In seltener Einigkeit fordern Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und die Gewerkschaft IG Metall, dass die Bundesregierung in vollem Umfang an ihrem Strompreispaket festhält. "Auch nach dem aktuellen Urteil des Bundesverfassungsgerichtes müssen alle Maßnahmen aus dem Strompreispaket realisiert werden", heißt es in einem gemeinsamen Schreiben Söders und des bayerischen IG-Metall-Chefs Horst Ott an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), das unserer Redaktion vorab vorlag. "Dies umfasst dabei zwingend auch die ursprünglich vorgesehenen Bundeszuschüsse zu den Übertragungsnetzentgelten in Höhe von 5,5 Milliarden Euro für das Jahr 2024", betonten der Ministerpräsident und die Gewerkschaft. Die Bundesregierung hat indes nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichtes und dem Druck zu Einsparungen bereits deutlich gemacht, dass sie den 5,5-Milliarden-Zuschuss nicht zahlt. Die Energiebranche will die dadurch höheren Netzkosten auf den Strompreis umlegen.
Der Ministerpräsident und die IG Metall warnen davor, dass zu hohe Strompreise zu einer Gefahr für den Industriestandort Deutschland werden und Arbeitsplätze vernichten. Es bestehe trotz der im November beschlossenen Maßnahmen zum Strompreis "die große Gefahr einer Deindustrialisierung Deutschlands", schlagen Söder und Ott Alarm. "Eine Produktion in Deutschland in Gießereien, Schmieden, Aluminiumhütten, Stahlwerken und zahllosen weiteren energieintensiven Unternehmen zum Beispiel der chemischen Industrie und anderer Branchen ist so kaum mehr wirtschaftlich darstellbar", warnen sie. Dies gefährde die gesamte industrielle Wertschöpfungskette. "Damit stehen in Deutschland hunderttausende tarifliche, gut bezahlte Arbeitsplätze mit guten Arbeitsbedingungen zur Disposition. Die dort beschäftigten Menschen sorgen sich um ihre Zukunft."
Söder und IG Metall: Strompreispaket der Regierung kann nur "ein erster Schritt" sein
Das im November beschlossene Strompreispaket der Regierung begrüßen Ministerpräsident und IG Metall, halten es aber nicht für ausreichend. Das Paket könne "nur ein erster Schritt sein", heißt es in dem zweiseitigen Brief an den Bundeskanzler. Die Regierung hatte in dem Paket eine Senkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe vorgesehen. Zudem soll die sogenannte Strompreiskompensation um fünf Jahre verlängert werden. Diese Beihilfe erhalten Industriebetriebe mit besonders stromintensiver Produktion, zum Beispiel Papier-, Zellstoff-, Kupfer-, Stahl- oder Aluminiumhersteller. Die Beihilfe soll verhindern, dass die Produktion dieser Materialien ins Ausland verlagert wird, wo womöglich noch mehr CO2 ausgestoßen werden würde. Bisher entlastet die Strompreiskompensation in Deutschland rund 350 Unternehmen.
Freistaat und Gewerkschaft sorgen sich, dass die Hilfen zeitlich befristet sind und den Firmen damit Planungssicherheit fehlt: "Kritisch ist, dass die Finanzierung der Maßnahmen – unabhängig vom aktuellen Urteil des Bundesverfassungsgerichtes – jeweils nur kurzfristig gesichert ist, bei der Stromsteuer zum Beispiel nur bis 2025", kritisieren Söder und Ott. Damit sei der Planungshorizont viel zu kurz, um nachhaltige Investitionsanreize in Deutschland und Bayern zu setzen.
Bereits im Frühjahr hatte Söder eine Kundgebung der IG Metall in Meitingen im Kreis Augsburg besucht, wo mit den Lechstahlwerken eines der energieintensivsten Unternehmen Bayerns seinen Sitz hat. Bereits damals ging es um bezahlbaren Strom für energieintensive Branchen.
Brückenstrompreis gefordert
Um das Problem zu lösen, fordern der Ministerpräsident und die IG Metall einen Brückenstrompreis. Das Konzept der IG Metall für einen Brückenstrompreis sieht vor, dass energieintensive Betriebe lediglich fünf Cent pro Kilowattstunde zahlen sollten. "Die Weiterentwicklung des Strompreispaketes der Bundesregierung hin zu einem zwar befristeten, aber dennoch längerfristigen Brückenstrompreis ist dringend geboten", mahnen Söder und Ott. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte im Frühjahr 2023 ein Konzept für einen Industriestrompreis vorgelegt, sich damit aber nicht durchsetzen können.
Die IG Metall Bayern macht sich bereits seit Längerem Sorgen um die energieintensiven Betriebe im Freistaat. "Allein im Zuständigkeitsbereich der IG Metall gelten in Bayern 52 Betriebe mit über 21.000 Beschäftigten als energieintensiv", berichtete die Gewerkschaft unlängst.
IG Metall: Acht Prozent der energieintensiven Betriebe verlagern bereits Produktion
Eine Befragung der IG Metall von fast 400 bayerischen Betriebsräten habe ergeben, dass acht Prozent der Betriebe als Reaktion auf die hohen Energiepreise bereits Teile der Produktion verlagert hätten.