Startseite
Icon Pfeil nach unten
Wirtschaft
Icon Pfeil nach unten

Energiekrise: Strom- und Gas-Preise treffen Unternehmen in der Region hart

Energiepreise

Chefin der Kaffeehäuser Dichtl: Eigentlich müsste die Breze neun Euro kosten

    • |
    Die Preisexplosion bei Strom und Gas setzt vielen Handwerksbetrieben wie etwa Bäckereien und Konditoreien zu.
    Die Preisexplosion bei Strom und Gas setzt vielen Handwerksbetrieben wie etwa Bäckereien und Konditoreien zu. Foto: Bernhard Weizenegger (Symbolbild)

    Ein Stück der „Doppelten Schokoladentorte“ sieht gut aus. Schoko-Mango-Sahne wäre auch genehm. Kommt dazu. Macht – bittesehr – 40 Euro. 20 Euro das Stück. Ohne Kaffee. So ist es nicht, sagt Susanne Dichtl-Krachenfels. „Aber wenn ich den Preis für meinen Kuchen so anheben würde, wie die Strompreise gestiegen sind, dann würde ein Stück Torte 20 Euro kosten. Und die Brezn 9 Euro.“

    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat nach der zweitägigen Klausurtagung auf Schloss Meseberg ein „präzises und maßgeschneidertes Entlastungspaket“ versprochen, das die Energiekrise entschärfen soll. Es sollte schnell kommen, denn wirtschaftlich sind die enteilenden Gas- und Strompreise für viele Unternehmen eine schwere Last.

    Konditormeisterin Susanne Dichtl-Krachenfels meint, dass der Strompreis gedeckelt werden muss.
    Konditormeisterin Susanne Dichtl-Krachenfels meint, dass der Strompreis gedeckelt werden muss. Foto: Sascha Schneider, Handwerkskammer

    Dichtl-Krachenfels ist die Chefin der Kaffeehäuser Dichtl. Die kennt in Augsburg jeder. Nicht mehr lang, dann gibt es den Dichtl seit 100 Jahren. Die Konditormeisterin und Betriebswirtin ist die Enkelin des Firmengründers und mit Georg Krachenfels verheiratet. Der kommt auch aus einer traditionsreichen Bäckerfamilie. Im südlichen Schwarzwald gibt es inzwischen 43 Krachenfels-Filialen. Seit bald 20 Jahren führen die beiden die Geschäfte gemeinsam. Rund 360 Mitarbeitende gehören zu den beiden Unternehmen.

    Der Strompreis für die Konditorei Dichtl hat sich fast verdreifacht

    Noch vergangenes Jahr hatte die Konditorei Dichtl Stromkosten von rund 7000 Euro monatlich. Öfen, Kühlung, Tiefkühlung – gerade in den heißen Sommern läppert sich das. Inzwischen ist der Preis auf 18.000 Euro monatlich gestiegen. Aber nicht wegen der Hitze, sondern weil der Strommarkt außer Rand und Band ist.

    Für die Produktion bei Krachenfels werden am 16. September 80.000 Euro fällig. Vor einem Jahr waren es noch 21.000 Euro, die monatlich zu zahlen waren. Dichtl-Krachenfels sagt: „Das kann unser Unternehmen eine gewisse Zeit tragen, aber die Frage ist: Wie lange?“

    Diese Frage stellen sich viele Mittelständler, das Rückgrat der regionalen Wirtschaft. Wann werden Gas und Strom wieder billiger?

    Auch Unternehmen, die nicht als energieintensiv gelten, trifft es

    Das Unternehmen Stiefel in Burlafingen bei Neu-Ulm ist auch ein typischer mittelständischer Betrieb. Hergestellt werden Hydraulik-Komponenten, die später in Bagger, Pistenraupen, Schwertransporter oder Landmaschinen eingebaut werden. 260 Beschäftigte gibt es, rund 52 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Das Unternehmen gilt nicht einmal als energieintensiv. Gas benötigt es nur für Warmwasser und die Heizung der Büros und Hallen in der kalten Jahreszeit, Strom für die Maschinen. Trotzdem schlagen die steigenden Energiekosten derzeit massiv zu.

    „Die Versorgung mit Energie wird kritisch und sehr teuer werden“, sagt Geschäftsführer Gerd Stiefel. Bestehende, günstige Verträge werden von den Energieversorgern gekündigt. Neue sind deutlich teurer. Das Unternehmen geht davon aus, im kommenden Jahr für Gas mindestens die dreifachen Kosten aufwenden zu müssen, auch der Strompreis wird stark zulegen. Insgesamt geht die Firma davon aus, im nächsten Jahr rund 250.000 Euro für Energie zahlen zu müssen, was einer Verdoppelung gleichkommt.

    Energie selbst zu erzeugen und zu sparen, ist deshalb auch für den mittelständischen Betrieb ein großes Thema. Im September geht eine Photovoltaik-Anlage in Betrieb. „Wir können sicherlich auch viel einsparen, indem wir die Heizkörper am Freitag runterdrehen, konsequent das Licht ausmachen, das Energiemanagementsystem umsetzen“, sagt Gerd Stiefel. „Ich rechne auch fest damit, dass man der Industrie zum Beispiel vorgibt, dass sie weniger Schichten fährt oder eine Vier-Tage-Woche einführt“, meint er. „Das alles wird die Mehrkosten aber in unserem Betrieb nicht auffangen, wir werden auf einem Teil davon sitzen bleiben“, ist er sich sicher.

    Der Mittelstand bangt wegen der Energiepreise um die Existenz

    In Unternehmen, die deutlich mehr Energie verbrauchen, sieht die Lage dramatisch aus. Einige Mittelständler bangen um ihre Existenz, wie eine neue Umfrage des Bundesverbandes Der Mittelstand unter 850 Betrieben deutlich macht. Ganze 72,52 Prozent der befragten kleinen und mittleren Betriebe gaben an, unter den explodierenden Energiepreisen zu leiden. Mit 42,36 Prozent sieht sich zudem fast die Hälfte der Mittelständler durch die hohen Energiekosten in ihrer Existenz bedroht.

    Einige Unternehmen bangen nach wie vor, ob sie überhaupt im Winter mit Gas versorgt werden. „Der nun aktuelle Füllstand der Gasspeicher von rund 80 Prozent ist ein ermutigendes Signal. Doch die Lage bleibt sehr ernst. Die Gefahr, dass Unternehmen im kommenden Winter kein oder nur reduziert Gas erhalten, ist noch lange nicht gebannt“, sagt Marc Lucassen, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Schwaben. „Die Kappung der Gasversorgung hätte Produktionsausfälle und massive Preissprünge in vielen Branchen zur Folge; der wirtschaftliche Schaden wäre immens“, sagt er.

    Die IHK sieht die hohen Energiekosten ebenfalls mit Sorge: „Neben der Energieversorgung bedrohen die explodierenden Gas- und Strompreise die Unternehmen aus Produktion, Handel und Dienstleistungen“, sagt Lucassen. „Bei weiteren Preissteigerungen ist kostendeckendes Wirtschaften für viele Unternehmen nicht mehr möglich; die Belastungsgrenze ist erreicht“, warnt er. Unternehmen wie die Lech-Stahlwerke in Meitingen haben angesichts der hohen Kosten bereits zeitweilig die Produktion ausgesetzt. Gerd Stiefel, der auch Vorsitzender der IHK-Regionalversammlung Neu-Ulm ist, geht davon aus, dass durch die hohen Energiekosten einige Unternehmen aufgeben müssen oder zur Kurzarbeit greifen werden.

    Wenn sich die Energiekosten in zwei Jahren versiebenfachen

    Nächstes Beispiel für die Teuerung. Diesmal im Landkreis Dillingen. Beim Gundelfinger Unternehmen Gartner Extrusion gibt es hochwertige Aluminiumprodukte, etwa für Gebäudefassaden. Um das Metall zu schmelzen, braucht die Firma Gas. Jede Menge davon. Geschäftsführer Alexander Merenda braucht nur drei Zahlen, um die Ausmaße der Gaskrise zu verdeutlichen. 3,8 Millionen, 10 Millionen, 22 Millionen. Die erste Zahl ist der Preis in Euro, den Gartner vergangenes Jahr für Energie bezahlt hat. Die zweite Zahl beziffert die voraussichtlichen Kosten für dieses Jahr. Für nächstes Jahr befürchtet Merenda dann Kosten von 22 Millionen Euro. Eine Verdoppelung nach einer Verdreifachung also.

    Die Firma Gartner Extrusion in Gundelfingen.
    Die Firma Gartner Extrusion in Gundelfingen. Foto: Gartner Extrusion

    Bislang habe sein Unternehmen die Preissteigerung an Kunden weitergeben können, sagt er. Aber jetzt? „Das ist der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland.“

    Um eine Rezession abzuwenden oder zumindest so kurz wie möglich zu halten, braucht es laut Merenda gute Nachrichten. Denn die schlechten heizen laut dem Geschäftsführer die Panik an den Märkten weiter an. Und damit die Energiepreise. Dabei gebe es vereinzelt durchaus Erfolgsmeldungen, etwa dass die deutschen Gasspeicher gut gefüllt sind, oder dass bundesweit im ersten Halbjahr 15 Prozent an Gas im Vergleich zum Vorjahr eingespart wurden.

    Die Augsburger Wäscherei der Firma Greif leidet unter den Energiepreisen

    Zurück nach Augsburg: 70.000 Kilowattstunden Gas braucht die Großwäscherei der Augsburger Greif-Gruppe am Tag für 100 Tonnen Wäsche, um Arbeitskleidung von Krankenpflegerinnen, Köchen und Bauarbeiterinnen wieder sauber zu bekommen. Das entspricht etwa dem, was ein Einfamilienhaus verbraucht – in drei Jahren. Die Verantwortlichen rechnen mit einer weiteren Verschlimmerung der Lage, 100.000 Euro pro Monat koste Greif allein die Gasumlage.

    Falls die Bundesnetzagentur im Herbst oder Winter mit dem sogenannten Notfallplan das Gas verteilen muss, rechnet das Familienunternehmen mit einem automatisch sinkenden Verbrauch. „Wir gehen davon aus, dass der Gasmangel auch unsere Kunden betreffen wird und dadurch leider auch unser Absatz und die Wäschemengen einbrechen werden“, sagt Martin Greif, einer der beiden Geschäftsführer der Greif-Gruppe. Bei einer weiteren Drosselung sei eine Umstellung auf alternative Energieträger geplant, um die Lücke zu schließen. Das sei aber teuer, sagt sein Bruder Markus Greif, ebenfalls Geschäftsführer.

    Gas. Strom. Alles immer teurer. Das sind die Schlüsselwörter der Zeitenwende mit Blick auf die heimische Wirtschaft. Die Handwerkskammer für Schwaben (HWK) erreichen verzweifelte Anrufe von Handwerksbetrieben. Inzwischen, heißt es von der HWK, schlössen viele Stromversorger keine Neuverträge mehr ab, da die Preise „kaum noch kalkulierbar“ seien. Ein einfacher Wechsel in einen günstigen Tarif ist daher für die Handwerksbetriebe nicht möglich. Alfred Kailing, stellvertre-tender Hauptgeschäftsführer der HWK, sagt: „Wir befürchten, dass sich diese Preise festsetzen und gehen von verheerenden Folgen aus. Diese Verteuerung im Strombereich wird die volkswirtschaftlichen Kosten der gesamten Pandemiezeit innerhalb eines Jahres übertreffen. Der daraus entstehende Schaden für die Wirtschaft käme einer Katastrophe gleich.“

    Die EU und auch die Bundesregierung wollen den Strommarkt reformieren. Aktuell gilt an der Leipziger Strombörse das sogenannte „Merit-Order Prinzip“. Es geht dabei um die Einsatzreihenfolge der anbietenden Energie-erzeuger. Kraftwerke, die billig Strom produzieren können, werden zuerst herangezogen, um die Nachfrage zu decken. Windkraftanlagen oder die bereits abgeschriebenen noch übrigen Atomkraftwerke. Am Ende, wenn aber viele Unternehmen viel Strom brauchen und entsprechend nachbestellen, richtet sich der Preis – um die Spitzen abzudecken – nach dem zuletzt geschalteten und somit teuersten Kraftwerk, um die Nachfrage zu decken. Das sind derzeit die Gaskraftwerke. So treibt der Gas- den Strompreis mit in die Höhe.

    Muss der Strommarkt reformiert werden?

    Bei der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft ist man zwar der Meinung, dass „Merit-Order“ sich bewährt hat. Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt sagt aber: „Die Preisbildung ist aus den Fugen geraten. Für eine Übergangszeit dürfen deshalb die Grenzkosten von Gaskraftwerken in der Merit-Order nicht mehr preisbestimmend sein. Den Preis gibt dann die zweitteuerste Erzeugungsvariante vor. Damit die Gaskraftwerke bei hoher Stromnachfrage weiter für die Erzeugung bereitstehen, übernimmt der Staat die bei ihnen anfallenden Mehrkosten.“

    Viele Vorschläge werden gerade diskutiert. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat etwas „Wuchtiges“ angekündigt. Wuchtig und bald sagt Konditormeisterin Dichtl aus Augsburg. Sie meint, dass der Strompreis gedeckelt werden muss. „Die Brezn soll ja zum Weltkulturerbe gemacht werden. Wenn das so weitergeht, gibt es die bald nur noch im Supermarkt.“

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden