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Lesetipp: Hier wird aus Bioabfall Erdgas – die Lösung für die Energiewende?

Lesetipp

Hier wird aus Bioabfall Erdgas – die Lösung für die Energiewende?

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    Unter dieser Kuppel wird aus Biomüll Biogas.
    Unter dieser Kuppel wird aus Biomüll Biogas. Foto: Abfallverwertungsanlage Augsburg

    Die Halle ist dämmrig. Es riecht streng, süß, ein wenig nach Verwesung. In einer Ecke dampft eine beachtliche Menge Biomüll. Ein Radlader nimmt eine Schaufel vom Berg und wirft die dampfende Masse auf ein Förderband. Dort wird sie zerkleinert und gesiebt. Falsch entsorgte Plastiktüten oder große Stöcke werden aussortiert, der feinere Rest weitertransportiert. Die ersten Schritte, damit aus den Bio- und Gartenabfällen, die in Augsburg, und den Landkreisen Deutschland von Erdgasimporten unabhängig zu machen. Jedenfalls ein bisschen.

    Dieter Braun führt von Halle zu Halle. Er leitet den Vertrieb und das Marketing der AVA. Er zeigt die großen Lagerbehälter, in denen der zerhäckselte Biomüll aufbewahrt wird. Deutet auf die drei Fermenter. Ruhig und geduldig erklärt er die Technik, beantwortet alle Fragen. Er sagt: Anlagen wie diese könnten zwar einen Beitrag leisten, um von russischem Erdgas unabhängig zu werden, ein Allheilmittel seien sie nicht.

    Die meisten Biogasanlagen erzeugen Wärme und Strom

    An rund 9000 Standorten in Deutschland wird Biogas produziert. Die Mehrheit der Anlagen funktioniert anders als jenes Modell, das Braun zeigt. Bis zu dem Punkt, an dem aus der Biomasse bei der Energiewende spielen könnte. Die biologischen Stoffe – mal Biomüll, mal Gülle, meistens Mais-Silage – werden unter Ausschluss von Sauerstoff und Licht vergoren. So entsteht ein Gemisch, das etwa zur Hälfte aus Methan und Kohlenstoffdioxid besteht.

    Die meisten Biogasanlagen im Land nutzen dieses Gasgemisch, um in einem Blockheizkraftwerk Strom zu erzeugen. Viele speisen zusätzlich die Abwärme, die dabei entsteht, in ein Wärmenetz ein. Bei der AVA haben sie sich aber für etwas anderes entschieden. „Wir haben hier die Müllverbrennungsanlage und nebenan ein Biomasseheizkraftwerk. Also produzieren wir im Augsburger Osten schon ausreichend Fernwärme. Deshalb wandeln wir das Biogas in Biomethan um und speisen es ins Erdgasnetz ein“, sagt Braun. Auch das ist möglich.

    In Deutschland gehen etwa 240 Anlagen so vor – also nur ein kleiner Teil. Der Grund: Das Einspeisen von Biomethan ins Erdgasnetz lohnt sich nur für größere Anlagen. Denn die Geräte, die Methan vom Kohlenstoffdioxid trennen, sind teuer.

    In der AVA in Augsburg wird aus Biogas Biomethan gewonnen – das gleicht Erdgas

    94.000 Tonnen Biomüll verarbeitet die AVA im Jahr unter anderem zu Biomethan, das dann ins Erdgasnetz eingespeist wird. Im Netz ist es von fossilem Erdgas nicht mehr zu unterscheiden. Würde man das Gas der AVA nutzen, um damit zu heizen, könnte es 4000 Haushalte versorgen, sagt Braun. Das abgespaltene CO₂ wird in flüssiger Form in zwei großen Silotürmen gelagert. „Auch das verkaufen wir“, sagt Braun. Alles, was nach der Vergärung im Fermenter bleibt, wird ebenfalls verarbeitet – zu Kompost und Flüssigdünger.

    In den beiden Silotürmen wird flüssiges CO₂ aufbewahrt. Es entsteht bei der Produktion von Biomethan. Davor dampft die gefilterte Abluft aus den Hallen.
    In den beiden Silotürmen wird flüssiges CO₂ aufbewahrt. Es entsteht bei der Produktion von Biomethan. Davor dampft die gefilterte Abluft aus den Hallen. Foto: Christina Heller-Beschnitt

    Ginge es nach Jens Dammer, würden in Schwaben mehr Biogasanlagen stehen, die Biomethan liefern. Dammer ist Mitglied der Geschäftsführung von

    Müsste dann nicht jetzt die Stunde der Biomethan-Anlagen schlagen? Mit dem hohen Gaspreis sei es nun zwar lohnenswerter, sagt Dammer, aber um neue Anlagen zu bauen, fehle vielen die Verlässlichkeit. „Wir wissen nicht, wie sich die Preise entwickeln, und um eine solche Investition zu tätigen, braucht es eine Sicherheit für zehn bis 20 Jahre“, sagt er und fordert von der Politik klare Regelungen und Richtlinien, mit denen sich der Bau und Betrieb von Biomethan-Anlagen lohne.

    Welche Rolle spielt Biogas in der Energiewende?

    Wäre das also die Lösung? Alle Biogasanlagen speisten ihr Methan ins Netz ein, und schon wäre Deutschland unabhängig von Gasimporten? Jens Dammer sagt: „Im allerbesten Fall könnte man mit Biomethan etwa 25 Prozent des Gasbedarfs decken. Momentan liegt der Anteil im Netz im einstelligen Prozentbereich.“ Dazu kommt: Auch die Blockheizkraftwerke, die Biogas vor Ort in Strom und Wärme umwandeln, spielen bei der Energiewende eine Rolle – oder könnten es.

    Sie könnten große Gaskraftwerke ersetzen, sagt der Leipziger Martin Dotzauer. Bisher produzierten die meisten Anlagen ununterbrochen Strom und speisen ihn ein. Schon seit einiger Zeit setze die Politik Anreize, die Strom- und Wärmeproduktion dieser Blockheizkraftwerke zu flexibilisieren. Das Ziel: Biogasanlagen sollen das Land in Dunkelflauten mit Strom versorgen. Also immer dann, wenn weder der Wind weht noch die Sonne scheint. Um das zu schaffen, müssten viele Biogasanlagen umgebaut, die Gasspeicher größer werden. Dazu müssten die Blockheizkraftwerke so gestaltet werden, dass sie die Leistung, die sie noch im Laufe eines ganzen Tages erbringen, zukünftig in kürzerer Zeit schafften, sagt Dotzauer. Aus der Sicht des Forschers würde sich die Investition in diesen Umbau aber lohnen. Denn wenn Strom aus Sonne und Wind fehlt, steigen die Preise am Markt. Biogasanlagen-Betreiber könnten ihren Strom also zu höheren Preisen verkaufen.

    Bleibe eine Frage: Woraus soll die Bioenergie gewonnen werden? Bisher stammt sie vor allem von Energiepflanzen wie Mais und Raps. Das ist ziemlich umstritten. Zwar können die Pflanzen leicht angebaut und verarbeitet werden. Doch schon lange beklagen Umweltschutzverbände die Monokulturen, die mit ihrem Anbau einhergehen, und das Artensterben, das so beschleunigt wird. Dazu kommt noch eine andere Diskussion: Die Konkurrenz um die Flächen, auf denen die Energiepflanzen gedeihen, wächst. Futtermittelpreise steigen, und auf den Feldern könnten stattdessen Nahrungsmittel wachsen.

    Eigentlich müssten für die Bioenergie vermehrt Gülle oder Lebensmittelabfälle genutzt werden

    Der Forscher Dotzauer und der Schwaben-Regenerativ-Mann Dammer sind sich deshalb einig: Für die Bioenergie müssten vermehrt Quellen wie Gülle, Lebensmittelabfälle aus Kantinen oder Biomüll genutzt werden. „Das passiert bisher aber fast nicht, denn das Sammeln ist mit einem hohen logistischen Aufwand verbunden“, sagt Dotzauer. Gülle und Biomüll fielen etwa in kleineren Mengen an vielen verschiedenen Orten an. Bisher würden sie deshalb kaum genutzt.

    Doch anscheinend besteht Interesse, das zu ändern. „Ich würde jetzt nicht von einer Welle des Interesses sprechen“, sagt Jens Dammer. „Aber wir bekommen momentan immer wieder Anfragen von Menschen, die aus ihrer Gülle Biomethan machen möchten.“ Und auch Dieter Braun, der Vertriebsleiter der AVA, sagt, das Unternehmen denke gerade darüber nach, sich zu vergrößern. „Das Interesse, Biomüll auch von anderen Orten als der Stadt Augsburg und den beiden Nachbarlandkreisen zu verwerten, wäre da.“

    Zur Serie: In unserer Serie „Weg von Öl und Gas“ stellen wir im Sommer 2022 Projekte und Unternehmen in der Region vor, die die Transformation der Energieversorgung anpacken und gestalten.

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