Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat vor Augen geführt, wie abhängig Deutschland von Erdgas aus Russland ist. Der mit Abstand größte Teil des Gases wurde bisher aus Russland importiert.
Zu Beginn des Krieges stehen zwei Szenarien im Raum, die zu einem Gasengpass führen könnten:
- Russland könnte beschließen, kein Gas mehr an Deutschland zu liefern. Präsident Wladimir Putin hat bereits die Lieferungen an mehrere Länder der EU gestoppt und immer wieder mit weiteren Lieferstopps gedroht. Die Liefermenge an Deutschland wurde deutlich gedrosselt. Vom 11. bis zum 21. Juli floss dann wegen der jährlichen Wartung der Pipeline kein Gas durch die Röhren von Nord Stream 1. Am 21. Juli ging die Pipeline wieder in Betrieb. Am 27. Juli halbierte Russland die Liefermenge noch einmal – angeblich aus technischen Gründen. Die Bundesregierung hielt die Begründung für vorgeschoben. Russland hat dann einen weiteren Lieferstopp angekündigt, eigentlich vom 31. August bis zum 2. September. Doch auch danach wurde die Lieferung nicht mehr aufgenommen, angeblich wegen eines Lecks. Die Bundesnetzagentur bezweifelt das. Seitdem erhält Deutschland kein russisches Gas mehr.
- Am Anfang des Krieges stand auch die Möglichkeit im Raum, Deutschland oder die gesamte EU könnten sich wegen Russlands Kriegsverbrechen für ein Gas-Embargo entscheiden. In den ersten Kriegswochen wurde lautstark darüber diskutiert, schließlich lautet ein Vorwurf, dass die Gasgeschäfte Putins Kriegskasse füllen. Weil ein Gas-Embargo aber auch starke Einschnitte in Deutschland, insbesondere für die Wirtschaft, bedeuten würde, sträubte sich die Bundesregierung gegen dieses Mittel.
In Deutschland könnte etwa ein Viertel des Jahresbedarfs an Erdgas gespeichert werden
Deutschland hat sich daher seit dem Frühjahr auf einen möglichen Gas-Lieferstopp vorbereitet. Dabei kommt den Gasspeichern eine entscheidende Rolle zu. An vielen Orten im ganzen Land gibt es diese meist unterirdischen Tanks, die mit großen Mengen Gas gefüllt werden können. Laut der Initiative Energien Speichern (Ines), einem Zusammenschluss von Betreibern deutscher Gas- und Wasserstoffspeicher, können in Deutschland an rund 40 Standorten rund 23 Milliarden Kubikmeter Erdgas gespeichert werden. Das entspreche etwa einem Viertel des deutschen Jahresbedarfes. Gut gefüllte Gasspeicher können im Ernstfall also helfen, die Zeit zu überbrücken, bis das russische Gas durch andere Quellen ersetzt werden kann.
Zu Beginn von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine waren die Gasspeicher in Deutschland für diese Jahreszeit leerer als im Durchschnitt der vergangenen Jahre. Am niedrigsten war der Füllstand am 18. März, damals waren die Speicher nur zu 24,2 Prozent gefüllt. Dann füllten sich die Speicher wieder, die Einspeicherung lief schneller und besser als erwartet, selbst nach dem russischen Lieferstopp stiegen sie weiter. Das geht aus den Daten des Gasinfrastrukturverbandes GIE hervor. Zum 13. November erreichten die Füllstände der Gasspeicher in Deutschland dann 100 Prozent.
Als es dann kälter wurde, wurde Gas entnommen. Doch auch im Winter gelingt es immer wieder, neues Gas einzuspeichern – vor allem, wenn milde Temperaturen dafür sorgen, dass wenig geheizt wird.
Die Bundesnetzagentur erklärt in ihrem täglichen Lagebericht, die Gasversorgung sei stabil, die Lage weniger angespannt als zu Beginn des Winters. Eine Gasmangellage werde in diesem Winter zunehmend unwahrscheinlich. Allerdings könne eine Verschlechterung der Situation weiterhin nicht ausgeschlossen werden. Ein sparsamer Gasverbrauch bleibe daher wichtig.
Deutschland schreibt den Betreibern jetzt vor, wie voll die Gasspeicher sein müssen
Der Füllstand der Gasspeicher schwankt allgemein stark, je nach Jahreszeit. Es ist normal, dass die Speicher in den Sommermonaten, in denen weniger Gas benötigt wird, befüllt werden und während der Heizperiode im Winter dann Gas entnommen wird. Im Frühling, gegen Ende der Heizperiode, sind die Speicher deshalb immer verhältnismäßig leer.
Bereits vor Kriegsbeginn hatten Expertinnen und Experten eine staatliche Reserve gefordert und auf Deutschlands Abhängigkeit von russischem Gas hingewiesen. Nach Kriegsbeginn hat Deutschland dann ein "Gesetz zur nationalen Gasreserve" beschlossen, um auf einen möglichen Engpass vorbereitet zu sein. Betreiber von Gasspeichern werden verpflichtet, ihre Gasspeicher zu bestimmten Zeitpunkten zu bestimmten Mindestmengen gefüllt zu haben. Die Vorgaben wurden Ende Juli noch einmal verschärft. Für folgende Stichtage gelten jetzt diese Mindestfüllstände:
- zum 1. September: 75 Prozent
- zum 1. Oktober: 85 Prozent
- zum 1. November: 95 Prozent
- zum 1. Februar: 40 Prozent
Zum 1. September lag der Füllstand deutlich über der Vorgabe. Tatsächlich wurde wenige Tage später bereits die Marke von 85 Prozent überschritten, die erst zum 1. Oktober vorgeschrieben gewesen wäre. Am 18. September stieg der Füllstand dann sogar über 90 Prozent, am 1. November lag er bereits bei über 99 Prozent.
Ganz anders sah es Anfang des Jahres aus, da waren die Speicherstände weit unterdurschnittlich. Ein Grund war der Betreiber Astora. Die Speicher dieses Unternehmens fassten in der Vergangenheit etwa ein Fünftel der Reserve in Deutschland. Auffällig ist, dass die Astora-Speicher im Sommer 2021 deutlich weniger befüllt wurden als in den vergangenen Jahren. Astora ist ein Tochterunternehmen des russischen Staatskonzerns Gazprom, beziehungsweise dessen deutscher Tochter Gazprom Germania. Deshalb vermuten einige Expertinnen und Experten hinter dem geringen Füllstand Interessen der russischen Regierung.
Astora betreut auch den größten Gasspeicher in Deutschland, dieser liegt im niedersächsichen Rehden. Der Speicher war im Winter mit einem Füllstand von zeitweise 0,5 Prozent nahezu leer. Da die Bundesnetzagentur inzwischen aber als Treuhänder die Geschäfte von Gazprom Germania übernommen hat, ist die Bundesbehörde seitdem auch für den Gasspeicher Rehden zuständig. Seit Mai wird dieser nun wieder befüllt.