Startseite
Icon Pfeil nach unten
Wirtschaft
Icon Pfeil nach unten

DGB-Chefin über Finanzminister Lindner, Sparpläne und den Haushalt

Interview

DGB-Chefin Fahimi: „Die schwäbische Hausfrau spart, anders als Linder, nicht an der Substanz“

    • |
    • |
    DGB-Chefin Fahimi übt deutliche Kritik an der Politik von Finanzminister Lindner.
    DGB-Chefin Fahimi übt deutliche Kritik an der Politik von Finanzminister Lindner. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Frau Fahimi, FDP-Chef Lindner hat ein Wirtschaftswende-Papier vorgelegt, das sich wie ein Scheidungspapier der FDP gegenüber den Koalitionären, eben der SPD und den Grünen, liest. Und der Finanzminister twittert entschlossen: „Niemand kann akzeptieren, dass Deutschland wirtschaftlich nach hinten durchgereicht wird.“ Was fällt Ihnen dazu ein?

    Yasmin Fahimi: Die Aussage ist ja schon fast eine Binsenweisheit. Wer soll das denn wollen? Das FDP-Papier ist nichts weiter als ein Manifest zur Umverteilung von unten nach oben – wenig überraschend. Und falls Taktik dahintersteckt, ist das verantwortungslos gegenüber dem Land.

    Sie waren als DGB-Chefin zum Industrie-Gipfel von Kanzler Scholz eingeladen. Finanzminister Lindner hat einen Gegen-Gipfel veranstaltet. Und was der Gipfel ist: Es soll eine Neuauflage dieser Doppel-Gipfelei geben. Wie bewerten Sie das Verhalten des FDP-Chefs? Ist er illoyal gegenüber dem Regierungs-Chef?

    Fahimi: Ich wundere mich über all das und verstehe nicht, wie Christian Lindner ein parteipolitisches Theaterstück aufführen und gleichzeitig von Regierungsverpflichtung sprechen kann. Das passt nicht zusammen. Das müssen die Regierungs-Verantwortlichen nun untereinander klären. Wir sind der Einladung des Bundeskanzlers gefolgt. Klar ist aber: Dieses Theater verunsichert die Menschen. Wir sind als DGB an einer stabilen Regierung interessiert.

    Hat Scholz das richtige Thema gewählt? Hätte er nicht wie Lindner Mittelstands-Vertreter zum Gipfel einladen müssen?

    Fahimi: Herr Scholz hat sich zu Recht einem besonders brisanten Thema, nämlich den Schwierigkeiten der Industrie, angenommen. Das schließt den industriellen Mittelstand mit ein. Und für das Gespräch hat er sowohl Arbeitgeber als auch Gewerkschafter eingeladen. Das ist ein richtiges und gutes Zeichen. Mich irritiert, dass öffentlich so getan wurde, als ob der Gipfel des Bundeskanzlers und die Gesprächsrunde des Finanzministers gleichrangige Veranstaltungen gewesen wären. Der Bundeskanzler ist nicht irgendein weiterer Minister. Er führt die Regierung und beschäftigt sich mit den wesentlichen Themen unserer Volkswirtschaft. Das ist gut so.

    Ist Lindner illoyal?

    Fahimi: Dazu nur eines: Ich betrachte die FDP-Veranstaltung als ergebnisloses Lobby-Gespräch, das wir ignorieren können. Die FDP hat bei ihrem spontanen Gespräch all diejenigen eingeladen, die offensichtlich gekränkt waren, dass sie nicht vom Kanzler gerufen wurden. Lindner glaubt, er sei ein Super-Minister. Aber es bleibt Aufgabe des Kanzlers, sich um zentrale Herausforderungen des Landes zu kümmern. 

    Gewerkschafter findet Herr Lindner demnach nicht so super. 

    Fahimi: Bezeichnend ist: Wenn die FDP zu Gesprächen über Wirtschaftspolitik lädt, dann fallen die Interessen der Beschäftigten einfach hinten runter. Denn die Vertreter der Beschäftigten werden gar nicht eingeladen. Das hat Tradition bei der FDP. Damit bringen Lindner und die Partei zum Ausdruck, dass Wirtschaftspolitik mit den Interessen der Beschäftigten und damit der sie vertretenden Gewerkschaften aus ihrer Sicht nichts zu tun hätte. Das macht der Kanzler anders. Er will nicht nur einen Pakt für Industrie, sondern auch für Industrie-Arbeitsplätze. 

    Herr Scholz appelliert an seine Mit-Koalitionäre: „Wir müssen wegkommen von den Theaterbühnen.“ Baut Lindner nach wie vor Theaterbühnen auf?

    Fahimi: Herr Lindner wäre besser beraten, wenn er den Fuß von der Bremse nehmen würde, damit Deutschland mit entsprechenden Finanzmitteln die notwendigen Zukunftsinvestitionen tätigen kann. Das fordert nicht nur der DGB, sondern das fordern auch der Industrieverband BDI und Ökonomen rund um die Welt. Alle Fachleute attestieren uns, dass wir in Deutschland unnötigerweise auf eine Schuldenbremse setzen, die aus der Zeit gefallen ist. Es geht uns als DGB nicht darum, völlig wahllos Schulden aufzunehmen. Wir wollen, dass sich Deutschland, wie übrigens auch jeder Welt-Konzern, am Markt Kapital beschafft, um in seine Substanz und die Erneuerung seiner Volkswirtschaft zu investieren, also für zukünftiges Wachstum und Wohlstand zu sorgen. 

    Was ist denn beim Gipfel mit dem Kanzler konkret rausgekommen?

    Fahimi: Das Gespräch war sehr konstruktiv und pragmatisch. Es wurde nicht parteipolitisch taktiert. Alle Teilnehmer sind daran interessiert, dass Deutschland wieder wettbewerbsfähiger wird und die Unternehmen Planungssicherheit bekommen. Es herrschte Einigkeit darüber, dass das Thema der im internationalen Vergleich zu hohen Energiepreise insbesondere für das produzierende Gewerbe angepackt werden muss. Dabei geht es nicht allein um die Groß-Industrie, sondern auch um den industriellen Mittelstand, zumal die Groß-Industrie ohnehin schon mit der staatlichen Strompreis-Kompensation, wenn auch nicht ausreichend, entlastet wird.

    Was fordern Sie jetzt?

    Fahimi: Wir brauchen jetzt verlässliche Energiepreise für das gesamte produzierende Gewerbe. Aber wir brauchen auch weitere Konkretisierungen auf dem Weg zur Dekarbonisierung.

    Bleibt es bei Absichtserklärungen oder passiert auch endlich etwas?

    Fahimi: Jeder in dieser Runde hat verstanden, dass wir etwas unternehmen müssen, um für günstigere Industrie-Strompreise zu sorgen. Wir wollen mögliche Lösungen aber nicht vorschnell öffentlich zerreden, sondern suchen gemeinsam nach umsetzbaren und sozialpartnerschaftlich getragenen Vorschlägen. 

    Die Autoindustrie fordert zur Ankurbelung des E-Auto-Absatzes auch neue staatliche Kaufanreize. Brauchen wir eine Wiederauflage der Kaufprämie?

    Fahimi: Fakt ist, die Automobil-Wirtschaft braucht neue Impulse, weil der Markt sich durch den Wandel zur E-Mobilität neu aufstellt. Kommen sie nicht, besteht die Gefahr, dass die deutsche Autoindustrie im Wettbewerb abgehängt wird. Das geht aber auch auf hausgemachte Fehler zurück. 

    Das trifft sicher auf VW zu.

    Fahimi: Volkswagen ist zu spät in die Elektro-Mobilität eingestiegen. Ein günstigerer Elektro-Kleinwagen soll erst 2026 auf den Markt kommen – leider. Der Konzern muss jetzt schnell seine Hausaufgaben machen und Effizienz-Potenziale erschließen. Es ist jedenfalls der falsche Weg, wenn Volkswagen die Fehlentscheidungen der letzte Jahre, welche die Unternehmensführung zu verantworten hat, nun durch Lohnkürzungen und Standort-Schließungen den Beschäftigten auf die Schultern legen will. Dann darf sich keiner wundern, wenn die Kolleginnen und Kollegen zu Tausenden auf die Straße gehen und sich das Verhalten des Vorstands nicht gefallen lassen. 

    Muss die Bundesregierung die Kaufprämie also neu auflegen?

    Fahimi: Es war ein Fehler, dass die Bundesregierung die Kaufprämie Ende des letzten Jahres abrupt beendet hat. Viele Menschen warten nun mit dem Auto-Kauf, weil sie auf eine neue Prämie hoffen. Deshalb empfehle ich, jetzt eine zeitlich begrenzte degressive Abschreibung für alle einzuführen, die ein E-Auto kaufen. Denn so ließe sich die Anschaffung eines E-Autos so einfach wie ein Computer Jahr für Jahr in der Einkommenssteuer-Erklärung abschreiben. Das wäre ein schneller Impuls, um den Elektroauto-Absatz anzukurbeln. Und es wäre klar, dass der steuerliche Vorteil nicht ewig besteht.

    Reicht das, um den Elektroauto-Absatz kräftig anzukurbeln?

    Fahimi: Damit der Absatz deutlich steigt, wären auch zusätzliche Möglichkeiten zur Sonderabschreibung bei gewerblich genutzten Leasing-Fahrzeugen wichtig und machbar. Und es braucht mehr Preis-Transparenz an den Ladesäulen.

    Was meinen Sie damit?

    Fahimi: Wenn nicht klar ist, ob ich für mein E-Auto Strom für 50 Cent je Kilowattstunde oder für 1,30 Euro beziehen kann, sind die Unterhaltungskosten für die Menschen kaum kalkulierbar. Man sieht an jeder Tankstelle, was Benzin oder Diesel kostet. Wenn ich an eine Ladestation fahre, muss ich drei, vier verschiedene Apps aufrufen und bekomme höchst unterschiedliche Preise serviert. Das ist höchst intransparent und frustrierend.

    Es drängt sich der Eindruck auf, die Ziele des DGB ließen sich gut mit Scholz und Habeck umsetzen, aber nicht mit Lindner als Schutzpatron der Schulden-Bremse. Der DGB hält dem FDP-Chef entgegen, der Staat sei keine schwäbische Hausfrau. Was haben Sie gegen die schwäbische Hausfrau oder den schwäbischen Hausmann? Ist Lindner aus ihrer Sicht der schwäbische Hausmann?

    Fahimi: Im Gegenteil: Die schwäbische Hausfrau ist viel schlauer. Denn die schwäbische Hausfrau weiß, dass das mit aller Anstrengung und viel Schweiß erbaute Eigenheim einen Wert hat, den es zu erhalten gilt. Deswegen spart die schwäbische Hausfrau anders als der Finanzminister nicht ständig an der Substanz des Hauses. Wenn das Dach Löcher hat, wartet sie nicht, bis im Keller das Wasser bis zur Decke steht.

    Wie geht die schwäbische Hausfrau denn vor?

    Fahimi: Sie investiert Geld, um den Wert ihres Hauses zu erhalten oder sogar zu steigern. Auch jede gute Unternehmerin oder jeder gute Unternehmer macht das so. Sie verschaffen sich Kapital auf dem Markt, um etwa in neue Produktionsverfahren oder in die Erweiterung der Betriebsstätte zu investieren, um eben mehr Gewinn zu erzielen. Genau das muss der Staat auch tun: Investitionen für zukünftigen Wohlstand.

    Herr Lindner kommt bei Ihnen nicht gut weg.

    Fahimi: Weil Herr Lindner, wenn er sein Portemonnaie aufmacht und reinschaut, nur sagt: Ich habe gerade kein Geld. Er kommt gar nicht auf die Idee, seine Kreditlinien zu erweitern. Dabei verschiebt Deutschland Klimaschutz-Ziele und Projekte zum Ausbau der Infrastruktur schon seit eineinhalb bis zwei Jahrzehnten immer weiter in die Zukunft. Das wird dann immer teurer und führt nur zu zusätzlichen Schulden. 

    Welche Politik wäre vernünftiger?

    Fahimi: Hätte Deutschland früher notwendige Investitionen getätigt, würden wir heute viel besser dastehen. Wir hätten nicht diese gewaltigen Herausforderungen im Klimaschutz vor uns, weil wir viel weiter wären, was erneuerbare Energien und moderne Stromnetze betrifft. Und wir müssten uns nicht mit einer zum Teil maroden Infrastruktur rumplagen – denken Sie nur an die Bahn. Heute bezahlen wir die versäumten Investitionen von gestern doppelt und dreifach. Wenn wir so weiter machen, wird der Schuldenberg, den wir durch unterlassene Investitionen anhäufen, noch größer. Die Fakten sprechen für sich: Die öffentliche Investitionsquote Deutschlands befindet sich preisbereinigt und im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt nach wie vor unterhalb des EU-Durchschnitts. 

    Wie gefährlich ist die deutsche Spar-Lust?

    Fahimi: Sehr gefährlich, denn wir sparen weiter an der Substanz und gegen unsere Kinder. Wir erneuern sie zwar an ein paar Stellen, an anderen Stellen zerfällt sie aber umso mehr. Das geht nicht gut. Es ist doch aberwitzig, dass all dies vor dem Hintergrund geschieht, dass Deutschland international die beste Schulden-Tragfähigkeit vorweisen kann. Die Kreditwürdigkeit unseres Landes ist ausgezeichnet und wird mit Bestnote AAA bewertet. Andererseits jammern Politiker wie Lindner, sie wollten künftigen Generationen keine zu hohen Zinsbelastungen auferlegen. Der Rest der Welt macht uns derweil vor, wie es geht und hängt uns damit ab.

    Was macht etwa Amerika besser?

    Fahimi: Ganz einfach: In den USA betreibt der Staat eine engagierte Industriepolitik für gute Arbeitsplätze und investiert Milliarden. Dabei könnten wir in Deutschland auch auf höhere Steuereinnahmen für Investitionen hoffen, wenn endlich die Bundesregierung das lange auch von der FDP verzögerte Tariftreue-Gesetz beschließt. Dann würden Firmen und deren Subunternehmer öffentliche Aufträge nur bekommen, wenn sie nach Tarif zahlen.

    Was würde das zusätzlich an Steuereinnahmen bringen?

    Fahimi: Bislang liegt der volkswirtschaftliche Schaden bei rund 130 Milliarden Euro jährlich, weil zu viele Arbeitgeber schlechter, also nicht nach Tarif bezahlen. Allein etwa 70 Milliarden Euro dieser gigantischen Summe machen fehlende Sozialversicherungs-Beiträge und die fehlende Einkommenssteuer aus. An diesem Missstand können wir angesichts des gewaltigen Investitionsbedarfs unserer Volkswirtschaft nicht vorbeigehen. Der Staat muss zumindest klarmachen: Steuergeld, also das Geld von uns allen, bekommen nur Firmen, die nach Tarif zahlen und nicht mit Lohndumping unserer Volkswirtschaft schaden. Wer sich nicht an Regeln des Gemeinwohls hält, kann auch nicht davon profitieren.

    Kommt das Tariftreue-Gesetz?

    Fahimi: Wir nehmen hier Bundeskanzler Scholz beim Wort, der uns zugesagt hat, dass ein wirksames Tariftreue-Gesetz beschlossen wird. 

    Schafft nicht ein solches Tariftreue-Gesetz am Ende mehr Bürokratie, wie die FDP befürchtet?

    Fahimi: Nein, nicht wenn es kommt, wie wir vorschlagen. Wir wollen ein bürokratiearmes Tariftreue-Gesetz. Firmen, die zusagen, nach Tarif zu zahlen, bekämen demnach einen Vertrauens-Vorschuss. Dadurch würde der bürokratische Aufwand nicht erhöht. Nur wenn Zweifel an der Tariftreue aufkommen, erfolgt eine Prüfung. Subunternehmern wollen wir die Möglichkeit geben, sich zu präqualifizieren, also einmal vorab nachzuweisen, dass sie sich an den Tarifvertrag halten. 

    Und was passiert mit Betrieben, die nur vorgaukeln, sich an den Tarif zu halten?

    Fahimi: Wenn sich ein solcher Verdacht beweist, müssen solche Firmen aus der Bewerberliste für öffentliche Aufträge ausgeschlossen werden. Wir befürworten dabei einfache, schlanke Verfahren mit einer Clearingstelle. Ich bin fest überzeugt: Wenn wir für mehr Tariftreue sorgen, wenn deutlich mehr investiert wird und wenn für günstigere Energiepreise gesorgt wird, schafft Deutschland den Weg aus der konjunkturellen Schwäche. 

    All das könnte vergeblich sein, wenn Trump wieder US-Präsident wird und die deutsche Export-Wirtschaft zum Schaden heimischer Arbeitsplätze mit Zöllen drangsaliert. Zittern Sie mit Frau Harris? Haben Sie Angst vor Trump?

    Fahimi: Angst ist der falsche Begriff. Trump wird die USA ins Chaos stürzen. Deswegen bin ich sehr besorgt. Ich stehe in engem Kontakt mit der Präsidentin der amerikanischen Gewerkschaften, Liz Shuler. Ich weiß, wie sehr sich unsere gewerkschaftlichen Kolleginnen und Kollegen in den USA dafür einsetzen, dass sich Kamala Harris durchsetzt. Was aus unserer Sicht fast schon skurril ist: Die Wirtschafts-Bilanz von Joe Biden ist positiv und trotzdem könnte Trump US-Präsident werden. 

    Biden hat wie eine schwäbische Hausfrau gehandelt: Er investiert kräftig in die Zukunft, also in Technologien zur Dekarbonisierung. Er renoviert das Klima-Haus.

    Fahimi: Das ist richtig. Und er renovierte das Haus bei einer viel angespannteren Haushaltslage als in Deutschland. Biden hat mit dem Ziel investiert, dass dadurch gute und nachhaltige Arbeitsplätze entstehen. Wenn Firmen aus den USA Aufträge aus dem staatlichen Investitionsprogramm bekommen wollen, müssen sie auch nachweisen, dass sie nach Tarif zahlen. Amerika ist in diesem Punkt ein Vorbild.

    Doch in den USA hat der Populismus nach wie vor Hoch-Konjunktur. In Deutschland geben mit Alice Weidel und Sahra Wagenknecht gerade zwei Frauen den populistischen Ton an. Die FAZ bemerkt dazu: „Damit haben Feministinnen nicht gerechnet.“ Wie gefährlich ist dieser Populismus für Deutschland?

    Fahimi: Nicht nur der Populismus ist gefährlich. Mich besorgt vor allem die Aggressivität bis hin zum Hass in der öffentlichen Debatte. Der Hass zieht sich wie Gift durch unsere Gesellschaft. Davon müssen wir wegkommen. Wir sollten wieder lernen, uns gegenseitig zuzuhören und Themen auf Faktenbasis sachlich zu diskutieren.

    Wie gefährlich sind denn solche Populistinnen wie Frau Weidel und Frau Wagenknecht?

    Fahimi: Zum Glück gibt es viele andere Frauen, die in Politik und Gesellschaft führende Rollen einnehmen, etwa die IG-Metall-Vorsitzende Christiane Benner, die Volkswagen-Gesamtbetriebsrats-Vorsitzende Daniela Cavallo oder mich. 

    Doch die Populistinnen Weidel und Wagenknecht wirbeln kräftig – und finden zunehmend Anhänger. Noch einmal: Wie gefährlich sind solche Populisten?

    Fahimi: Jetzt mal abgesehen davon, dass beide Frauen sind und in ihrer Politik auch nicht einfach gleichzusetzen sind: Es ist gefährlich, den Menschen Nebenschauplätze als zentrale Probleme dieses Landes zu verkaufen – und obendrein nur Scheinlösungen zu präsentieren.

    Was meinen Sie damit?

    Fahimi: Wenn Frau Wagenknecht meint, dass jetzt Bundesländer entscheiden, welche Außenpolitik wir vertreten, haut das vorn und hinten nicht hin. Das wäre in etwa so, als würde ich als DGB-Vorsitzende versuchen, Volkswagen zu diktieren, welcher Haustarifvertrag jetzt unterschrieben werden muss. Das ist doch anmaßend. Außenpolitik ist Sache des Bundes.

    Und was Frau Weidel betrifft?

    Fahimi: Zu suggerieren, Deutschland stehe im Zentrum eines Kulturkampfes und müsse alle Grenzen dichtmachen, ist Unsinn. Unser Land steht vor viel wichtigeren Herausforderungen: Wir müssen den Fachkräftemangel bewältigen, Deutschland ökologisch modernisieren, den sozialen Zusammenhalt sichern und die Wirtschaft stärken. Hass und Hetze lösen die Probleme Deutschlands nicht. Wir müssen mehr Gemeinwohl und nicht mehr Gegeneinander organisieren. 

    Zur Person: Yasmin Fahimi, 56, ist seit Mai 2022 Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, kurz DGB. Von 2014 bis 2015 war sie Generalsekretärin der SPD und 2017 Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Von 2017 bis Mai 2022 gehörte Fahimi dem Bundestag an. Die Gewerkschafterin wurde in Hannover geboren und hat nach dem Abitur Elektrotechnik und schließlich Chemie studiert. Fahimi ist Diplom-Chemikerin.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden