Was den Ausbau der erneuerbaren Energien betrifft, kann es wetterwendisch zugehen. Das liegt an den diversen Bundesregierungen, die damit befasst waren. Aber es gibt auch sonst Licht und Schatten, steife Brise und Flaute. In diesen Tagen lassen nun allerdings zwei Nachrichten aufhorchen, die Sonne und Wind verheißen. Ober daraus ein dauerhaftes Hoch für die Energiewende wird – abwarten.
Zum einen wurde in der EU 2022 erstmals mehr Strom aus Wind und Sonne produziert als aus Gas. Das geht aus einer Analyse der Denkfabrik Ember Climate hervor. Im vergangenen Jahr kamen demzufolge rund 22 Prozent (2021: 19 Prozent) der Elektrizität in der EU aus Solar- und Windkraft und damit anteilig so viel wie noch nie. Aus Gas stammten fast 20 Prozent des EU-Strommix – also knapp ein Prozentpunkt weniger als 2021. Insgesamt kamen laut Ember Climate im vergangenen Jahr 623 Terawattstunden (TWh) aus Wind und Sonne. Und am meisten Wind- und Solarenergie erzeugte 2022 den Zahlen der Denkfabrik zufolge Deutschland – 126 Terawattstunden aus Wind und 59 Terawattstunden aus Sonne. Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Anteile an der Wind- und Solarenergie am deutschen Strommix waren verglichen mit anderen EU-Ländern geringer.
Auch bei Solaranlagen und Wärmepumpen könnte es schneller gehen
Damit sich das ändert, hat die Bundesregierung – und das ist die zweite Nachricht – den sogenannten "Windausbau-Beschleuniger" auf den Weg gebracht. Damit wird eine EU-Verordnung umgesetzt, wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mitteilte. Was bürokratisch klingt, soll im Kern dazu führen, dass sich in Deutschland bald sehr viel mehr dreht und schneller Leitungen für den erneuerbaren Strom gebaut werden. Konkret soll für Windräder oft die Umweltverträglichkeitsprüfung entfallen. Auch Solaranlagen und Wärmepumpen könnten künftig viel schneller genehmigt werden, nämlich binnen drei Monaten. Und ganz kleine Solaranlagen bis 50 Kilowatt sollen automatisch als genehmigt gelten, wenn nicht binnen kurzer Frist eine Absage vom Amt kommt.
Auf EU-Ebene war im Dezember eine sogenannte Notfallverordnung vereinbart worden. Der zentrale Punkt in Sachen Geschwindigkeitsaufnahme ist dabei: Gibt es in einem für Windkraft oder Stromleitungen ausgewiesenen Gebiet schon eine strategische Umweltprüfung (SUP), können im Genehmigungsverfahren die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und die artenschutzrechtliche Prüfung – Stichwort Rotmilan – bei der Genehmigung der einzelnen Anlagen entfallen.
Was der Thinktank Agora vom Windausbau-Beschleuniger hält
Und bringen die Maßnahmen den erwünschten Schub? Simon Müller, Energiewende-Experte beim Thinktank Agora, sagt es so: "Im Bereich der Genehmigungen ist ein entscheidender Knackpunkt damit vorübergehend gelöst." Er beschreibt den Rechtsrahmen für die Windenergie wie einen Trichter: Oben kommen die Flächen rein, die für Windräder überhaupt infrage kommen. Dann folgen die Genehmigungsverfahren für die Windräder auf den infrage kommenden Flächen. Raus kommen – nach erfolgter Genehmigung – dann nur die Projekte, die auch noch die Ausschreibungsverfahren und praktischen Umsetzungshürden bestanden haben. Müller erklärt im Gespräch mit unserer Redaktion: "Über die Jahre ist der Trichter immer enger und länger geworden: Es gab weniger Flächen, immer aufwendigere Genehmigungsverfahren – und so weiter. Die Folge: Aus dem Trichter kam immer weniger raus."
Die Ampelkoalition geht die Energiewende-Ziele ambitionierter an: Allein die Windkraft an Land soll sich von 58 Gigawatt im Jahr 2022 auf 115 Gigawatt bis 2030 verdoppeln. Laut dem seit Mittwoch gültigen Windflächenbedarfsgesetz müssen die Länder bis Ende 2032 zwei Prozent der Bundesfläche für die Windenergie ausweisen. Und bis 2027 sollen 1,4 Prozent der Flächen für Windenergie bereitstehen, wie der Bundestag festgelegt hat.
Den bürokratischen Dschungel beim Ausbau der erneuerbaren Energien lichten
Reichen die nun auf den Weg gebrachten Maßnahmen also, um diese Ziele zu erreichen? Agora-Fachmann Müller meint: "Um sie zu erreichen, muss jetzt wirklich weiter konsequent Tempo gemacht werden." Wer heute ein Windrad in Betrieb setzen wolle, müsse bisher mit einer Genehmigungsdauer von bis zu sieben Jahren rechnen. "Allein die Umsetzung der EU-Richtlinie wird das um zwei Jahre verkürzen. Für eine weitere Beschleunigung müssen jetzt auch die Behörden ausgestattet werden."
Es bleibt indes noch einiges zu tun. Müller gibt ein Beispiel, wo der bürokratische Dschungel weiter gelichtet werden könnte: Um ein Rotorblatt für eine Windkraftanlage zu transportieren, braucht es von Bundesland zu Bundesland eigene Schwertransportgenehmigungen. "Bis man die hat, kann es bis zu 22 Wochen dauern. Wenn in der Zwischenzeit irgendwo auf der Strecke eine Baustelle aufgemacht wird, dauert es noch länger.“
Im bayerischen Wirtschaftsministerium begrüßt man, die "zügige Umsetzung" der EU-Notfallverordnung. Eine Sprecherin teilte auf Anfrage mit, dass darin für den Ausbau der Windenergie ein "deutliches Beschleunigungspotenzial" liege.
Der Freistaat hat hier noch mannigfaltige Möglichkeiten. In Bayern wurden 2022 ganze 14 Windenergieanlagen in Betrieb genommen. (mit dpa)