Jahrzehntelang galt die Dynastie der Familie Albrecht hinter Deutschlands größter Discounter-Kette Aldi als öffentlichkeitsscheu, geheimnisvoll und verschwiegen. Bilder der beiden inzwischen verstorbenen Gründer Karl und Theo Albrecht waren zu Lebzeiten seltene Raritäten, die es teilweise nur in Schwarz-Weiß gab. Doch seit gut vier Jahren ist der Familienclan auch von öffentlichem Streit nicht verschont.
Wie bei Otto-Normal-Aldi-Einkäufer liegen die Gründe profan beim Geld. Da im Aldi-Reich eine klare Nord-Süd-Grenze gezogen ist, wird im Norden gestritten: derzeit an der Küste in Kiel.
Schlagzeilen produzieren bereits seit 2016 der Sohn des Aldi-Nord-Gründers, Theo Albrecht junior, und auf der anderen Seite dessen Schwägerin Babette Albrecht. Die 61-jährige Milliardärswitwe scheute dabei – ungewohnt für die Familiendynastie – noch nie das Licht der Öffentlichkeit. Albrecht junior warf der Witwe seines 2012 gestorbenen Bruders Berthold dabei vor, mit „teilweise peinlichen“ Auftritten in der Öffentlichkeit dem Unternehmen zu schaden. „Mein Bruder würde sich im Grab rumdrehen, wenn er wüsste, was hier abläuft“, schimpfte der Milliardär vor vier Jahren im Handelsblatt. Es war das erste und einzige Interview, das der Aldi-Erbe jemals gegeben hatte, und war Teil eines Machtkampfs um Einfluss bei dem internationalen Discounter-Riesen, zu dem auch die US-Kette Trader Joe’s gehört.
Witwe klagte bis vor Bundesverwaltugsgericht
Babette Albrecht klagte wiederum vergeblich bis vor das Bundesverwaltungsgericht dagegen, dass der Einfluss der Familienerben mit einer neuen Satzung im Jahr 2010 vor dem Tode ihres Mannes eingeschränkt wurde. Allerdings bestätigten die Bundesrichter vergangenes Jahr, dass die entsprechende Satzungsänderung rechtens sei. Mit der Änderung wurde nach Berthold Albrechts Tod der Einfluss seiner Familie automatisch eingeschränkt.
Diese Satzungsänderung hatten die beiden Söhne des Aldi-Nord-Gründers Theo Albrecht, wie es heißt, einvernehmlich für ihre Familien getroffen, um die reibungslosen Geschäfte des Discounter-Riesen zu garantieren. Theo Albrecht junior sprach vom „letzten Willen“ seines Bruders. Der noch lebende Gründersohn gilt deshalb als Gewinner der Rechtsstreitigkeiten, auch wenn seine Schwägerin nicht gegen ihn, sondern formal gegen die Stiftungsaufsicht des schleswig-holsteinischen Landkreises Rendsburg-Eckernförde geklagt hatte. Hintergrund ist die komplizierte Eigentümerstruktur des Milliarden-Unternehmens. Aldi-Nord ist im Besitz von drei Stiftungen: der Markus-, der Lukas- und der Jakobus-Stiftung. Die Markus- und die Lukas-Stiftung wurden von der 2018 verstorbenen Gründerwitwe Cäcilie Albrecht und ihrem Sohn Theo Albrecht junior kontrolliert. Bei der Jakobus-Stiftung haben Babette Albrecht und ihre fünf Kinder das Sagen.
Es ist die Rede von "unbegrenztem Erpressungspotenzial"
Große Investitionen und wichtige Entscheidungen können von den Stiftungen nur einstimmig freigegeben werden. Hier greift aber offenbar die Satzungsänderung: „Wenn die alte Satzung gelten würde, könnten die Kinder von Berthold zusammen mit ihrem Anwalt das Unternehmen am Nasenring durch die Manege führen“, sagte Theo Albrecht junior in dem Interview von 2016. „Sie hätten damit ein unbegrenztes Erpressungspotenzial.“
Um den Einfluss der Jakobus-Stiftung wurde mit allen juristischen Finessen gekämpft. Akribisch wurde von den Juristen beider Albrecht-Seiten darüber gestritten, ob Formfehler die neue Satzung unwirksam machten. Strittig war auch, ob der schwer kranke Berthold Albrecht zum Zeitpunkt der Satzungsänderung noch geschäftsfähig war.
Doch auch nach diesem Urteil kommt die Dynastie nicht zur Ruhe alter Verschwiegenheit: Denn offenbar herrscht auch innerhalb der Jakobus-Stiftung und der Familie von Babette Albrecht Streit, der nun sogar die Kieler Staatsanwaltschaft beschäftigt. „Bei uns ging im August eine private Strafanzeige wegen des Vorwurfs der Untreue zum Nachteil der Jakobus-Stiftung ein“, bestätigte der Kieler Oberstaatsanwalt Michael Bimler den Eingang einer entsprechenden Strafanzeige. Derzeit prüfe die Justiz den Vorwurf.
Anzeige stammt von Babette Albrechts Sohn
Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung stammt die Anzeige von Babette Albrechts Sohn. Er soll seiner Mutter und vier Schwestern sowie deren Anwalt Untreue vorwerfen. Dabei soll es unter anderem um Stiftungsausschüttungen in Millionenhöhe gehen, bei denen der Sohn angeblich leer ausgegangen sein soll. Dem Rest der Albrecht-Familie dürfte der erneute Medienrummel kaum gefallen. (mit dpa)
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