucht der Hähne ein Minusgeschäft. Einen Markt für dieses Fleisch gebe es so gut wie gar nicht, sagt der Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft, Friedrich-Otte Ripke. Die sogenannte Bruderhahnmast ist aus Sicht der Eiererzeuger bislang unwirtschaftlich.

    Deutscher Tierschutzbund kritisiert die Bruderhahn-Aufzucht

    Auch der Deutsche Tierschutzbund kritisiert die Bruderhahn-Aufzucht. Es fehle an speziellen Regelungen zur Aufzucht der männlichen Tiere. Laut einer Sprecherin des Vereins werden die Bruderhähne so kostengünstig wie möglich aufgezogen, ohne ihren speziellen Bedürfnissen gerecht zu werden. Probleme sehen Tierschützer auch darin, dass die Tiere wegen knapper Stallkapazitäten oft im Ausland – in Polen und Ungarn – gehalten werden, wo deutsche Gesetze nicht greifen. Somit könne das Schicksal der Bruderhähne nicht weiterverfolgt werden. Aus Kapazitätsgründen müssten die Tiere in vielen Fällen im Ausland geschlachtet werden, was für die Hähne eine erhebliche Belastung darstelle.

    Im Bio-Bereich ist die Bruderhahn-Aufzucht schon lange etabliert. Peter Röhrig, geschäftsführender Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V (BÖLW), sagt: "Die Vermarktung des Geflügelfleischs gehört als Aufgabe auch in den Bio-Bereich." Aus seiner Sicht bedürfe es mehr Engagement in der Vermarktung des Fleisches. "Denn zu jedem Ei gehört auch ein Tier", so Röhrig. Viele Bio-Betriebe hätten sich aus Tierwohlsicht bereits vor der Gesetzesänderung für die Bruderhahn-Aufzucht entschieden. Laut Röhrig ist es eine ethische Frage, wann es legitim ist, ein Leben früher zu beenden. "Das Leben wird noch genutzt und nicht als nutzlos abgetan", sagt er. In der Bio-Geflügelzucht setze man nun auf Zweinutzungshühner, bei denen sowohl die Hennen viele Eier legen, als auch das Fleisch der Hähne gut genutzt werden kann. Allerdings ist diese Zucht noch am Anfang. Röhrig spricht hierbei von Pionierarbeit. 

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