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Deutsche Bahn: Verluste und Unpünktlichkeit – doch Bahnchef Lutz bekommt eine Gehaltsverdopplung

Deutsche Bahn

Verluste und Unpünktlichkeit – doch Bahnchef Lutz bekommt eine Gehaltsverdopplung

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    Gute Laune bei Bahnchef Richard Lutz: Er verdoppelte sein Salär im vergangenen Jahr ungeachtet der vielen Probleme im Konzern.
    Gute Laune bei Bahnchef Richard Lutz: Er verdoppelte sein Salär im vergangenen Jahr ungeachtet der vielen Probleme im Konzern. Foto: Carsten Koall,, dpa

    Die Deutsche Bahn steckt in Widersprüchen fest. Im vergangenen Jahr kam im Durchschnitt jeder dritte Zug im Fernverkehr zu spät, dennoch stiegen wieder deutlich mehr Fahrgäste ein. Der Schienenkonzern erwirtschaftete den dritten Verlust in Folge, was einer Gehaltsverdopplung von Bahnchef Richard Lutz aber nicht im Wege stand. Und die profitabelste Tochterfirma ist ausgerechnet die Spedition Schenker mit ihren Lkw. 

    Voila, die Eisenbahn in Deutschland. "Das vergangene Jahr markiert einen Wendepunkt", sagte Lutz bei der Vorstellung der Bilanz für 2022 am Donnerstag. "Allen Beteiligten ist klar geworden: Wir müssen umsteuern und die Sanierung und Modernisierung der Infrastruktur gänzlich anders angehen."

    Deutsche Bahn: Die Pünktlichkeit liegt bei 65 Prozent

    Der Bahnchef hat seine Bezüge im vergangenen Jahr auf 2,24 Millionen Euro mehr als verzweifacht, rief seine Mitarbeiter im Tarifstreit aber zum Maßhalten auf. "Es hat wehgetan, den Streik am Montag erleben zu müssen", erklärte der 58-Jährige. Er wünschte sich wie in den Jahren zuvor einen tragfähigen Kompromiss. Doch die bisher als friedliebend bekannte Eisenbahnergewerkschaft EVG zeigt unter ihrem neuen Vorsitzenden Martin Burkert ihre Zähne. Weitere Streiks über Ostern wollte er nicht ausschließen. Für das Bahnmanagement könnten die nächsten Wochen also ungemütlich werden. 

    Während des Bahnstreiks am Montag blieben viele Züge im Depot, wie hier die S-Bahnen in München. Die Eisenbahnergewerkschaft schließt Streiks über Ostern nicht aus.
    Während des Bahnstreiks am Montag blieben viele Züge im Depot, wie hier die S-Bahnen in München. Die Eisenbahnergewerkschaft schließt Streiks über Ostern nicht aus. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Zu den Zahlen: Die Pünktlichkeit im Fernverkehr lag bei 65 Prozent, als Zielwert hatte der Vorstand 75 Prozent ausgerufen. Vergangenes Jahr nahmen mit 132 Millionen Reisenden trotz dessen 50 Millionen mehr einen Fernzug als im Jahr davor. Dieser satte Anstieg stärkte die wirtschaftliche Lage des Unternehmens spürbar. Dennoch reichte es nicht für einen Überschuss. Der Verlust summierte sich auf 227 Millionen, was aber eine deutliche Verbesserung darstellt im Vergleich zum Minus von 911 Millionen Euro aus dem Jahr 2021. 

    Operativ immerhin schrieb das Unternehmen nach den Milliardenverlusten in der Corona-Pandemie wieder schwarze Zahlen. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern erreichte rund 1,3 Milliarden Euro, nach einem Minus von 1,5 Milliarden. Dass es 2022 unter dem Strich nicht für einen Gewinn reichte, lag an den ungewöhnlich hohen Steuerzahlungen.

    Das Kerngeschäft macht Miese

    Auf den ersten Blick ist der Trend nach oben gerichtet, der zweite, genauere in die Bilanz ist trüber. Alle drei Sparten des Kerngeschäfts – Fernverkehr, Regio und Gütersparte – fuhren Verluste ein. Nur der Ertragskraft der Speditionstochter Schenker ist es zu verdanken, dass die Bilanz nicht in Dunkelrot gedruckt werden muss. "Die Zahlen für das Geschäftsjahr 2022 zeigen, dass die Deutsche Bahn weiterhin ein Sorgenkind bleibt", meinte der CSU-Verkehrsexperte Ulrich Lange. Das Schienennetz sei marode, Pünktlichkeit und Qualität der Züge ließen zu wünschen übrig. 

    Passagiere warten am Bahnhof auf ihren Zug. Zu oft geht eine Reise mit der Bahn später los, als geplant. Im vergangenen Jahr kam jeder dritte Zug bim Fernverkehr unpünktlich.
    Passagiere warten am Bahnhof auf ihren Zug. Zu oft geht eine Reise mit der Bahn später los, als geplant. Im vergangenen Jahr kam jeder dritte Zug bim Fernverkehr unpünktlich. Foto: Sebastian Gollnow, dpa

    Nach dem Jahr mit den ungezählten Verspätungen läuft es aktuell etwas besser. Im Januar und Februar erreichten knapp über 70 Prozent der Fernzüge pünktlich die Bahnhöfe. Das soll noch gesteigert werden. Im Gesamtjahr peilt der Vorstand einen Wert deutlich oberhalb der 70 Prozent an. Für das Unternehmen ist das keine Selbstverständlichkeit. 

    Denn die Bahn baut so stark wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die Devise, die Bundesverkehrsminister Volker Wissing ausgegeben hat, lautet: So viel aus dem bestehenden Netz herausholen wie möglich. Der FDP-Politiker hatte es sich nicht nehmen lassen, bei der Vorstellung der Zahlen dabei zu sein. Die Bahn ist für Wissing das zentrale Instrument, um den Kohlendioxidausstoß des Verkehrssektors zu senken. 

    Die Verspätungsgefahr bei der Bahn bleibt hoch

    Damit das gelingt, muss das Netz ertüchtigt werden, damit mehr Lokomotiven rollen können. "Die Bahn ist dann pünktlich, wenn wir unser Hochleistungsnetz geschaffen haben … und keine Dauerbaustellen mehr haben", erläuterte Wissing. Das Hochleistungsnetz sind die besonders beanspruchten Strecken, wie zum Beispiel die Abschnitte zwischen Frankfurt am Main und Mannheim, Berlin und Hamburg oder Würzburg und Nürnberg.

    Sie sollen in den kommenden Jahren generalüberholt werden und werden dafür monatelang gesperrt. Das wiederum sorgt in dieser Zeit für Stress bei den Passagieren, weil Umleitungen mit Bussen und Schienenersatzverkehr angesagt sind. Dahinter steckt die Überzeugung, dass es besser ist, eine Strecke in einem Rutsch zu sanieren, als sich über Jahre immer wieder Teilstücke vorzunehmen.

    Bahn rechnet mit Fahrgastrekord

    Für Unruhe wird Wissing auch mit seiner geplanten Bahnreform sorgen, die er bis Ende des Jahres über die Bühne bringen will. Die Bahnhofsparte und die Netzsparte will er zu einer Infrastruktursparte zusammenlegen, um das Dickicht an Tochterfirmen und verwischten Zuständigkeiten zu lichten. Eigentlich wollten FDP und Grüne den Bahnkonzern zerschlagen, was aber die SPD im Verband mit der Eisenbahnergewerkschaft verhinderte. 

    Zu den Paradoxien der Bahn gehört, dass das Management heuer trotz all dieser Probleme mit einem neuen Fahrgastrekord rechnet. In die Züge des Fernverkehrs sollen mehr als 155 Millionen Passagiere zusteigen. Der bisherige Rekord liegt bei 151 Millionen und stammt aus dem Jahr 2019.

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