Die Temperaturen sind rekordverdächtig mild, die Gasspeicher zu mehr als 95 Prozent gefüllt: Die Sorge aus dem vergangenen Jahr, dass die Deutschen in kalten Wohnungen sitzen müssen, scheint verschwunden. Auch durch eine massive finanzielle Kraftanstrengung des Staates blieben Gas und Strom für die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher zumindest bezahlbar. Zum Ende des Jahres sollen die Energiepreisbremsen nun auslaufen – doch die Regierung überlegt, ob die Maßnahme zumindest bis Ende April 2024 verlängert werden soll.
Beschlossen ist zwar noch nichts, doch die Stimmen sowohl aus SPD, Grünen als auch FDP gehen in die gleiche Richtung. Nun ruft aber die Monopolkommission – ein unabhängiges Gremium, das die Bundesregierung berät – dazu auf, die Preisbremsen zum Jahresende auslaufen zu lassen. Der Expertenkreis stellt die Wirkung des teuren staatlichen Eingriffes infrage.
Energiepreisbremsen: Kommission rät stattdessen zu punktueller Unterstützung
Als sozialpolitische Maßnahme seien direkte Transfers für bedürftige Haushalte besser geeignet als Eingriffe in das Preissystem in Form eines „subventionierten Basisbedarfs“, heißt es in dem Gutachten der Kommission. Statt zur Gießkanne rät sie also zu punktueller Unterstützung. Direkte Transfers könnten „zielgenau“ gestaltet werden und würden zudem nicht zu Fehlanreizen führen. Auf den Energiemärkten müsse wieder mehr Wettbewerb zwischen den Anbietern herrschen. Das könne vorangetrieben werden, indem man die Wechselbereitschaft der Verbraucher steigert.
Durch die Energiepreisbremsen wurde genau das eher ausgebremst, da sich die Preise auf einem ähnlichen Niveau bewegt haben – der Druck des Marktes wurde auch von den Anbietern ferngehalten. Viele von ihnen gingen mit ihren Preisen nur zögerlich nach unten. Inzwischen liegen fast nur noch Tarife der Grundversorgung über den Preisbremsen, während sich alternative Anbieter fast immer unterhalb bewegen. Im Schnitt liegen die Kosten für Strom und Gas aber noch immer nicht auf Vor-Krisen-Niveau.
Verlängerung der Energiepreisbremsen würde 907 Millionen Euro kosten
Für eine Verlängerung der Preisbremsen müsste der Staat tief in die Tasche greifen. Berechnungen des Vergleichsportals Check24 gehen von insgesamt rund 907 Millionen Euro aus. „Beim Strom belaufen sich die Subventionskosten des Staates durch die Verlängerung der Strompreisbremse auf insgesamt rund 428 Millionen Euro – lediglich durch die Kunden in der Grundversorgung“, so Check24. Die Verlängerung der Gaspreisbremse würde rund 479 Millionen Euro kosten, da die Grundversorger mehrheitlich Preise oberhalb der Preisbremse verlangen.
Bei der Strom- und der Gaspreisbremse wird der Preis für einen Großteil des Verbrauchs der Privathaushalte gedeckelt. Die Grenze liegt für Strom bei 40 Cent und für Gas bei 12 Cent je Kilowattstunde. Den Rest übernimmt der Staat. Allein durch einen Wechsel der Haushalte von der teuren Grundversorgung für Strom und Gas in alternative Tarife könnten sowohl die Verbraucher selbst als auch der Staat Millionen sparen. „Mit Verlängerung der Energiepreisbremsen werden weiterhin vor allem die hohen Preise der Grundversorger subventioniert“, warnt Steffen Suttner, Geschäftsführer Energie bei Check24.
Wirtschaftsweise Veronika Grimm spricht sich für Verlängerung der Preisbremsen aus
Und doch sprechen sich längst nicht alle Experten für ein Auslaufen der Preisbremsen für Energie aus. „Die Situation kann im Winter durchaus angespannt werden, wenn der Winter besonders kalt wird oder Russland die Lieferung in EU-Mitgliedsstaaten einstellt, die aktuell noch beliefert werden“, sagt die Wirtschaftsweise Veronika Grimm unserer Redaktion. „Dann könnten die Gaspreise an den Börsen wieder in die Höhe schnellen.“ Die Preisbremsen seien eine Versicherung gegen Kostensteigerungen im Falle erneut ansteigender Gaspreise im Winter. Die Ökonomin ist Mitglied des Sachverständigenrates für Verbraucherfragen. Der hat am Montag eine Studie vorgelegt, die zeigt: Der Anteil der Haushalte, die mehr als zehn Prozent ihres verfügbaren Einkommens für Strom und Heizung ausgeben, hat seit Beginn des Krieges in der Ukraine deutlich zugenommen. „Es zeigt sich in den Daten auch: Der Höhepunkt der Kostensteigerungen scheint für die meisten Haushalte überschritten zu sein, insbesondere seit dem zweiten Quartal 2023 nehmen die Anhebungen der Abschlagszahlungen kontinuierlich ab“, so Grimm. „Seit diesem Zeitpunkt greifen auch die Preisbremsen für Strom und Gas.“
Die seien besonders für Ärmere entscheidend. „Einkommensschwächere Haushalte leben häufiger in schlechter isolierten Wohnungen und heizen häufiger mit Energieträgern wie Öl und Gas, die in der Energiekrise besonders stark verteuert haben“, sagt Grimm. „Vor dem Hintergrund besonderer Belastungen von Haushalten im unteren Einkommensbereich ist die Versicherungsfunktion der Energiepreisbremsen durchaus von Bedeutung.“