Die Deutsche Bahn hat sich festgefahren. Nur sieben von zehn ICE und IC kommen pünktlich, die rollenden Abteilungen des staatseigenen Unternehmens – Fern-, Nah- und Güterverkehr – schlossen das vergangene Jahr allesamt mit Verlusten ab. Wegen der jahrzehntelangen Vernachlässigung des Gleisnetzes sind in den kommenden Jahren zahllose Baustellen geplant, die den Reisenden viel Geduld abverlangen werden. Es besteht in Berlin Einigkeit darüber, dass der Schienenkonzern grundlegend überholt gehört. Doch welcher Weg führt zum Erfolg?
Welche Reformvorschläge gibt es?
Die Ampel-Koalition hat sich vorgenommen, die beiden Sparten Schienennetz und Bahnhöfe zusammenzulegen und daraus eine gemeinwohlorientierte Infrastrukturgesellschaft zu schmieden. Sie soll unter dem Dach des Bahnkonzerns verbleiben. Zweck der Gemeinwohlorientierung soll sein, dass weniger danach geschaut wird, ob sich eine Strecke betriebswirtschaftlich lohnt, sondern ob sie ein gutes Angebot für die Passagiere ist. Wenn mehr Leute die Bahn nutzen, dann geht dadurch auch der CO2-Ausstoß zurück.
CDU und CSU geht das Vorhaben der Regierungsparteien nicht weit genug. Die Union fordert eine Zerschlagung des Unternehmens. Gleise und Bahnhöfe sollen abgespalten und in eine bundeseigene GmbH ausgelagert werden. Bei der Bahn verblieben die rollenden Einheiten. Der Staatskonzern wäre ein Wettbewerber unter vielen. Die Konkurrenz soll dazu führen, dass Pünktlichkeit und Service besser werden. „Wir glauben, dass es einer echten Veränderung bedarf“, sagt CSU-Verkehrsexperte Ulrich Lange.
Wie bewerten die Experten die Reformvorschläge?
Die Monopolkommission unterstützt den Vorschlag, die Bahn zu zerschlagen. Der Bundesrechnungshof sieht das genauso, könnte aber auch mit der kleineren Lösung der Ampel leben. „Die Bahn ist ein Sanierungsfall“, lautet das harsche Urteil der Haushaltswächter. Sowohl Rechnungshof als auch Monopolkommission sprechen sich sogar dafür aus, dass der Bund nach der Reform die rollenden Einheiten der Bahn verkauft und nur noch das Netz behält.
Die Allianz pro Schiene wiederum mahnte, dass durch das Anbringen neuer Klingelschilder noch nichts gewonnen sei. Es sei viel wichtiger, dass der Bund zuvor inhaltlich kläre, wohin er mit der Bahn wolle, sagt Allianz-pro-Schiene-Chef Dirk Flege. Ohne einen breiten Schulterschluss von Koalition, Opposition, Bahnvorstand und Gewerkschaften werde keine Bahnreform gelingen.
Was sagen die Eisenbahner zu den Reform-Plänen?
Die beiden Eisenbahnergewerkschaften EVG und GDL sind uneins darüber, welche Reform sie unterstützen sollen. Während die kleinere Gewerkschaft der Lokomotivführer für die Zerschlagung plädiert, unterstützt die größere EVG die kleine Reform unter dem Dach des Bahnkonzerns. „Ich möchte deutlich werden, die Trennung von Netz und Betrieb ist für uns eine Scheinlösung“, sagt der EVG-Vorsitzende Martin Burkert. Obwohl er sich in den zurückliegenden Wochen einen harten Arbeitskampf mit dem Bahn-Management geliefert hat, stimmt er in diesem Punkt mit dem Vorstand überein.
Was bedeutet der Konkurrenzkampf der Gewerkschaften?
Für den Bahn-Vorstand könnte der verordnete Konzernumbau in den nächsten Monaten das kleinere Problem werden. Nach Monaten des Tarifkrachs mit der EVG ist demnächst die GDL an der Reihe. Anfang Juni wollen die Lokführer ihre Forderung präsentieren, die noch einmal über derjenigen der EVG liegen könnte. Ein Bahnkenner berichtet, dass die Zeichen auf Sturm stehen. „Die schaukeln sich bei allen Themen hoch, ob Bahnreform oder Bezahlung.“ Der Bahnchef müsse sich auf eine harte Probe einstellen.