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Foto: Javier Torres, Imago-images
Foto: Javier Torres, Imago-images

Der Gründer des chinesischen Autobauers Byd, Wang Chuanfu, hat ein bewegtes Leben.

E-Mobilität
09.10.2022

Das ist der Mann, der Volkswagen und Co. das Fürchten lehren will

Von Fabian Kretschmer

Als bitterarmer Vollwaise wurde Wang Chuanfu von seinen Geschwistern großgezogen. Nun gehört er zu den reichsten Chinesen – und schickt sich an, mit seiner Automarke BYD den deutschen Markt zu erobern.

Wang Chuanfu hat keine Angst vor dem Verlieren. Vielleicht macht ihn das so erfolgreich. Vor einem Vierteljahrhundert kaufte er mit BYD einen maroden staatlichen Autokonzern auf, um an der batteriebetriebenen Mobilitätszukunft Chinas zu tüfteln. "Build Your Dreams" ist ein passendes Akronym für jenen Konzern, dem im ersten Halbjahr 2022 gelungen ist, wovon Volkswagen oder General Motors bislang nur träumen können: Das Unternehmen mit Sitz in Shenzhen ist an Marktführer Tesla vorbeigezogen und verkaufte mit 641.000 Einheiten von Januar bis Juli die meisten Elektroautos weltweit.

Nun will BYD auch als erster chinesischen Autobauer eine wichtige Rolle auf dem europäischen Markt spielen. Ein erstes Ausrufezeichen steht schon: Jüngst kündigte der Autovermieter Sixt an, über die kommenden Jahre rund 100.000 Elektroautos des chinesischen Herstellers zu kaufen. Diese sollen zunächst Sixt-Kunden in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien angeboten werden. Für die chinesische Marke, die außerhalb ihres Heimatmarkts bislang nur die wenigsten kennen, ist es ein Prestige-Erfolg. Für Wang Chuanfu ist es der nächste logische Schritt.

Seine älteren Geschwister ziehen ihn groß

Der Lebenslauf des 56-Jährigen ist das Muster für den "chinesischen Traum" der Wirtschaftswunderjahre. Als Sohn einer bitterarmen Bauernfamilie in der rückständigen Provinz Anhui geboren, verliert Wang schon früh beide Elternteile. Der Vollwaise wird als zweitjüngstes von acht Kindern von seinen älteren Geschwistern großgezogen. Wegen ausgezeichneter Schulleistungen schafft es der Junge tatsächlich bis an die Universität in Changsha, wo er Chemie studiert. Dort lernt er erstmals en detail, wie wiederaufladbare Batterien funktionieren.

Als Hoffnungsträger seiner verarmten Familie lasten fortan hohe Erwartungen auf Wangs Schultern. Dennoch hängt er seine Stelle als Wissenschaftler bei einem Pekinger Forschungsinstitut, die ihn sicher bis zur Pension getragen hätte, an den Nagel. Wang Chuanfu fühlt sich vom bürokratischen Mief der chinesischen Hauptstadt ausgebremst. Er hegt höhere Ambitionen und während der 90er Jahre scheinen die unternehmerischen Möglichkeiten auf der Straße zu liegen – gerade in der südchinesischen Boomstadt Shenzhen, in die es Wang in der Zwischenzeit verschlagen hat.

Der Batterieproduzent baut auch eigene Autos

Der Ort wurde vom Wirtschaftsreformer Deng Xiaoping 1980 zur ersten Sonderwirtschaftszone des Landes erklärt. Die Entscheidung katapultierte das verschlafene Fischerdorf im Zeitraffer zu einer der wichtigsten Wirtschaftsmetropolen des Landes. Mit nicht einmal 30 Jahren gründet Wang dort BYD – zunächst als reinen Batterieproduzenten. Doch Wang dachte schon damals weiter. Seine Batterien sollen nicht nur in Handys und Heimelektronik landen, sondern bald auch in selbst gebauten Autos verbaut werden.

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Bereits in den 2000er Jahren lief das Geschäft gut, doch international hatten nur eingefleischte Experten das chinesische Unternehmen auf dem Schirm. Das änderte sich erst, als 2008 überraschend Warren Buffet über 230 Millionen Dollar in BYD investierte – und seither acht Prozent der Firmenanteile besitzt. Damals fragten sich Investoren weltweit, warum die US-Unternehmerlegende auf einen scheinbar obskuren Autoproduzenten aus Shenzhen setzt.

Die Abhängigkeit von globalen Lieferketten ist gering

Doch die Wette hat sich längst ausbezahlt, die Aktienkurse von BYD haben sich seit 2008 mehr als verzwanzigfacht. Die Erfolgsgeschichte der Chinesen sollte insbesondere der deutschen Automobilwirtschaft als Alarmsignal dienen. BYD konnte seine Verkäufe im Jahresvergleich um mehr als 300 Prozent steigern und ist laut der jährlichen Umfrage der US-amerikanischen Vermögensverwaltung Bernstein die beliebteste Automarke unter chinesischen Konsumenten – noch vor Tesla und Volkswagen.

Rein technologisch haben die Chinesen insbesondere im Batteriebereich aufgrund der langjährigen Erfahrung die Nase vorn. Das Know-how erlaubt es BYD, deutlich höhere Energiedichten auf kleinem Volumen zu produzieren. Zudem fertigt man bis hin zu Chip-Komponenten viele Teile selbst, was die Abhängigkeit von globalen Lieferketten verringert.

Wang Chuanfu gehört zu den zehn reichsten Chinesen

Das Geschäft hat sich auch für Wang Chuanfu mehr als bezahlt gemacht: Der 56-Jährige ist unlängst zum sechstreichsten Chinesen avanciert, sein Privatvermögen von 26 Milliarden US-Dollar hat sich allein seit Beginn der Pandemie mehr als versechsfacht. Die jährliche Reichenliste der Volksrepublik spiegelt auch die massiven politischen Transformationen unter Xi Jinping wider: Während noch vor wenigen Jahren Bauentwickler und Start-up-Gründer die Spitzenplätze dominierten, sind nach der Immobilienkrise und den Tech-Regulierungswellen vor allem Inhaber von grünen Energiefirmen oder E-Auto-Hersteller auf dem Vormarsch.

Es passt auch zum derzeitigen chinesischen Zeitgeist, dass Wang Chuanfu seinen Reichtum nicht offen zur Schau stellt. Von seinen Mitarbeitern wird er als eher unscheinbarer Workaholic beschrieben, der zwar Leistung generös belohnt, jedoch gleichzeitig strenge Hierarchien einfordert. "Unsere Firma hat nur eine Stimme und keine andere", sagte er einst in einem seiner seltenen Interviews.

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