Afrikas bislang einziges Atomkraftwerk steht in der Nähe der südafrikanischen Touristenmetropole Kapstadt und erlebt seit einem Jahr eine wenig produktive Phase. Eine der beiden Einheiten der "Koeberg-Anlage" war bis November fast ein Jahr lang offline, der Austausch von drei Dampferzeugern dauerte doppelt so lange wie geplant. Und seit einigen Tagen ist nun die zweite Einheit wegen Wartungsarbeiten vom Netz – erwartet wird eine ähnlich lange Ausfallzeit. Das fast vierzig Jahre alte Werk liefert normalerweise etwa fünf Prozent des notorisch überlasteten südafrikanischen Strombedarfs, der zu über 80 Prozent mit Kohle gedeckt wird.
Geht es nach Südafrikas Regierung, wird das Land bald verstärkt auf Atomkraft setzen. Am Dienstag verkündete Energieminister Kgosientsho Ramokgopa, dass man bald mit dem Auftragsvergabeverfahren für Kernkraft mit einer Gesamtleistung von 2500 Megawatt beginnen werde. Die entsprechenden Werke sollen in rund "zehn bis zwölf Jahren" den Betrieb aufnehmen, so der Minister des African National Congress (ANC). "Das ist die billigste Option", sagte er – und fing sich für die gewagte Behauptung reichlich Gegenwind südafrikanischer Umweltschützer ein.
Wird Russland wieder zu den Bietern zählen?
Auch in Russland wurden seine Aussagen mit Interesse wahrgenommen, das staatliche Propagandaportal "Sputnik" berichtete ausführlich. Der Kreml hätte im Jahr 2016 schon beinahe einen Multi-Milliardendeal für den Bau von südafrikanischen Kraftwerken mit einer viermal so hohen Kapazität wie jetzt beschlossen an Land gezogen. Es wäre die Krönung der uferlosen Korruption unter dem damaligen Präsidenten Jacob Zuma gewesen und hätte Südafrika an den Rand des Staatsbankrotts gebracht. Dieser finanzielle Super-GAU wurde damals gerade noch vom Finanzministerium gestoppt.
Man kann davon ausgehen, dass Russland wieder zu den Bietern zählen wird, zumal die anvisierte Größe des Werkes zum russischen Portfolio passt. Am Montag wurde zudem bekannt, dass Südafrikas Kabinett einer Kreditvereinbarung mit der russischen Gazprombank für die Sanierung des südafrikanischen Öl- und Gaskonzerns PetroSA zugestimmt hat. Die größte Oppositionspartei Democratic Alliance (DA) zeigte sich "zutiefst besorgt", schließlich setze die Entscheidung Südafrika dem Risiko von Sekundärsanktionen aus und zeige, welche Wirkung der Kreml auf Südafrikas Entscheider habe. "Wir lehnen jede Form von unangemessenem Einfluss, insbesondere von ausländischen Regierungen, kategorisch ab." Die Auswahl derartiger Partner bedürfe einer sorgfältigeren Prüfung.
Der Einfluss des Kreml auf die Energiewirtschaft Afrikas wächst
Wirtschaftlich spielt Russland eigentlich keine Rolle in Südafrika, das Land taucht weder bei den Importen noch den Exporten unter den zehn wichtigsten Nationen auf. Doch der wachsende Einfluss des Kremls auf die Energiewirtschaft fügt sich in die Entwicklung auf dem Kontinent. In Ägypten baut Rosatom derzeit das erste Kernkraftwerk des Landes, die Anlage wird schließlich vier Reaktoren beherbergen und 4,8 Gigawatt Strom liefern. Mit der Militärjunta in Burkina Faso schloss der russische Staatskonzern im Oktober ebenfalls eine Absichtserklärung für den Bau eines Werkes ab – wie zuvor bereits mit Nigeria, Uganda und Kenia.
Der südafrikanische Anti-Atomkraft-Aktivist Peter Becker vermutet dahinter eine klare geopolitische Strategie des Kremls. "Diese Länder würden sich auf Jahrzehnte hin von Russland abhängig machen", sagt er, "sie würden die Ingenieure stellen, die bei der Wartung und dem Abfallmanagement unverzichtbar wären." Im Gegenzug könnte Russland Zugang zu den Bodenschätzen erwarten, was angesichts der Sanktionen gegen das Land von besonders großer Bedeutung sei.