Hat das Zittern vor der nächsten Stromrechnung bald ein Ende? Nachdem die Preise im vergangenen Jahr in vielen Teilen Europas geradezu explodiert sind, will die EU einschreiten und den Bürgern unter anderem ein Recht auf Verträge mit einem Festpreis geben. So sollen exzessive Strompreise für Verbraucher und Unternehmen vermieden und die Europäer vor starken Preisschwankungen geschützt werden, wie es in einem Entwurf für eine Gesetzesänderung heißt, der unserer Redaktion vorliegt.
Auf 50 Seiten skizziert die Kommission ihren Vorschlag zur Überarbeitung des Strommarktdesigns, der vermutlich nächste Woche präsentiert wird. Die Krise habe gezeigt, wie gefährdet Verbraucher und Industrie seien „und wie wenig widerstandsfähig wir gegenüber Energiepreisspitzen sind“, heißt es in dem Papier. „Der Einfluss der Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen auf die Festlegung der Preise wurde von Unternehmen und Bürgern als zu groß empfunden, während die Fähigkeit der Mitgliedstaaten, kurzfristige Preise durch längerfristige Verträge abzufedern, unzureichend erschien.“
Strompreise in der EU: Festverträge können vor Schwankungen schützen
Konkret sollen Endkunden deshalb künftig das Recht auf Festpreisverträge erhalten sowie auf solche mit dynamischen Preisen und auf Mehrfachverträge. „Auf diese Weise können risikoscheue Verbraucher sichere, langfristige Preise festschreiben, um Überraschungen zu vermeiden“, lautet das Ziel der Kommission. Gleichwohl könnten sie sich für Abschlüsse entscheiden „mit dynamischen Preisen“, wenn die Bürger Schwankungen ausnutzen wollten, „um Strom zu verbrauchen, wenn er billiger ist“, beispielsweise um Elektroautos aufzuladen oder Wärmepumpen zu betreiben.
Während einige Länder fordern, den Markt „zielgerichtet“ zu reformieren, verlangen Staaten wie Frankreich eine radikalere Überarbeitung. Paris würde etwa gerne unterbinden, dass Gaskraftwerke den Preis bestimmen. Nun sieht es danach aus, als ob die Kommission zwar nachjustieren und das Design erweitern will, aber nicht den großen Umsturz auf dem Strommarkt plant. Demnach soll etwa das sogenannte Merit-Order-Prinzip beibehalten werden. In Europa bestimmt nach diesem System das teuerste Kraftwerk, das zur Deckung des Bedarfs gebraucht wird, den Preis. Den können dann alle Kraftwerke verlangen, selbst wenn sie viel günstiger liefern könnten, wie etwa Windkraftanlagen. Das System habe sich in den letzten Jahren im Grundsatz bewährt, befand der CSU-Europaparlamentarier Markus Ferber. „Es gibt also keinen Grund, das Rad komplett neu zu erfinden.“ Insgesamt seien Anpassungen notwendig, „sollten aber nicht mit der Brechstange durchgesetzt werden“. Der klimapolitische Sprecher der Grünen, Michael Bloss, kritisierte, dass Frankreich „wieder“ ein Geschenk bekomme. So schränke die Kommission „wichtige Fördermöglichkeiten“ ein: „Die Atomenergie wird den Erneuerbaren als Kuckucksei ins Nest gelegt."
EU will mehr Investitionen in erneuerbare Energien fördern
Weiterhin sollen dem Vorschlag zufolge die Investitionen in erneuerbare Energien angekurbelt werden, etwa mit speziellen Differenzverträgen (Contracts for Difference) und öffentlichen Garantien für sogenannte Power Purchase Agreements (PPA). Letztere sind Stromabnahmevereinbarungen zwischen Energieerzeugern und gewerblichen Abnehmern und bieten somit langfristige Preisstabilität sowie dem Erzeuger die nötige Sicherheit, um eine Investitionsentscheidung zu treffen.
Mit den Differenzverträgen sollen die EU-Staaten Stromerzeugern nach neuen Investitionen einen festen Preis für Strom garantieren. Ist ein am Markt erzielbarer Preis geringer, gleicht der Staat die Differenz aus, um langfristig Preisstabilität zu schaffen. Wird über dem in dem Vertrag festgelegten Preis verdient, geht der Überschuss an alle Stromendkunden auf Basis ihres Verbrauchs. Gelten soll dies für Investitionen in alle erneuerbaren Energien und für Kernkraft.