Robert Habeck ist der Minister mit der härtesten Aufgabe. Karl Lauterbach muss in den Wintermonaten einen Erreger in Schach halten, aber Habeck muss einer großen Industrienation in wenigen Jahren Kohle, Öl und Gas entziehen. Wenn Lauterbach Kurzstrecke läuft, geht Habeck auf Marathon-Distanz. Der Wirtschaftsminister packt die Aufgabe trotzdem nicht kraftschonend an, sondern mit voller Power.
Sein Ministerium baut er dafür um, wie es keiner seiner Vorgänger in den vergangenen Jahren getan hat. Das Haus wurde über die Jahrzehnte stark von FDP und CDU/CSU geprägt, es atmete Ludwig Erhards Geist. Im Selbstverständnis waren die Beamten Ansprechpartner der Unternehmen in der Bundesregierung. Ihr Weltbild war der Ordoliberalismus: Der Staat setzt den Rahmen, hält sich sonst aber zurück. In der Wirklichkeit geschah oft das Gegenteil, aber der Anspruch blieb. Daran änderten auch die wenigen SPD-Wirtschaftsminister nichts. Und jetzt sitzt mit Habeck der erste Grüne im Ministerbüro an der Berliner Invalidenstraße und krempelt den Laden um.
Gleich nach seiner Ernennung hat er den Mitarbeitern Überstunden verordnet. Über Weihnachten und Neujahr mussten sie eine tiefe Analyse schreiben, wie es um die Energiewende steht (Fazit: nicht gut) und was bis 2030 zu tun ist (Fazit: verdammt viel). Damit der Total-umbau der Industrie, eine Energieerzeugung ohne Kohle und Atom und das Autofahren ohne Benzin und Diesel, durchgesetzt werden kann, hat Habeck starke Leute aus seiner Partei und dem grünen Kosmos in das Ministerium geholt.
Habeck bestellte einen der besten Kenner des Energiesystems zum Staatssekretär
Sein Vorgänger Peter Altmaier (CDU) hatte Monate gebraucht, um einen Energiestaatssekretär zu finden. Habeck bestellte mit Patrick Graichen sofort einen der besten Kenner des Energiesystems zum Staatssekretär, der zuvor das private Forschungsinstitut „Agora Energiewende“ leitete. Graichen ist voll auf Linie der Grünen und des Ministers Mann für CO2-Tonnen, Gigawatt, Strommengen und fehlende Leitungskilometer. Der promovierte Volkswirt begann seine Karriere im Umweltministerium, von dem 70 Beamte in das Wirtschaftsministerium wechseln. Im Umweltministerium haben die Interessen der Unternehmen, um es vorsichtig zu sagen, nicht automatisch Vorfahrt.
Passend dazu wurde die von der CDU-Mittelstandsunion gekommene Abteilungsleiterin für Energiepolitik abberufen: Bei den Grünen galt Stephanie von Ahlefeldt als Bremserin beim Ausbau von Windrädern und Solarfeldern.
Europäisch absichern soll die Politik der bisherige EU-Abgeordnete Sven Giegold. Der Hannoveraner war in Brüssel ein bekannter Parlamentarier, der sich bei den Aufräumarbeiten nach der Weltfinanzkrise mit den mächtigen Banken und Versicherungen anlegte. Er ist einer der Gründer des globalisierungskritischen Netzwerks Attac, das den Kapitalismus der Konzerne bekämpfen will. Für die auf die Weltmärkte zielende deutsche Industrie ist jemand mit Giegolds Biografie gewöhnungsbedürftig. Seine Aufgabe bei der EU wird es als Staatssekretär sein, für die zahllosen Ausnahmen, Privilegien und Zuschüsse die Zustimmung der Kommission zu organisieren.
Gewicht bei den Grünen hat auch Michael Kellner, der ebenfalls als Staatssekretär zu Habeck gewechselt ist. Der 44-Jährige galt in den Monaten vor der Wahl selbst als Ministerkandidat, über die Parteigrenzen hinweg bekam er Anerkennung für seine Arbeit als Bundesgeschäftsführer, weil nicht nach draußen drang, ob Habeck oder Annalena Baerbock als Kanzlerkandidat in das Rennen geht. Weil der Wahlkampf daneben ging, schwanden die Ministerhoffnungen Kellners. Doch weil er nicht als Geschäftsführer weitermachen wollte, brauchte er eine andere Verwendung. Der Thüringer ist jetzt Mittelstandsbeauftragter. Seine Erfahrungen in der Wirtschaftspolitik sind gleich null, was bei eben jenem Mittelstand, für den er zuständig ist, Fragen aufwirft.
Habeck könne der Vorkämpfer für eine klimaschonende Wirtschaft werden
„Robert Habeck scheint sich vor allem als Klimaschutzminister zu sehen und baut sein Haus personell entsprechend um. Robert Habeck ist aber auch Wirtschaftsminister, dazu hört man allerdings nur wenig von ihm“, sagte der Chef des Verbandes der Familienunternehmen, Reinhold von Eben-Worlée, unserer Redaktion. Er fordert von Habeck, die gesamte Wirtschaft in den Blick zu nehmen und nicht nur die Energiewirtschaft.
Habecks Vorgänger Altmaier hatte zum Beispiel viel Mühe darauf verwendet, sich im Handelsstreit um Entspannung mit den USA zu kümmern oder neue Chip- und Batteriefabriken anzusiedeln. Von seinem Nachfolger ist da noch nichts zu hören. Zur Wahrheit gehört, dass es sich Altmaier mit dem Mittelstand gleich zu Beginn seiner Amtszeit verscherzt hatte und den Riss nie vollständig kitten konnte.
Beliebt machen könnte sich sein Nachfolger bei den Familienunternehmen, wenn er das Einbehalten von Gewinnen steuerlich attraktiver machen würde. „Denn nur wer Eigenkapital aufgebaut hat, kann es investieren“, meint Eben-Worlée. Ansonsten gibt auch der Präsident der Familienunternehmer erst einmal Vorschusslorbeeren: Habeck könne der Vorkämpfer für eine klimaschonende Wirtschaft werden. „Das muss er aber auch, wenn er nicht der erste Wirtschaftsminister werden will, der unsere Volkswirtschaft vor den Baum fährt.“