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Energiekrise: Poker um den bayerischen Gasspeicher jenseits der Grenze in Österreich

Energiekrise

Poker um den bayerischen Gasspeicher jenseits der Grenze in Österreich

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    Im österreichischen Salzburg steht der für Bayern wichtigste Gasspeicher.
    Im österreichischen Salzburg steht der für Bayern wichtigste Gasspeicher. Foto: Manfred Fesl, dpa/APA

    Kein Zweifel: In Bayern steigt in Sachen Gasversorgung die Nervosität. Ein Grund dafür ist der Gasspeicher Haidach im österreichischen Salzburg – und die Frage, wie dessen Speicherkapazitäten vor dem kommenden Winter zwischen deutschen und österreichischen Energieversorgern aufgeteilt werden sollen. Für an das österreichische Netz angeschlossen werden. Man werde "Haidach für Österreich nutzbar machen", sagte Österreichs Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Dienstag in Brüssel. Offiziell freilich betonen die Regierungsspitzen von Bayern und Österreich gegenseitiges Einvernehmen.

    Bayerns Energieminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) gibt sich angesichts der österreichischen Pläne gelassen, wichtig sei, dass der Speicher rasch gefüllt werde. Bayern und Österreich würden ohnehin im selben Boot sitzen, seien auf gegenseitige Unterstützung angewiesen. Ministerpräsident Markus Söder aber macht Druck: Er verlangte am Dienstag die Offenlegung jener Verträge, die Österreich und Deutschland kürzlich zur Regelung der gegenseitigen Unterstützung bei der Gasbelieferung geschlossen haben. Er habe den Eindruck, dass bisher "nur für Österreich etwas passiere, und nicht für Bayern", sagte Söder.

    Gazprom entleerte den Gasspeicher in Haidach 2021 und füllte ihn nicht wieder auf

    Dass Österreich nun überhaupt Zugriff auf Haidach hat, liegt an einer Gesetzesänderung, die die Regierung in Wien bezüglich der Speichermodalitäten umgesetzt hatte: Zwei Drittel des Speichers Haidach gehörten bis Anfang Juli der Firma GSA, einer direkten Tochter der russischen Gazprom. Der Rest gehört der – schon länger unter deutscher Verwaltung stehenden – deutschen

    Gazprom allerdings nutzte den Speicher in den vergangenen Jahren kaum, entleerte ihn im Sommer 2021 und füllte ihn danach nicht mehr auf. Weniger als 10 Prozent der 21 TWH großen Kapazität waren per 1. Juli befüllt – gemäß den Nutzungsverträgen zwischen der GSA und dem technischen Betreiber der Anlage, der österreichischen RAG ermöglichte dies die besagte Gesetzesänderung. "Use it or lose it" - Verwenden oder Verlieren - heißt dieses Prinzip, dass auch bei anderen Gasspeichern zur Anwendung kommt. Der GSA wurden die Vermarktungsrechte für Haidach rechtskräftig entzogen, ab jetzt kann die Speicherkapazitäten zu buchen. Interessierte Firmen können sich bereits jetzt an die RAG wenden.

    Söder will Gasversorgung für bayerische Unternehmen sicherstellen

    Genau hier kommt der Gassicherungs-Vertrag ins Spiel, wegen dem Deutschlands Energieminister Robert Habeck seiner Amtskollegin Gewessler einen Besuch in Wien abgestattet hatte: Im Rahmen der EU-Vorgaben verpflichten sich beide Länder die Speicheranlagen nach Kräften gemeinsam zu befüllen. Bayerns Ministerpräsident Söder und vor allem der bayrischen Wirtschaft geht es darum, die Versorgungssicherheit mit Gas für bayrische Unternehmen sicherzustellen. Das Gas in Haidach soll "zum Überwiegenden Teil für Bayern da sein", betonte Söder.

    Doch auch Österreich hat sich zum Ziel gesetzt, alle verfügbaren Gasspeicher bis zur anstehenden Heizsaison zu 80 Prozent zu befüllen – Haidach sei dafür ein "zentraler Sicherheitspuffer für den Winter", sagte Gewessler am Dienstag. Ab 1. August, heißt es von österreichischer Seite, soll mit dem Befüllen begonnen werden. Wie gut dies gelingen wird, ist fraglich. Bleibt es bei den gedrosselten Liefermengen aus Russland, könnte es bis in den November dauern, bis das 80-Prozent-Ziel erreicht wird, heißt es seitens der österreichischen E-Control. Alternative Produzenten wie Norwegen haben bei Förderung und Lieferung bereits ihre Kapazitätslimits erreicht.

    Ökonom Gabriel Felbermayr: Drosselung von Gas kann zur Rezession in Deutschland führen

    Die Drosselung der Gaszufuhr aus Russland könnte zum Auslöser werden, dass die Wirtschaft in Deutschland in eine Rezession fällt, davon geht Professor Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung, aus. „Die Situation bei der Gasversorgung ist kritisch, ich befürchte, dass dies in einer Rezession münden kann“, sagte er in Augsburg, wo der Gastredner auf dem Sommerfest der Industrie- und Handelskammer war. „Deshalb sind die dringenden Sparappelle für Gas gerechtfertigt", sagt er unserer Redaktion.

    Professor Gabriel Felbermayr auf dem Sommerfest der IHK in Augsburg.
    Professor Gabriel Felbermayr auf dem Sommerfest der IHK in Augsburg. Foto: Peter Fastl

    Felbermayr warnt allerdings davor, angesichts der zu erwartenden Preissteigerungen den Gaspreis zum Beispiel staatlich zu deckeln. "Es ist wichtig, dass die hohen Kosten sichtbar werden und die Preissignale bei den Bürgern ankommen", sagte er. "Das ist nicht schön und politisch nicht leicht, ohne das kommt es aber zu keinen Einsparungen", erklärt er. Um Härten abzufedern, schlägt der Ökonom vor, zum Beispiel für die Basisversorgung ein Grundkontingent an Gas festzulegen, das bezuschusst oder kostenlos bereitgestellt wird. "Für alles, was darüber hinausgeht, sind die Preise dann zwar himmelhoch, müssen aber bezahlt werden."

    Österreich plant Gasspeicher in Haidach an das eigene Netz anzuschließen

    Auch für Unternehmen rät Felbermayr von Preisdeckelungen ab. "Wir können uns nicht vorstellen, dass der Preis von Gas in großem Maßstab subventioniert wird", sagte er. "Dies konterkariert Sparanreize und treibt den Verbrauch nach oben." Besser sei es, bei Bedarf direkte Hilfen oder Liquiditätshilfen zu leisten. Russland hat angekündigt, die Leistung der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 1 auf 20 Prozent zu drosseln.

    Angesichts der zu erwartenden Gas-Engpässe in Europa plant Österreich, den für Bayern wichtigen Gasspeicher Haidach bei Salzburg auch an das eigene Netz anzuschließen. Felbermayr erscheint dieser Schritt auch langfristig sinnvoll: "Eine gute Gas-Infrastruktur hilft uns allen. Ein Anschluss des Speichers in Haidach an das österreichische Netz verbessert die Versorgungssicherheit in beide Richtungen. Über Österreich könnte beispielsweise zukünftig auch algerisches Gas nach Bayern kommen", argumentiert der Ökonom. "Dass Bayerns größter Gasspeicher in Österreich liegt, aber nicht einmal an das österreichische Netz angeschlossen ist, zeigt, dass auf dem europäischen Energiemarkt noch viel zu tun ist", sagte er.

    In der Energiekrise auf Zusammenarbeit von EU-Staaten und gemeinsame Gas-Infrastruktur setzen

    Felbermayr warnt allerdings davor, dass bei einer Gasknappheit die Länder der EU egoistisch agieren und allein auf die eigene Gasversorgung schauen statt sich zu koordinieren. "Meine Sorge ist, dass die Solidarität in der EU bei Gas-Knappheit schnell leidet und die Kosten damit noch weiter steigen", sagte er. Die Länder seien auf eine gemeinsame Gas-Infrastruktur angewiesen. "Wenn das nicht ankommt in Europa, wird es im Herbst wirklich kalt." Eine Risiko sei zum Beispiel, dass in einem Land Industrien von der Gasversorgung abgeschaltet werden, die einen hohen Exportanteil haben. Die Folge könnte aber sein, dass dann in den Nachbarländern Vorprodukte fehlen und dort Unternehmen zwangsläufig stillstehen.

    Neben dem großen Problem Gas sieht der Forscher aber auch positive Entwicklungen für die Weltwirtschaft: "Bei den Seefrachtkosten und dem Preis für Erdöl dürfte das Schlimmste hinter uns liegen", sagte er. "Das hilft auch gegen die Inflation."

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