Gas ist wieder deutlich billiger geworden. Der wichtigste europäische Gaspreis ist der Terminkontrakt TTF für niederländisches Erdgas. Er ist der Referenzwert für viele Gaskontrakte - und er ist nach langer Zeit wieder auf das Niveau vor Ausbruch des Krieges in der Ukraine gefallen. Am Dienstag pendelte er zwischen 70 und 80 Euro pro Megawattstunde. Anfang Dezember 2022 lag der Preis zeitweise noch über 150 Euro, der Rekordwert von über 340 Euro stammt aus dem August des vergangenen Jahres. Zum Vergleich: Anfang des Jahres 2021 pendelte der Preis noch zwischen 16 und 18 Euro je Megawattstunde.
Ausgelöst wurde die Preisrallye durch den russischen Einmarsch in der Ukraine und die folgenden heftigen Verschiebungen auf den europäischen Energiemärkten. Seitdem ist viel passiert. Mit Bezug auf den Gaspreis haben Politik und Energiewirtschaft die Weichen neu gestellt, etwa mit dem rekordverdächtig schnellen Bau eines ersten Flüssiggasterminals in der Nordsee. Am Dienstag hat in Wilhelmshaven der erste Tanker mit einer vollständigen Ladung Flüssigerdgas (LNG) festgemacht. Dämpfend auf die Preise wirkt auch, dass die Gasspeicher weiterhin sehr gut gefüllt sind, laut dem europäischen Speicherverband GIE lag der Füllstand am 2. Januar bei 90,2 Prozent. Zuletzt konnte sogar wieder Gas eingespeichert werden.
Durch milde Temperaturen sind die Gasspeicher Anfang 2023 gut gefüllt
Ermöglicht hat dies die insgesamt milde Witterung, trotz einiger Frosttage im Dezember. Der Silvestertag war vielerorts so warm wie noch nie seit Aufzeichnungsbeginn. Entsprechend ist auch der Heizbedarf der Haushalte gering. Nach einer aktuellen Analyse des Vergleichsportals Check24 auf Basis aktueller Gradtagszahlen des Deutschen Wetterdienstes ist er für die Monate September bis Dezember im Vergleich zum Vorjahr um etwa vier Prozent gefallen.
Die Heizkosten sind dennoch so hoch wie nie. Ein Musterhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 20.000 kWh Gas zahlte demnach in diesem Zeitraum im Schnitt 1110 Euro, um ein Reihenhaus mit Gas zu heizen - 68 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Dabei ist die Übernahme der Abschlagszahlung für Dezember durch den Staat, in diesem Beispiel sind das 274 Euro auf Basis des durchschnittlichen Gaspreises für 2022, schon berücksichtigt. Ohne diese Entlastung lägen die Kosten laut Check24 um 110 Prozent über dem Vorjahreszeitraum.
Doch der Staat übernimmt noch mehr. So beträgt die Mehrwertsteuer für Erdgas seit dem 1. Oktober nur noch sieben statt bislang 19 Prozent. Und die Gaspreisbremse, die zum 1. März in Kraft treten soll, wirkt auch rückwirkend für die Monate Januar und Februar. Das bedeutet, de facto ist bereits jetzt für 80 Prozent des im September 2022 prognostizierten Jahresverbrauchs der Gaspreis für private Haushalte und kleine sowie mittlere Unternehmen auf 12 Cent je Kilowattstunde gedeckelt. Die Differenz zum realen Marktpreis übernimmt der Staat.
Prognose: Gas wird wohl nie mehr so billig werden wie vor dem Ukraine-Krieg
Für alles, was über diesem Kontingent verbraucht wird, müssen die teureren Marktpreise des jeweiligen Gasliefervertrags bezahlt werden. Sparen lohnt sich allerdings trotzdem: Für jede eingesparte Kilowattstunde Gas über die 80 Prozent des prognostizierten Jahresverbrauchs muss der Energieversorger den hohen neuen Gaspreis erstatten. Auf Dauer kann der Staat aber nicht den Löwenanteil der Energierechnung übernehmen. Umso dringender stellt sich die Frage, wann der Rückgang der Börsenpreise bei den Endverbrauchern ankommt. Voraussagen dazu mag kaum jemand treffen. Doch nicht nur Finanzminister Christian Lindner (FDP) geht, wie er jüngst in einem Interview erklärte, auf Dauer von höheren Energiepreisen aus.
Eine Sprecherin von Energie Schwaben, dem Grundversorger für Gas in der Region, erklärt auf Anfrage: "Die momentan niedrigeren Preise lassen darauf hoffen, dass sich der aufgeheizte Markt beruhigt. Sicher aber ist, dass sich der Gaspreis auf einem höheren Niveau einpendeln wird, als wir es gewohnt waren, da Russland als Lieferant ersetzt werden muss." Zudem ist der aktuelle Börsenpreis nur ein Teil der Gesamtkalkulation der Versorger.
Die Industrie kann nicht so schnell auf Alternativen umstellen
"Teilweise haben wir voraussichtlich benötigte Mengen schon mehrere Jahre im Voraus eingekauft. Nur einen kleineren Teil des Gases kaufen wir auf dem Spotmarkt. Das hat uns in der jüngsten Zeit dabei geholfen, dass wir Preiserhöhungen an den Börsen nicht sofort und vollständig an unsere Kundinnen und Kunden weitergeben mussten", so die Sprecherin weiter. Auf die Frage, ob durch den massiven Ausbau der LNG-Infrastruktur, volle Speicher und die Umstellung auf alternative Arten der Energieversorgung in der Industrie mittelfristig nicht deutlich mehr Gas auf dem Markt sein könnte als gebraucht, sagt sie: "Da Erdgas ein global gehandeltes Gut ist, wird auch ein temporäres Überangebot, zum Beispiel durch einen sehr warmen Winter, nicht zu deutlichen Preisrückgängen führen. In Nordamerika sehen wir zum Beispiel gerade deutlich niedrigere Temperaturen und einen vergleichsweise strengen Winter – damit wird auch LNG aus Nordamerika teurer."
Gerade Teile der Industrie könnten gar nicht so schnell vollständig auf andere Energieträger umsteigen. Daher rechnet das Unternehmen damit, dass der Bedarf in Deutschland, Europa und der Welt nur schrittweise zurückgeht. Entsprechend langsam dürften demnach die Preise sinken - ohne am Ende das Vorkrisen-Niveau zu erreichen. "Aufgrund der aktuellen Situation besteht übereinstimmend der große politische Wille, sich künftig von Gas aus Russland unabhängig zu machen. Neben der Erschließung neuer Lieferanten müssen wir hierfür die Anstrengungen zu mehr grüner Energie verstärken: Unsere Energie-Zukunft sind innovative und nachhaltige Energiekonzepte und der Ausbau erneuerbarer Energien", betont die Unternehmens-Sprecherin.