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Energiekrise: EU: Übergewinne werden abgeschöpft

Energiekrise

EU: Übergewinne werden abgeschöpft

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    Hohe Strom- und Gaspreise machen der europäischen Wirtschaft erheblich zu schaffen.
    Hohe Strom- und Gaspreise machen der europäischen Wirtschaft erheblich zu schaffen. Foto: Federico Gambarini, dpa

    War dies nun der Durchbruch, als den einige EU-Vertreter die Einigung der 27 Mitgliedstaaten priesen? Immerhin war die Linie schon vor dem Treffen der Energieminister am gestrigen Freitag klar: Die Europäer wollten Solidarität demonstrieren – und nach wochenlangen Verhandlungen eine gemeinsame Antwort auf die explodierenden Energiepreise liefern. Angesichts der sich zuspitzenden Situation für Bürger und Betriebe verständigten sie sich auf Notmaßnahmen, die zumindest in den kommenden Monaten für Entspannung sorgen sollen.

    Zu ihnen gehört, dass künftig sogenannte Übergewinne von Stromproduzenten abgeschöpft werden. Es geht um Erlöse, die unvorhergesehen und ohne eigene Zusatzleistung erzielt wurden. Der Preis für Strom ist zwar nicht direkt an den Gaspreis gekoppelt, wird aber maßgeblich von ihm beeinflusst. Den Überschuss, gerechnet auf den Umsatz, müssen die Betreiber von beispielsweise Atomkraftwerken sowie Windenergie- und Solarparks künftig zu mindestens 90 Prozent an den Staat abführen, der das Geld wiederum an die Verbraucher umverteilen oder in Erneuerbare investieren muss. Die Preisobergrenze liegt bei 180 Euro pro Megawattstunde.

    Langfristig vor allem eine Lösung: „Sparen, sparen, sparen“

    Aber die EU wäre nicht die EU, würde es nicht auch eine Reihe von Ausnahmen geben, die am Ende erst dafür sorgen, dass man große Eintracht beschwören konnte. So wurde den Mitgliedsstaaten etwa Spielraum eingeräumt bei der beschlossenen Solidaritätsabgabe, die Hersteller von fossilen Energien wie Öl und Gas leisten sollen, etwa Raffinerien. Sie soll mindestens 33 Prozent auf Übergewinne betragen und kann 2022 oder 2023 erhoben werden oder aber in beiden Jahren. Den genauen Betrag dürfen die Regierungen festsetzen. Auch diese Einnahmen sollen direkt an stark belastete Haushalte fließen.

    Droht ein Flickenteppich von unterschiedlichen Maßnahmen-Modellen in der Gemeinschaft? Das befürchten zumindest Kritiker. Langfristig, so meinte ein EU-Diplomat diese Woche, gebe es vor allem eine Lösung: „Sparen, sparen, sparen.“ Auch der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sandte am Freitag „mit großer Dringlichkeit“ abermals seine Botschaft aus: „Wir müssen die Verbräuche runterbringen.“

    Ein verpflichtendes Stromsparziel in der EU

    Immerhin, die Minister einigten sich auf ein verpflichtendes Stromsparziel von fünf Prozent in Zeiten hoher Nachfrage. Dann kostet Strom besonders viel, da teures Gas zur Produktion genutzt werden muss. Insgesamt sollten die EU-Länder ihren Stromverbrauch freiwillig um zehn Prozent senken. Habeck warb außerdem für eine gemeinsame Einkaufsgemeinschaft bei Gas, die seiner Ansicht nach sofort umsetzbar wäre. „Wir können die Marktmacht Europas klug auf den Weltmärkten einsetzen und damit die Preise runterbringen“, sagte er und verwies auf volle Speicher auf dem Kontinent. Man sei nicht mehr in einer „erpressbaren“ Situation.

    Unterstützung für die Idee einer europäischen Beschaffungsplattform, die seit Monaten durch Brüssel geistert, erhielt er unter anderem aus Frankreich. Gleichwohl forderte Habeck, dass man vor allem mit befreundeten Ländern wie Norwegen, den USA und Algerien, die Pipeline-Gas liefern, darüber reden müsse, die Kosten zu senken. Doch einige Staaten verlangen drastischere Eingriffe in den Markt in Form eines Preisdeckels für Gas in der Stromerzeugung.

    Kommt das "iberische Modell"?

    Erst am Dienstag hatten 15 EU-Regierungen, darunter jene in Frankreich, in einem Brief an Energiekommissarin Kadri Simson diesbezüglich Vorschläge von der Brüsseler Behörde gefordert. Spanien etwa hat einen solchen Deckel bereits eingeführt. Das Ziel: Dass Gaskraftwerke billiger Strom produzieren könnten, sodass der Elektrizitätspreis sinken würde. Der Differenzbetrag zwischen dem tatsächlichen Marktpreis und dem festgesetzten niedrigeren Preis würde aus den Staatseinnahmen finanziert werden, die mit der Abschöpfung der Sondergewinne von Erzeugern mit weniger hohen Produktionskosten erzielt werden.

    Kommt also bald das „iberische Modell“ für die ganze EU? Die Kommission, bislang skeptisch gegenüber einem solchen Instrument, gab Mitte der Woche dem Druck nach und präsentierte ein Papier. Darin schlug sie zwar Optionen für einen solchen Preisdeckel vor, warnte aber, dass die Obergrenze so angelegt sein müsse, dass sie den Gesamtverbrauch nicht erhöhe. Die Sorge, dass durch die Einführung eines Preisdeckels mehr verbraucht werden könnte, wie dies in Spanien derzeit der Fall ist, wird auch in Deutschland geteilt.

    Beim Thema Gaspreisdeckel zeichnet sich also keine Einigung ab. Von einem Konsens sei man hier „weit entfernt“, räumte ein EU-Diplomat ein, nicht ohne nachzuschieben, man wolle sich auf das „in Rekordgeschwindigkeit“ Erreichte konzentrieren – Stichwort Solidarität.

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