Von CDU-Chef Friedrich Merz ist bekannt, dass er gerne fliegt. Vor kurzem erst stieg der Hobby-Pilot auf Einladung der Bundeswehr in einen Eurofighter und lenkte den Kampfjet sogar selbst. Die Sause soll den Steuerzahler 111.000 Euro gekostet haben, aber was tut ein Politiker nicht alles, um sich über den Zustand der Luftwaffe zu informieren. Mit der Performance in der Luft war Merz anschließend zufrieden, die der erdgebundenen Bahn hingegen bemängelt er. Diese müsse „ihr Angebot reduzieren, damit das reduzierte Angebot wieder zuverlässig erbracht werden kann“, sagte er der ARD und ergänzte: „Die Bahn wird überfordert und überfordert sich im Augenblick selbst. Und das geht nicht.“
Merz schielte bei seiner Kritik auch auf den angeblich schlechten Service der Bahn während der Fußball-Europameisterschaft. Kritiker bescheinigten dem Sauerländer aber, ein Eigentor geschossen zu haben. Kanzler Olaf Scholz erklärte in der ARD: „Nachdem CDU und CSU überwiegend die Verantwortung dafür haben, dass in den letzten Jahrzehnten zu wenig in die Infrastruktur der Schiene gesteckt worden ist (...), ist das natürlich eigentlich wie eine Verhöhnung derjenigen, die sich über die schlechte Qualität des Bahnangebots ärgern.“
Experte verwundert über Merz-Vorschlag zur Deutschen Bahn
Dirk Flege, Chef des Verkehrsbündnisses Allianz pro Schiene und ein über viele Jahre erfahrener Beobachter der Branche, äußerte sich ähnlich. „Der Vorschlag von Friedrich Merz verwundert. Schließlich ist der Sanierungsstau im Schienennetz schon unter den unionsgeführten Bundesregierungen entstanden“, sagte Flege unserer Redaktion und ergänzte: „Jetzt das Zug-Angebot zu reduzieren, hieße, die Schiene noch einmal zu schwächen.“ Das wäre nicht nur für den Klimaschutz im Verkehr fatal, es würde auch überhaupt nicht zur steigenden Nachfrage im Personen- und im Güterverkehr auf der Schiene passen. „Wir müssen stattdessen mehr Kapazität im Bahnverkehr schaffen“, forderte Flege.
Bernd Riexinger, Sprecher für Verkehr und klimagerechte Mobilität der Linkspartei im Bundestag, warf Merz Ahnungslosigkeit vor. „Würde er sich nicht nur in seinem Privatjet oder mit Chauffeur durch Deutschland bewegen, dann wüsste er, dass das Bahnangebot ausgebaut werden muss“, sagte der Linken-Politiker unserer Redaktion. Das sei zum Erreichen der Klimaziele im Verkehrssektor dringend notwendig, „denn nur so ist ein Umstieg bei Fernreisen vom privaten Pkw und von Inlandsflügen auf die Schiene möglich“.
Die Bahn hält sich gegenüber CDU-Chef Merz zurück
Beim Konzern selbst mochte man sich auf Anfrage nicht zu der Forderung von Merz äußern. Die DB gibt die Antwort lieber auf dem Platz, sie brachte beispielsweise zur EM die nach eigenen Angaben größte ICE-Flotte überhaupt auf die Strecke. Allerdings waren in den ersten sechs Monaten des Jahres auch nur 62,7 Prozent der Fernzüge pünktlich. Das waren fast sechs Prozentpunkte weniger als im Vorjahreszeitraum. Die Bahn erklärt das mit „massiven Streiks“, den zahlreichen Baustellen sowie vielen Extremwettereignissen im ersten Halbjahr.
Bahnexperten weisen darauf hin, dass der Fernverkehr – auf den Merz in seiner Kritik offenbar abzielt – nur die eine Seite der Medaille ist. Die andere ist der Regionalverkehr. Würde das Angebot dort eingedampft, hätten Millionen Pendlerinnen und Pendler auf dem Weg zur Arbeit und zurück das Nachsehen. Auch Riexinger wies auf diesen Aspekt hin. „Neben der Sanierung der bestehenden Schieneninfrastruktur müssen auch in der Fläche wieder Bahnverbindungen gerade im ländlichen Raum aufgenommen werden“, sagte er.
Aus den eigenen Reihen sprang der CSU-Verkehrsexperte Ulrich Lange dem Bahnkritiker Merz bei. „Friedrich Merz hat völlig recht. Die DB ist strukturell überfordert und notorisch überlastet“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende unserer Redaktion. Das sehe man zum Beispiel daran, dass sie bei der Pünktlichkeit total einbreche und ständig Züge ausfallen würden. „Damit es in Zukunft besser laufen kann, braucht es eine völlige Neuaufstellung der DB mit einer Trennung des Infrastrukturbereiches und des Transportbereiches“, sagte Lange. Die Bahn solle sich nur noch um den Verkehr auf der Schiene kümmern und damit um weniger als bisher. „Das ermöglicht, dass sie sich nur darauf konzentrieren kann und dann hoffentlich eine gute Performance schafft, die auch die Reisenden überzeugt.“
Riexinger gab Merz einen Rat mit auf den Weg. Wenn der CDU-Chef denn unbedingt sparen wolle bei der Bahn, „dann empfehle ich ihm bei solch irrsinnigen und teuren Projekten wie Stuttgart 21 zu beginnen. War es doch die Union in Bund und Land, die diese Verschwendung von über 11 Milliarden Euro Steuergeldern für einen einzigen Bahnhof mit aller Macht durchgedrückt hat.“
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Oder auf schwäbisch: "Hädsch Dei domma Gosch ghalda, dann hätt koiner gmerkt wie bled du bisch..." Jahrzehntelang verantwortlich für Misswirtschaft, Verschwendung und Raubbau an der Bahn, aber dann schlau daher reden. Genau mein Humor Herr Merz...
Sehr guter Kommentar Herr Killisperger! Der Spruch auf schwäbisch trifft es genau, hab mich sehr amüsiert :-)
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