Olaf Scholz und Christian Lindner haben auf abschreckende Weise demonstriert, wohin mangelnder Pragmatismus, unzureichende Kompromiss-Kunst und ideologische Fixierung führen können. Solches Verhalten führt in die Sackgasse des Scheiterns – und das zum Schaden aller Beteiligten. Es geht auch anders, wie die Tarifparteien der Metall- und Elektroindustrie jetzt wieder unter Beweis gestellt haben. Dabei gestalten sich die Verhandlungen über Lohn und Arbeitsbedingungen mindestens so kompliziert wie das Aufstellen eines neuen Bundeshaushaltes.
Doch die Vertreter der Metall-Arbeitgeber und der IG Metall waren besonders in diesem Jahr ins Gelingen verliebt, während Scholz und Lindner ins Scheitern vernarrt wirkten, was angesichts der massiven wirtschaftlichen Probleme des Landes ein Armutszeugnis darstellt. Dabei ist es auch der labilen ökonomischen Lage geschuldet, dass die Metall-Tarifpartner, die anders als Scholz und Lindner eine echte Partnerschaft leben, möglichst rasch zu einem Abschluss gekommen sind: Denn die Gewerkschaft musste zügig ins Ziel einlaufen, weil Woche für Woche neue Hiobsbotschaften aus dem Unternehmer-Lager kommen. Wenn Konzerne wie Volkswagen und der Autozulieferer Schaeffler Tausende Stellen streichen wollen, hätte das die Chancen der IG Metall, möglichst viel für ihre Mitglieder herauszuholen, immer mehr geschmälert.
Gewerkschaft IG Metall musste Kröte schlucken
Für die Arbeitgeber stellte sich die Lage ebenfalls problematisch dar: Je mehr Deutschland ökonomisch abrutscht, desto schwerer wäre es ihren Verhandlungsführern gefallen, sich auf einen Kompromiss zu verständigen. Schließen die Unternehmens-Vertreter zu hoch ab, kann das zu Austritten aus den Metall-Arbeitgeberverbänden führen. Deswegen haben beide Seiten das Tempo erhöht und einen klassischen Kompromiss erzielt: Die Gewerkschafter müssen die Kröte einer langen Laufzeit des Tarifvertrags von 25 Monaten schlucken. Die Arbeitgeber haben sich die lange Friedenszeit mit Lohnerhöhungen von zunächst 2,0 und dann noch einmal 3,1 Prozent erkauft. Hinzu kommt eine Einmalzahlung von 600 Euro. Damit ist keine Tarifpartei als eindeutiger Sieger aus den Verhandlungen hervorgegangen. Das ist die beste Voraussetzung für eine vernünftige Lösung. Scholz und Linder wollten hingegen partout gewinnen und haben beide verloren.
Mit diesem Metall-Abschluss wird Tarifgeschichte geschrieben, denn erstmals haben ihn mit Bayern und der Küste, also Norddeutschland, zwei Bezirke gemeinsam ausgehandelt. Das von der IG Metall ins Spiel gebrachte Tandem-Modell ist clever und eröffnet der Branche für kommende Tarifverhandlungen neue Möglichkeiten. Das neue Gewerkschafts-Duo aus Christiane Benner und Nadine Boguslawski hat eine famose Premiere hingelegt und alle Machos widerlegt, die behauptet haben, Frauen könnten keine Tarifpolitik. Beide Gewerkschafterinnen waren einmal Auszubildende. Das prägt. Dass sie für Lehrlinge eine kräftige Lohnerhöhung von zunächst 140 Euro erstritten haben, ist ein großer Erfolg für die IG-Metall-Lenkerinnen.
Sieht nach einem vernünftigen Kompromiß aus - ist vermutlich auch einer. Trotzdem sollten sich alle Involvierten im Klaren sein, daß eine Erhöhung der Arbeitskosten letzendlich auch die produzierten Produkte teurer machen - sind vermutlich nicht alle.
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