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Dieselskandal: Der Richter im Stadler-Prozess ist ein Phantom

Dieselskandal

Der Richter im Stadler-Prozess ist ein Phantom

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    Richter Stefan Weickert stand bisher nicht im Rampenlicht. Von dem Juristen gibt es nicht einmal ein aktuelles Foto.
    Richter Stefan Weickert stand bisher nicht im Rampenlicht. Von dem Juristen gibt es nicht einmal ein aktuelles Foto. Foto: Burdun, Stock Adobe (Symbolbild)

    Man muss es deutlich schreiben: Im Wirtschaftsstrafrecht ist Stefan Weickert ein Neuling. Er hat zwar viel Erfahrung als Richter, doch bisher vorwiegend in Zivilkammern und zuletzt als Vorsitzender einer Strafkammer mit Schwerpunkt Drogendelikte. Wenn also am Mittwochmorgen mit dem Audi-Prozess um die Diesel-Affäre ein riesiger Wirtschaftsstrafprozess beginnt, sitzt ein unerfahrener Wirtschaftsstrafrichter einer Phalanx von hoch spezialisierten und hoch bezahlten Wirtschaftsstrafverteidigern gegenüber. Wird das gut gehen?

    Außerhalb von Justizkreisen und außerhalb Münchens ist Weickert, 54, ein unbeschriebenes Blatt. In den vergangenen beiden Jahren verhandelte er am Landgericht München II vor allem gegen Dealer, ab und zu auch gegen einen Messerstecher oder Steuerhinterzieher. Erst seit Anfang des Jahres ist er Vorsitzender der großen Wirtschaftsstrafkammer. Es gibt nicht einmal ein aktuelles Foto von ihm auf dem üblichen Markt.

    Diesel-Skandal: Was nach Entdeckung der VW-Affäre passierte

    3. September 2015:
    VW räumt hinter den Kulissen gegenüber der US-Umweltbehörde EPA Manipulationen bei Diesel-Abgastests ein.

    18. September 2015:
    Die EPA teilt mit, VW habe eine Software eingesetzt, um Test-Messungen des Schadstoffausstoßes künstlich zu drücken.

    23. September 2015:
    Rücktritt von VW-Vorstandschef Martin Winterkorn, zwei Tage später beruft der Aufsichtsrat Porsche-Chef Matthias Müller als Nachfolger.

    15. Oktober 2015:
    Das Kraftfahrt-Bundesamt ordnet einen Pflichtrückruf aller VW-Dieselautos mit Betrugs-Software an. In ganz Europa müssen 8,5 Millionen, in Deutschland 2,5 Millionen Wagen in die Werkstatt.

    22. April 2016:
    Der Abgas-Skandal brockt dem Volkswagen-Konzern für 2015 mit 1,6 Milliarden Euro den größten Verlust der Geschichte ein.

    8. August 2016:
    Das Landgericht Braunschweig gibt den Startschuss für ein Musterverfahren wegen milliardenschwerer Aktionärsklagen gegen VW.

    25. Oktober 2016:
    US-Rechtsstreit um VW-Dieselwagen mit 2,0-Liter-Motoren: VW einigt sich auf 16 Milliarden Dollar Entschädigung an Kunden, Behörden, Händler und US-Bundesstaaten.

    11. Januar 2017:
    VW und das US-Justizministerium vergleichen sich in strafrechtlichen Fragen auf eine Zahlung von 4,3 Milliarden Dollar.

    31. Mai 2017:
    Es wird bekannt, dass VW-Tochter Audi in Deutschland und Europa unzulässige Abgas-Software verwendet hat.

    25. August 2017:
    VW-Ingenieur James Liang wird in den USA zu 40 Monaten Gefängnis verurteilt. Er hatte 2016 als Kronzeuge ausgepackt.

    6. Dezember 2017:
    Der frühere VW-Manager Oliver Schmidt wird in den USA wegen Verschwörung zum Betrug und Verstoßes gegen Umweltgesetze zu sieben Jahren Haft verurteilt.

    12. April 2018:
    VW-Markenchef Herbert Diess wird zum Nachfolger von Müller an der Konzernspitze berufen.

    18. Juni 2018:
    Der Chef der VW-Tochter Audi, Rupert Stadler, wird verhaftet. Die Ermittler werfen ihm Falschbeurkundung im Zusammenhang mit den Abgasmanipulationen vor.

    10. September 2018:
    Beginn des Kapitalanleger-Musterverfahrens vor dem Oberlandesgericht Braunschweig. Musterklägerin ist die Sparkassen-Fondstochter Deka Investment. Ziel des Prozesses ist eine Rahmenentscheidung, die für alle Beteiligten bindend ist.

    30. Oktober 2018:

    Rupert Stadler wird aus der Untersuchungshaft entlassen. Seinen Posten als Vorstandsvorsitzender ist er jedoch los. Bram Schot übernimmt seinen Posten.

    31. Juli 2019:

    Die Staatsanwaltschaft München II erhebt Anklage gegen Rupert Stadler und drei weitere Manager. Ihnen wird Betrug, mittelbare Falschbeurkundung sowie strafbare Werbung vorgeworfen.

    Ab Mittwochmorgen steht Richter Weickert im Rampenlicht

    Doch das wird sich ab Mittwoch, 9.30 Uhr schlagartig ändern. Weickert rückt ins bundesweite Rampenlicht. Er führt den ersten deutschen Strafprozess im Dieselskandal. Angeklagt sind der frühere Audi-Chef Rupert Stadler, der frühere Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz und zwei Audi-Ingenieure. Damit beginnt die strafrechtliche Aufarbeitung der größten Affäre in der hochgerühmten deutschen Automobilindustrie. Audi soll die Keimzelle gewesen sein. Dort sollen Ingenieure vor etwa 20 Jahren auf die Idee gekommen sein, mit einer Schummel-Software den Stickoxid-Ausstoß ihrer Dieselmotoren auf dem Prüfstand zu verringern. Die Ingenieure wollen nun die Schuld den Vorgesetzten in die Schuhe schieben. Rupert Stadler will von nichts gewusst haben.

    Diese Konstellation macht den Prozess extrem kompliziert. Es ist damit zu rechnen, dass die Verteidiger alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel der Strafprozessordnung nutzen werden. Auch solche, die unangenehm fürs Gericht sind. Der ganze Prozess findet unter ungewöhnlichen Corona-Umständen in einem Gerichtssaal mit wenigen Plätzen in der JVA München-Stadelheim statt. Er soll mehr als zwei Jahre dauern. So viel steht jetzt schon fest: Es wird nicht nur Stefan Weickerts größter, sondern auch sein schwierigster Fall.

    Ex-Audi-Chef Rupert Stadler will von nichts gewusst haben

    Doch in Justizkreisen hört man viel Positives über den Audi-Richter. Weickert gilt als Aktenfresser, der den Prozessstoff beherrscht und akribisch vorbereitet ist. Eine wichtige Entscheidung hat er nach einem halben Jahr Einarbeitung schon getroffen: Er hat mit den beiden weiteren Richtern, die den Fall von Beginn an kennen, die Anklage zugelassen und so ein Signal gesetzt, dass er Verurteilungen für wahrscheinlicher hält als Freisprüche.

    Weickert soll sehr systematisch und pragmatisch vorgehen. Emotionale Ausbrüche sind ihm fremd. Über Weickerts Privatleben ist gar nichts bekannt. Seine Verhandlungsführung wird von Anwälten als souverän und ruhig beschrieben. Wahrscheinlich sollten die Verteidiger besser nicht davon ausgehen, dass sie es mit einem überforderten Richter zu tun haben.

    Hier finden Sie alle Artikel und News zum Prozess gegen Rupert Stadler.

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