Die Gaspreise steigen und steigen. Weil nach Monaten des Corona-Stillstands die Konjunktur angezogen hat; weil eine Windflaute an der Nordsee dazu führte, dass mehr Gas zur Stromerzeugung verbrannt wurde; weil die Ukraine-Krise mit dem Gasexporteur Russland weiter schwelt – Experten liefern viele Gründe für das Preishoch. Was genau den Ausschlag gibt, lässt sich am Ende nicht zweifelsfrei sagen. Sicher ist jedoch: Die Preise steigen immer weiter. Das setzt die Energieversorger unter Druck. Kleinere Gasanbieter haben deswegen Insolvenz angemeldet, andere die Belieferung ihrer Kundinnen und Kunden eingestellt. Der Grundversorger Erdgas Schwaben führt darum nun einen zweiten Grundversorgungspreis für Neukundinnen und Neukunden ein.
Noch vor einer Woche hatte Christian Blümm, Pressesprecher von Erdgas Schwaben, im Gespräch mit unserer Redaktion die Einführung so eines zweiten Grundversorgungspreises „in absehbarer Zeit“ ausgeschlossen. „Wir dachten, der Markt würde sich mal stabilisieren, aber stattdessen haben sich die Preise weiter verdoppelt“, sagt Blümm jetzt. Der Großhandelspreis für Gas liegt laut dem Vergleichsportal Check24 auf Rekordniveau. Im Dezember 2020 kostete die Megawattstunde (MWh) nur 13,80 Euro. Aktuell werden 81,03 Euro pro MWh fällig – eine Steigerung von 487 Prozent.
Gasanbieter: Grundversorger dürfen keine Kunden ablehnen
Normalerweise sind Grundversorger preisstabiler als kleinere Billiganbieter. Grund dafür ist die Art, in der sie das Gas einkaufen. Grundversorger wie Erdgas Schwaben kaufen bereits Jahre im Voraus Gas für einen langen Zeitraum. Kleinere Anbieter versuchen ihr Glück auf dem aktuellen Markt, dem sogenannten Spot-Markt. Meist ist das billiger als die Langzeitlieferungen, im Moment aber unbezahlbar. Deswegen haben Anbieter wie Otima aus Neuenhagen bei Berlin oder Fulminant Energie aus Garching bei München Insolvenz angemeldet. Andere wie zum Beispiel Gas.de haben die Gaslieferung eingestellt.
Allein von Gas.de fällt eine vierstellige Zahl an Kunden und Kundinnen auf Erdgas Schwaben zurück. Denn als Grundversorger für die Region darf der Betrieb niemanden ablehnen. Das ist die Versicherung dafür, dass keiner plötzlich ohne Gaslieferer dasteht. Wer seinen bisherigen Gasanbieter verliert, fällt fürs Erste automatisch auf die Grundversorgung zurück. Laut Pressesprecher Blümm haben allein in der vergangenen Woche fünf weitere kleine Anbieter entweder Insolvenz angemeldet oder die Gaslieferung eingestellt. „Diese Kundinnen und Kunden fallen ebenfalls auf uns zurück“, sagt Blümm. Und er rechnet damit, dass weitere kommen werden.
Die Verträge, mit denen sich Erdgas Schwaben Jahre im Voraus stabile Gaspreise organisiert hat, decken nicht die Menge an Gas, die es braucht, um all die neuen Kunden zu versorgen. Das Unternehmen muss teures Gas vom Markt dazukaufen. „Wir müssen uns für jeden neuen Kunden eindecken“, sagt Blümm. Daher blieben dem Lieferanten laut dem Pressesprecher zwei Optionen: Entweder sie heben den Preis der Grundversorgung für alle an oder die neuen Kunden und Kundinnen müssen das teurere Gas bezahlen. Der Betrieb hat sich für Letzteres entschieden.
Ein durchschnittlicher Haushalt mit einem Gesamtjahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden (kWh) zahlt nun als Neukunde oder Neukundin in der Grundversorgung 20,71 Cent je kWh. Zum Vergleich: Kunden und Kundinnen, die schon länger bei Erdgas Schwaben sind, zahlen wie bisher 8,46 Cent je kWh. Der Wechsel in billigere Sondertarife ist laut Blümm in absehbarer Zeit aber auch für Neukundinnen und Neukunden weiterhin möglich. In solchen Tarifen zahlen sie dann beispielsweise 12,59 Cent je KWh.
In ganz Deutschland steigen die Gaspreise - 113 Grundversorger haben Neukundentarife
Deutschlandweit haben laut dem Vergleichsportal Check24 bereits 113 Gasgrundversorger solche Neukundentarife eingeführt. Viele Grundversorger wollen es sich mit ihren Stammkunden nicht verscherzen, müssen aber die Kosten für das teure Gas, das sie für die neuen Kunden am Spot-Markt kaufen, abdecken.
Aber auch für Stammkunden wird es durch den stetigen Anstieg der Gaspreise teurer. Erdgas Schwaben hatte bereits die Preise insgesamt erhöht. Damit sind sie nicht allein. Die Gasgrundversorger haben laut Check24 deutschlandweit seit August bereits in 792 Fällen Preise erhöht oder Preiserhöhungen angekündigt. Teils verdoppeln sich die Gaspreise sogar. Ein Haushalt mit einem Gesamtjahresverbrauch von 20.000 kWh hat dadurch zusätzliche Kosten von im Schnitt 434 Euro pro Jahr.
Blümm hofft, dass die Gaspreise sich stabilisieren und auf ein normales Niveau absinken. „Wenn sich die Sondersituation wieder beruhigt hat, wollen wir natürlich wieder nur einen Grundversorgungspreis haben und die Tarife zusammenführen“, erklärt er. Wann das ist, kann allerdings keiner sagen.