In Bayern sind Politiker und Vertreter der Energiewirtschaft besorgt darüber, dass im Freistaat immer weniger Strom produziert wird und damit die Abhängigkeit von Importen steigt. "Im Winter müssen wir in vielen Stunden 70 Prozent unseres Bedarfs importieren", warnt Martin Stümpfig, Sprecher für Energie und Klimaschutz der Grünen im Landtag. "Wir hängen am Tropf der nördlichen Bundesländer. Eine krisensichere Stromversorgung sieht anders aus!", sagte er im Gespräch mit unserer Redaktion.
Ähnlich sieht man es in der Energiewirtschaft: "Ich bin kein Freund von allzu großer Importabhängigkeit und schon gar nicht im Winter, wenn es darauf ankommt und alles knapp ist", sagt auch Detlef Fischer, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW). "Wenn es beispielsweise unserem Nachbarland Frankreich in den nächsten beiden Jahrzehnten nicht gelingen sollte, seine Kernkraftwerke adäquat zu ersetzen, darf man gespannt sein, welche Konsequenzen dies auf den europäischen Strommarkt hat", warnt er.
Nach VBEW-Berechnungen ist Bayern bei seiner Stromproduktion auf das Niveau der 80er Jahre zurückgefallen. Im vergangenen Jahr seien im Freistaat rund 64 Terawattstunden Strom erzeugt worden. Im Jahr 2012 waren es noch fast 94 Terawattstunden. Gleichzeitig wächst der Strombedarf aber gewaltig. E-Autos und Wärmepumpen haben daran einen Anteil. „Wir gehen davon aus, dass sich der heutige Stromverbrauch für das klimaneutrale Bayern bis 2040 in etwa verdoppeln wird", so VBEW-Chef Fischer.
Erneuerbare Energien können die Kernkraftwerke noch nicht ersetzen
Das Problem ist, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien die abgeschalteten Kernkraftwerke noch längst nicht ersetzen kann. Ein Lichtblick sei lediglich die Fotovoltaik. Hier wurde 2023 so viel Leistung wie noch nie in einem Jahr zugebaut, so die VBEW. Schwieriger sieht es noch immer in der Windkraft aus. Im Jahr 2023 kamen dem Bundesverband Windenergie zufolge nur sieben neue Windräder im Freistaat hinzu.
Einen stärkeren Ausbau der erneuerbaren Energien hält deshalb die CSU-Europaabgeordnete und Energie-Expertin Angelika Niebler für unverzichtbar. "Zum anderen brauchen wir dringend zusätzliche Gaskraftwerke, die einspringen, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint", betont sie. Diese könnten künftig mit grünem klimafreundlichem Wasserstoff laufen. Doch auch hier geht es offenbar nicht richtig voran. Die Bundesregierung habe ihr Konzept für den Gaskraftwerksausbau bis heute immer noch nicht vorgelegt, kritisiert Niebler. Auch Bertram Brossardt, der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, fordert mehr Bewegung. "Die angekündigte Kraftwerkstrategie des Bundeswirtschaftsministeriums ist überfällig", sagt auch er.
Die Staatsregierung hätte gerne eine dritte große Stromtrasse nach Bayern
Und wenn es am Ende doch nicht gelingt, genügend neue Kraftwerke für den künftigen Strombedarf zu bauen? In der bayerischen Politik stellt man sich darauf ein, dass es nötig werden könnte, doch mehr Strom zu importieren und dafür mehr Leitungen zu bauen: Bei der CSU-Klausur in Kloster Banz formulierte die Fraktion die Forderung nach mehr Tempo beim Ausbau von Stromleitungen. Mitte November wurde Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger bei der Bundesnetzagentur vorstellig und forderte in einem Brief im Namen der Staatsregierung eine dritte Stromtrasse. Neben den Trassen SuedLink und SuedostLink brauche Bayern eine dritte große Stromautobahn aus Norddeutschland. Begründung: In den bisherigen Planungen werde der künftige Strombedarf in Bayern "erheblich unterschätzt". Aiwanger hatte sich in der Vergangenheit gegen weitere Stromtrassen ausgesprochen und dafür plädiert, mit Strom aus Windkraftwerken Wasserstoff zu erzeugen und so Gaskraftwerke zu betreiben.