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Energiekrise: Flucht ins Ausland: Bayerns Wirtschaft warnt vor Deindustrialisierung

Energiekrise

Flucht ins Ausland: Bayerns Wirtschaft warnt vor Deindustrialisierung

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    Für viele Unternehmen könnte eine Betriebsverlagerung eine Option werden, um Kosten zu sparen.
    Für viele Unternehmen könnte eine Betriebsverlagerung eine Option werden, um Kosten zu sparen. Foto: Jan Woitas, dpa

    Bayern ist Industrieland. Der Anteil der Industrie an der gesamten Wertschöpfung ist mit 26 Prozent so hoch wie in keinem anderen Bundesland. Das erklärt, warum die massiven Kostensteigerungen für Energie hier besonders große Sorgen hervorrufen. Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), sieht gar eine existenzbedrohende Krise für die Wirtschaftsstruktur in

    "Dreh- und Angelpunkt sind die explodierenden Energiekosten sowie die Verunsicherung bei der Versorgungssicherheit. Viele Unternehmen befürchten einen Strom-Blackout und dass das Gas nicht reicht. Hinzu kommen die noch nie dagewesene Preissteigerung, Engpässe bei Material und Rohstoffen, Lieferkettenengpässe sowie der Arbeitskräftemangel", erklärt Brossardt am Freitag bei einem Gespräch mit Journalisten. Eine Rezession ist für das kommende Jahr seiner Meinung nach nicht mehr zu vermeiden. Er fürchtet sogar, dass die wirtschaftliche Talfahrt bis ins Jahr 2024 reichen wird.

    Volkswirte rechnen mit mehr Investitionen im Ausland

    Schuld daran sind nach der Analyse des vbw auch Dominoeffekte: Wenn die Industrie einbricht, strahlt das auch aus auf die beiden anderen Säulen der bayerischen Wirtschaft, das Handwerk sowie die Handels- und Dienstleistungsbranche. Doch während ein Installationsbetrieb, ein Bäcker oder ein Blumenladen auf die aus dem Ruder laufenden Kosten in letzter Konsequenz nur mit einer Betriebsaufgabe reagieren kann, steht in der Industrie plötzlich die Frage nach Standortverlagerungen wieder ganz weit oben auf der Agenda.

    Vermehrte Investitionen deutscher Unternehmen im Ausland erwartet auch das Ifo-Institut. "Der Kostenanteil für Energie ist auf den ersten Blick gar nicht so hoch", sagt Ifo-Ökonom Oliver Falck. Der Anteil der Energiekosten am Bruttoproduktionswert liegt in der Autobranche bei 0,5 Prozent, im Maschinenbau bei 0,8 Prozent und in der Chemie bei 3,1 Prozent. "Trotzdem kann ein starker Preisanstieg bei der Energie die Wettbewerbsfähigkeit gerade von denjenigen Branchen beeinträchtigen, die im harten internationalen Wettbewerb stehen und ohnehin schon wettbewerbsbedingt relativ geringe Umsatzmargen realisieren."

    Energie sparen bleibt das Gebot der Stunde

    Dazu kommt: Die hohen Energiepreise verstärken den Druck auf die ohnehin noch immer gestörten Lieferketten. Das Beispiel der fehlenden Kohlensäure hat vor kurzem Schlagzeilen gemacht. Aber auch bei dem für die Logistikbranche unverzichtbaren Dieselzusatz Adblue ist längst ein wildes Ringen um die Versorgung entbrannt. Und chemische Erzeugnisse werden auch für die Herstellung nahezu sämtlicher Industrieprodukte benötigt.

    Erstes Gebot in der aktuellen Lage ist für Brossardt daher, Energie zu sparen. "Die vbw hat an die Unternehmen in Bayern appelliert, trotz großer, bereits erfolgter Sparmaßnahmen noch einmal weitere Möglichkeiten des Energiesparens zu überprüfen. Aber auch die Haushalte sind gefordert. Die Appelle an die Bürger müssen deutlicher hörbar werden. Alle müssen sparen", sagt er. Gleichzeitig müsse aber auch die Angebotsseite verbessert werden. Für den vbw heißt das: Weiterbetrieb der drei noch laufenden Kernkraftwerke im Dauerbetrieb bis mindestens Ende 2024. Auch die angekündigte Reaktivierung der Kohlekraftwerke sei bislang nur sehr unzureichend umgesetzt.

    Der Staat profitiert auch von der Energiekrise

    Die Differenz zwischen Ankündigung und Umsetzung sieht Brossardt als größtes Manko der aktuellen Krisenpolitik. Bestes Beispiel sei der von vielen Betrieben geplante Fuel Switch, also der Wechsel des Energieträgers von Gas zu Öl. Die nötige Rechtssicherheit in Bezug auf den Emissionsschutz gebe es immer noch nicht. Dafür gibt es nun doch einen Gaspreisdeckel - und viele Unternehmen stellten sich die Frage, ob sich die Umstellung nun noch rechne, erklärt Brossardt. Am Ende wird so wieder Zeit verloren - Zeit, die nun keiner hat.

    Abgesehen davon könne der Staat, der durch die Entwertung seiner Schulden und höhere Steuereinnahmen auch von der Krise profitiert, ganz schnell helfen: "Alle staatlichen Kostenbestandteile – etwa Stromsteuer, Energiesteuer, nationaler CO2-Preis – müssen gesenkt beziehungsweise ausgesetzt werden. Außerdem muss die Vorauszahlung von Unternehmenssteuern ausgesetzt und der Verlustvortrag erhöht werden, damit Unternehmen nicht zusätzlich belastet werden“, fordert Brossardt .

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