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Energie: Industriestrompreis von 6 Cent: Das plant der Wirtschaftsminister

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Industriestrompreis von 6 Cent: Das plant der Wirtschaftsminister

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    Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck will besonders energieintensive Branchen mit Steuergeld unterstützen.
    Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck will besonders energieintensive Branchen mit Steuergeld unterstützen. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Das große Pokern ist eröffnet. Am Freitag hat Robert Habeck seinen lang erwarteten Vorschlag zur Unterstützung der energieintensiven Industrien in Deutschland vorgelegt. Damit geht der grüne Wirtschaftsminister inhaltlich frontal auf Konfrontationskurs zu Christian Lindner. Der liberale Finanzminister hatte bereits Anfang der Woche in einer Art Präventivverteidigung in einem Gastbeitrag im Handelsblattdie Idee eines staatlich subventionierten Industriestrompreises rundherum abgelehnt.

    Habecks Vorschlag dürfte Lindners Befürchtungen nun noch übertroffen haben. Das Papier aus dem Wirtschaftsministerium sieht vereinfacht gesagt zwei Säulen zur Unterstützung der von stark gestiegenen Stromkosten in ihrer Wettbewerbsfähigkeit bedrohten Industrien vor. Zum einen soll mit dem geplanten massiven Ausbau der erneuerbaren Energien und der Übertragungsnetze das Angebot an Strom erhöht werden. Zudem sollen energieintensive Betriebe leichter Zugang zu Ökostrom bekommen – und zwar möglichst zu Erzeugungspreisen. Dafür sollen die Unternehmen direkt mit den Erzeugern Verträge schließen, Investitionen in neue Anlagen sollen über staatliche Garantien abgesichert werden.

    Habeck will einen steuerfinanzierten Brückenstrompreis

    Weil all diese Maßnahmen aber dauern und der Druck aus der Industrie täglich steigt, endlich für niedrigere Stromkosten zu sorgen, sieht Habecks Plan noch eine zweite Säule vor. Ein sogenannter Brückenstrompreis soll bis 2030 die Preise drücken. Konkret sollen Betriebe genau definierter Branchen und Verbräuche Strom für 6 Cent pro Kilowattstunde beziehen können. Die Differenz zum Marktpreis übernimmt der Staat. 25 bis 30 Milliarden Euro dürfte diese Maßnahme kosten. Weil im regulären Haushalt kein Spielraum mehr ist, soll das Geld hierfür erneut aus einem Sondertopf kommen. Habeck schielt dafür auf den Wirtschaftsstabilisierungsfonds, räumt aber ein, dass hierfür zwingend ein neuer Parlamentsbeschluss nötig ist.

    Die Wirtschaft in Deutschland fordert eine deutliche Entlastung bei den Energiepreisen.
    Die Wirtschaft in Deutschland fordert eine deutliche Entlastung bei den Energiepreisen. Foto: Julian Stratenschulte, dpa

    Selbst der Wirtschaftsminister hält so ein Vorgehen "in hohem Maße begründungspflichtig", wie es in dem Papier heißt. Aber er liefert die Argumentationshilfe gleich mit. Demnach würden die Strompreise auch in den nächsten fünf Jahren noch doppelt so hoch sein, wie vor dem russischen Angriff auf die Ukraine. Nachdem die USA und China mit beinharter Industriepolitik einheimische Unternehmen bevorzugten, drohe Deutschland eine Deindustrialisierung und der Verlust von Wertschöpfung und Beschäftigung.

    Dieser Analyse stimmt im Grundsatz auch Veronika Grimm zu. Die Energieexpertin und "Wirtschaftsweise" hält einen Industriestrompreis dennoch für falsch. "Mit Blick auf die Energieversorgung gilt es, alles daranzusetzen das Angebot auszuweiten. Dann wird Strom auch billiger. Mit einem Industriestrompreis ist dies nicht der Fall, hier geht es lediglich um Umverteilung: einige zahlen weniger, dafür aber andere mehr", sagte die Nürnberger Ökonomin unserer Redaktion. Der geplante Erhalt von Wertschöpfung durch niedrigere Energiekosten könnte sich am Ende in sein Gegenteil verkehren, da innovative Unternehmen und Mittelständler so strukturell benachteiligt würden.

    Wirtschaftsweise Veronika Grimm kritisiert die Pläne von Robert Habeck

    "Besonders skurril mutet es an, dass nun zunächst das Stromangebot durch das Abschalten der Kernkraftwerke reduziert wurde, man jetzt aber mit Milliardensubventionen den Strompreis senken möchte", kritisierte Grimm. Auch der Idee des Wirtschaftsministeriums, den Bezug billigen Stromes an langfristige Standortgarantien und wenn möglich sogar noch an Tariftreue zu koppeln, erteilt sie eine Absage: "Das kann Nachteile mit sich bringen, weil es natürlich sowohl aufseiten des Unternehmens als auch aufseiten des Staates zu einem großen Aufwand führt."

    Lob und Kritik kommt aus der Wirtschaft. Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), nannte einen subventionierten Industriestrompreis am Freitag einen "Gamechanger". Er bemängelte aber den Ausschluss mittelständischer Unternehmen aus dem Empfängerkreis. Das kritisierte auch Hildegard Müller, die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA): "Dabei ist gerade dieser Sektor ebenfalls auf wettbewerbsfähige Strompreise angewiesen."

    Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) begrüßt Habecks Konzept grundsätzlich. "Der angestrebte Brückenstrompreis von sechs Cent pro Kilowattstunde, der bis 2030 gelten soll, ist ein erster Schritt. Damit wären wir im europäischen Kontext wettbewerbsfähig", erklärte vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Klar sei aber auch, dass die Strompreise bei internationalen Wettbewerbern immer noch darunter lägen. Wichtig sei nun die Geschwindigkeit bei der Umsetzung.

    Veronika Grimm warnt vor einer Verzögerung des Strukturwandels

    Grundsätzlich anders anpacken würde das Problem die Ökonomin Grimm. Sie rät, Deutschland solle besser in die Stärkung seiner Standortvorteile investieren, anstatt zu versuchen, auf diese Art Standortnachteile abzufedern. Das werde dauerhaft ohnehin nicht gelingen und in vielen zukunftsweisenden Industrien seien die Energiepreise nicht der entscheidende Standortvorteil. 

    Eine Subventionierung großer energieintensiver Unternehmen dürfte den notwendigen Strukturwandel hinauszögern. "Im schlimmsten Fall erhalten die Unternehmen ihre Tätigkeit noch aufrecht, solange die Standortgarantien gegeben werden müssen, fahren dann aber ihre Aktivitäten zurück. Dann wäre nichts gewonnen, im Gegenteil: Man verpasst es, zukunftsfähige Strukturen aufzubauen und hinkt dann anderen Wirtschaftsräumen hinterher – wie zuletzt bei Batteriefahrzeugen und Wärmepumpen."

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