Die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes wurde von der schwarz-roten Bundesregierung im vergangenen Jahr überschwänglich gefeiert. Ein „großer und zentraler Schritt für die Energiewende“ sei gemacht worden, jubilierte der damalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), der Koalitionspartner SPD schlug ähnliche Töne an. Das EEG, es wurde erstmals 2000 von der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder eingeführt, wurde zwar reformiert. Die Ausnahmen bei der EEG-Umlage aber blieben bestehen. Die Umlage dient zur Finanzierung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien, sie wird grundsätzlich von allen Stromkunden mitbezahlt.
Stromverbrauchsintensive Industriezweige jedoch können Ausnahmen beantragen– und die summieren sich zu enormen Beträgen, wie eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion am Beispiel Bayern deutlich macht. Das Papier liegt unserer Redaktion vor. Demnach konnten Unternehmen im Freistaat allein im Jahr 2020 rund 962 Millionen Euro EEG-Umlage einsparen, die sie eigentlich hätten zahlen müssen. Im Jahr davor waren es rund 979 Millionen Euro. 2018 lag die Ersparnis bei 911 Millionen und 2017 bei 952 Millionen Euro.
„Während sich die Strompreise für Privathaushalte in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt haben, wurde die Wirtschaft um Milliarden entlastet“, kritisierte die stellvertretende Linken-Fraktionsvorsitzende Nicole Gohlke. Die einst rot-grüne EEG-Erfindung habe sich „oft als Freifahrtschein für die Industrie entpuppt, so klimaschädlich weiterzumachen wie bisher. Die Energieverschwendung der Konzerne zu subventionieren und umgekehrt die Bürgerinnen und Bürger zu belasten, ist an Absurdität kaum zu überbieten“.
Schlupflöcher kosten Durchschnittsverdiener Milliarden
Mehr noch: Mit ihrer EEG-Reform goutierte die Vorgängerregierung eine umstrittene Amnestieregelung für energieintensive Großkonzerne, das sogenannte Scheibenpachtmodell. Über komplexe Konstruktionen pachteten Unternehmen Kapazitäten (sogenannte Scheiben) bei Stromversorgern, machten sich dadurch zu Eigenversorgern und zahlten für diesen Strom keine EEG-Umlage. „Diese Schlupflöcher kosten die Durchschnitts- und Geringverdienenden Milliarden Euro, denn sie müssen den Schaden ausbaden“, sagte Gohlke unserer Redaktion. Bundesweit wurden 2020 nach Angaben des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) 2051 Unternehmen von der EEG-Umlage befreit. Sie sparten dadurch fünf Milliarden Euro ein. Im Jahr davor waren es sieben Unternehmen mehr, die Entlastung lag bei 4,9 Milliarden Euro.
Für das abgelaufene Jahr ist bislang nur die Zahl der befreiten Unternehmen verfügbar. In Baden-Württemberg mussten demnach 274 Unternehmen keine EEG-Umlage bezahlen. In Bayern waren es gar 415 Unternehmen. Spitzenreiter ist demnach Nordrhein-Westfalen mit 604 befreiten Firmen. Im Jahr 2021 profitieren laut BAFA insgesamt 2058 Unternehmen beziehungsweise selbstständige Unternehmensteile von der sogenannten Ausgleichsregelung.
Wie eine soziale Energiewende aussehen könnte
„Die Ampel muss die Strompreisprivilegien für Großverbraucher sofort zusammenkürzen und die Energiekosten der Privathaushalte wieder erträglich machen“, forderte Gohlke. Eine staatliche Abgabebegrenzung auf 50 Prozent der Energiepreise sei überfällig, um mittlere und niedrige Einkommen im Winter und darüber hinaus zu entlasten. „Die Energiewende funktioniert nur sozial, wenn die großen Unternehmen auch den Großteil zum Kurswechsel beitragen“, erklärte die Vizevorsitzende.
Die EEG-Umlage sinkt in diesem Jahr von 6,5 Cent auf 3,72 Cent pro Kilowattstunde. Die neue Regierung will sie langfristig abschaffen. Ob damit auch die Ausnahmen für große Konzerne enden?
Die Aussagen im Vertrag der Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP sind eher vage. „Mit der Vollendung des Kohleausstieges werden wir die Förderung der Erneuerbaren Energien auslaufen lassen“, heißt es dort, und weiter: „Im Rahmen dieser Änderungen werden alle Ausnahmen von EEG-Umlage und Energiesteuern sowie die Kompensationsregelungen überprüft und angepasst.“ Das Ziel sei es, „Steuerbegünstigungen abzubauen, die sich auf die wirtschaftliche Nutzung von Strom beziehen und dabei die Entlastung durch den Wegfall der EEG-Umlage zu berücksichtigen“, erklärt die Regierung, betont andererseits aber auch, dass die Unternehmen „dadurch insgesamt nicht mehr belastet werden“ sollen.